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Klimaziele adé?

Auf der UN-Klima-Konferenz sorgte Japan für Empörung unter Umweltschützern: Das Land, das einst eine Führungsrolle im Kampf gegen die Erderwärmung einnehmen wollte, korrigierte seine Klimaziele mit einigen Rechentricks nach unten.

Von Peter Kujath |
    "Ich habe beschlossen, als mittelfristiges Ziel die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen um 15 Prozent auf der Basis von 2005 festzusetzen. Ich bin entschieden, mich für ein konstruktives, internationales Rahmenabkommen einzusetzen, damit die Bemühungen jedes einzelnen Japaners und von uns allen nicht umsonst waren."

    Japans Premierminister, Taro Aso, hatte extra eine Pressekonferenz anberaumt, um den möglichen Beitrag Japans im Kampf gegen die globale Erwärmung vorzustellen. Eine halbe Stunde nahm er sich Zeit, um darzulegen, dass sich Japan mit der Reduzierung um 15 Prozent im Vergleich zu anderen Industriestaaten ein ehrgeiziges Ziel gesetzt habe.

    "Japans Ziel, das nun feststeht, geht über das mittelfristige Ziel der EU hinaus. Die EU hat auf der Basis von 2005 eine 13-prozentige Reduzierung vorgeschlagen. Und auch die Obama-Regierung in den USA strebt bezogen auf das gleiche Jahr nur eine 14-prozentige Reduzierung an."

    Seitdem findet in den japanischen Medien eine exzessive Zahlenspielerei statt. Denn wenn man als Basis das Jahr 1990 zu Grunde legt, wie das im Kyoto-Protokoll festgeschrieben ist, dann wird Japan seinen CO2-Ausstoß nur um acht Prozent reduzieren, wie Naoyuki Yamagishi erklärt. Er ist zuständig beim WWF Japan für die Programme gegen den Klimawandel.

    "Die 15 Prozent bezogen auf das Jahr 2005 bedeuten gerade einmal acht Prozent, wenn man als Basis 1990 zu Grunde legt. Und bereits im Kyoto-Protokoll war für Japan als Ziel sechs Prozent festgeschrieben."

    Also reduzieren sich die vorgestellten 15 Prozent mit der Basis 2005 auf nur mehr acht Prozent bezogen auf das Basisjahr 1990. Wenn man dann noch die im Kyoto-Protokoll fest zugesagte sechsprozentige Reduzierung abzieht, bleiben gerade noch zwei Prozent übrig, die Japan bis 2020 zusätzlich an Treibhausgasen einsparen will.

    "Das ist einfach nicht genug. Vom wissenschaftlichen Standpunkt her, ist es nicht genug, um die globale Erwärmung zu stoppen. Und es ist nicht genug für Japan als Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft."

    Doch die NGOs, die regierungsunabhängigen Organisationen, finden in Japan nur wenig Gehör und haben kaum Zulauf. Japan als Inselstaat hat über die Jahrhunderte seiner Existenz hinweg keine Revolution, keine Bürgerbewegung erlebt, die das System nachhaltig umgekrempelt hätte.

    Veränderungen gingen meist von der herrschenden Klasse aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Demokratisierung von außen, von den siegreichen Alliierten eingeführt und erst mit der Zeit verinnerlicht. Die 68er-Bewegung führte in Japan zum Teil zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zum Beispiel an der Todai, der Tokio Universität, aber es war ein kurzes Aufflammen, das keinen nachhaltigen Niederschlag fand. Naoyuki Yamagishi weiß um diese Schwierigkeiten, schiebt aber aktuell der Politik die Verantwortung zu.

    "Die Japanische Bevölkerung ist sich schon sehr bewusst, was den Klimawandel betrifft, und auch gut informiert. Aber ich glaube, sie haben es einfach satt, dass keine vernünftigen politischen Konzepte vorgestellt werden. Und so geben sie schnell auf, was die Regierungsinitiativen betrifft."

    Im letzten Jahr sah das noch anders aus. Da hatte Japan den Vorsitzend der G8-Gruppe und wollte während des Gipfeltreffens auf Hokkaido ambitionierte Klimaziele für 2050 erreichen. Damals war das Interesse der Bevölkerung an diesen Zielen und an der Arbeit der NGOs auch noch größer.

    "Das ist bedauerlicherweise wahr. Wir Japaner können uns leicht für eine Sache erwärmen und dafür begeistern. Wir können aber genauso schnell wieder eine Sache vergessen. Das ist ein anderes Merkmal der Gesellschaft hier, auf das ich im Moment nicht gerade stolz bin."

    Spricht man die Menschen auf der Straße auf die mittelfristigen Klimaziele an, so trifft man auf eine ganze Menge Skepsis.

    "Zahlen alleine machen noch kein Konzept aus."

    "Ich denke nicht, dass das erreicht werden kann. Bis jetzt hat Japan den Ausstoß nicht reduzieren können, wieso soll das auf einmal gehen?"

    "Es muss etwas getan werden, weil diese Generation schon jetzt auf Pump und zu Lasten der kommenden Generation lebt."

    Laut einer Umfrage der japanischen Regierung sind 45 Prozent für die vorgestellten mittelfristigen Klimaziele, auch weil die Regierung in der gestellten Frage die Kosten für ambitioniertere Ziele gleich mitlieferte. Laut ihrer Berechnung muss jeder Haushalt circa 6000 Yen monatlich aufbringen, wenn der CO2-Ausstoß bis 2020 um 15 Prozent reduziert werden soll. Das sind umgerechnet etwa 40 Euro. Von der Industrie war während Asos Pressekonferenz übrigens kaum die Rede.

    "Die japanische Bevölkerung muss die Last gemeinsam schultern, wenn wir die Treibhausgase reduzieren wollen. Aber das sind Kosten die wir übernehmen müssen, um unseren Planeten zu bewahren. Japan muss sich dem Kampf gegen die globale Erwärmung verpflichtet fühlen."

    Doch bisher hat Japan noch nicht einmal im Ansatz die Vorgaben aus dem Kyoto-Protokoll erfüllt. Stattdessen ist der Ausstoß an CO2 von 1990 bis 2005 um sieben Prozent gestiegen. Japans Unternehmen sehen sich ohnehin benachteiligt, weil aus ihrer Sicht im Kyoto-Protokoll die hohe Energieeffizienz der japanischen Firmen nicht gebührend berücksichtigt wurde. Die japanischen Medien halten sich mit Meinungen und Einordnungen zurück und folgen meist den Zahlenvergleichen der Regierung. Allein die kommunistische Partei Japans, die oft als einzige, wirkliche Oppositionspartei bezeichnet wird und seit Jahrzehnten um die zehn Prozent Stimmenanteil hat, übte deutliche Kritik.

    "Die Regierung macht einen Kotau vor den Wirtschaftsbossen. Die Unternehmen hier sind sehr widerwillig, entsprechende Maßnahmen gegen die globale Erwärmung zu ergreifen. Und die regierenden Politiker wiederum sind von ihnen beeinflusst."