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Kluge Köpfe gesucht

Der Kampf um die besten Köpfe ist in vollem Gang: Mit Webespots und Willkommensgeschenken versuchen die Universitäten in Deutschland, für sich und ihre Studiengänge zu werben. Besonders Studierende naturwissenschaftlicher Fächer werden händeringend gesucht. Auf einer Tagung zum Studentenmarketing in Göttingen berieten die Universitäten, wie sie Studienanfänger für sich begeistern können.

Von Carolin Hoffrogge |
    Christoph: "In erster Linie habe ich mich für Göttingen entschieden, weil es in der Nähe von Hamburg liegt, meiner Heimatstadt. Und ich wollte gerne in einer Studentenstadt leben."

    Frauke: "Ich wohne hier in der Nähe, also bei meinen Eltern. Meine Eltern finanzieren mir das Studium."

    Christoph studiert Psychologie in Göttingen, Frauke hat mit dem Studium der Agrarwissenschaften angefangen. Wohnortnähe und studentisches Leben sind zwei klassische Gründe bei der Wahl des Studienortes. Denn - das besagen Langzeitstudien - emotionale Faktoren geben den Ausschlag für die eine oder die andere Hochschule. Davon kann auch Janny Armbruster als Marketingleiterin der Universität Potsdam berichten:

    "Wenn sie sich die Ergebnisse des CHE anschauen, bezogen auf die Mobilität der jungen Studienanfänger, dann stellen sie fest, das die alle im Hotel Mama bleiben, jedenfalls im nahen regionalen Umfeld."

    Die Nähe zum vertrauten Wohnort spielt zwar eine Rolle, aber besonders bei sehr guten Studierenden ist das Ranking der Universitäten das Zünglein an der Waage, sagt Professor Heribert Meffert, Marketingexperte von der Universität Münster.

    "Wohin orientieren sich die Besten. Und zählt das Markenimage. Wir sind hier in Göttingen, wo man den "Spirit von Göttingen" mit der Naturwissenschaft verbindet, so dass die Besten es finden - Ich sage mal das Wort "fit", was zu einem passt. Da würde ich mich wohl fühlen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Abiturienten schon im Vorfeld sehr genau informieren, nicht nur über Rankings, sondern über Freunde, das passt zu mir, das passt nicht zu mir. Die sind mir zu praxisorientiert oder sie haben eine gewissen Forschungsbezug."

    Der Kampf um die besten Köpfe ist in vollem Gang. Deswegen haben sich die Marketingexperten in Göttingen zum Brainstorming zusammengesetzt. Darüber hinaus kümmern sie sich um eine bessere Verteilung der Studenten zwischen Ost und West.

    Bleiben im Osten jetzt schon viele Studienplätze unbesetzt, quellen die westdeutschen Hochschulen förmlich über. Die Konsequenz: volle Hörsäle, schlechte Betreuung, kaum Platz in den Bibliotheken. Um junge Menschen für die ostdeutschen Unis und Fachhochschulen zu gewinnen, denkt sich Christoph Biggeleben von der Werbeagentur Scholz & Friends derzeit eine große Werbekampagne aus. Diese findet ausschließlich im Internet statt.

    "Wir werden so eine Art Matching Tool entwickeln, zwischen den Hochschulen und den Schülern, eine Art Studiensuchmaschine verknüpft mit einer Studienortsuche und wollen das eben auf sehr unterhaltsame Weise machen, im Internet, gemeinsam mit unserem Partner SchülerVZ, wo diese Maschine integriert wird, auf deren Seiten."

    Start dieser Kampagne ist März 2009. Aber auch jetzt schon überlegen sich immer mehr ostdeutsche Hochschulen, wie sie ihre Studierenden anwerben können. Für die Uni Potsdam hat sich Janny Armbruster etwas Besonders ausgedacht:

    "Wir schenken all unseren Studienanfängern, die aus anderen Landesteilen als Berlin oder Brandenburg kommen, einen Gutschein über eine Bahncard 50 für ein Jahr. Wir haben es jetzt das erste Mal gemacht und damit schöne Effekte erreicht. Zum einen haben wir wirklich 50 Prozent mehr Anfänger aus überregionalen Gebieten in diesem Wintersemester - und zugleich freuen die sich auch."

    Die Marketingstrategen auf der Göttinger Tagung sind sich einig, dass ihre Arbeit nachhaltig sein muss. Das heißt, Studenten können nicht nur mit Willkommensgeschenken und tollen Ausschmückungen geworben werden. Außerdem muss das Produkt "Studienplatz" gepflegt werden.

    "Wenn das Produkt nicht stimmt, sind die auch nach einem halben Jahr wieder weg. Und wenn die Hochschulen ihre Programme nicht so aufstellen, das sie auch studierbar und gut studierbar sind, dann verlieren sie die auch wieder. Und dann ist es sogar schädlich, was wir im Studierendenmarketing machen."

    Das sich der Aufbau der Studieninhalte immer wieder einer Prüfung unterziehen sollte, hält Bernt Armbruster für selbstverständlich. Hier nimmt er als Marketingchef der Universität Kassel seine Professoren in die Pflicht.

    "Wenn wir mit sehr viel Mühe und großen Kampagnen Technikstudierende gewinnen, die dann bereit sind, Bauingenieur oder Informatik zu studieren, und dann schmeißen wir die an bestimmten Klippenfächern wie Mechanik und Mathematik im zweiten Semester wieder raus, dann ist das eine Aufgabe, die gehört auch zum Marketing, zu dem Fachbereich zu gehen und zu sagen, da müsst ihr Brückenkurse einrichten, da müsst ihr begleitende Tutorien aufbauen und so weiter."

    Das Zentrum für Hochschulentwicklung bietet den Universitäten derzeit den kostenlosen Service des Geomarketings an, sagt Markus Langer vom CHE. Gemeinsam mit seinen Kollegen analysiert Langer, wieviele der Abiturienten in ihrer jeweiligen Region bleiben würden. Dazu gucken sie beispielsweise, welche Wirtschaftsunternehmen vor Ort die späteren Absolventen der Hochschule beschäftigen könnten. Mit ihrer vom CHE gefilterten Zielgruppe vor Augen, werben die Hochschulen dann vor Ort: in Zeitungsanzeigen und Kinospots, mit Flyern und Postern. Dieser Aufwand lohnt sich, weiß Bernt Armbruster von der Universität Kassel aus langjähriger Erfahrung.

    "Die Uni hat sich von Anfang an die Aufgabe gestellt, ihr Wissen, wir haben zum Beispiel auch Technikwissen, in die Region zu transportieren. Dadurch ist die ganze Region wirtschaftlich nach vorne gekommen. Es gibt auch viele Jobs. Die Uni ist auch eine Jobmaschine."

    Wie schwierig es allerdings zurzeit ist, zukünftige Studierende für Ingenieurberufe zu begeistern, erzählt Griet Reucher. Gemeinsam mit ihren Kollegen hat sie sich am Fachbereich Produktionstechnik der Universität Bremen die Kampagne "Werdeweltretter" ausgedacht. Kern der Kampagne ist ein 30 Sekunden langer Kinospot.

    "Wir provozieren natürlich mit dem Slogan "Der Ingenieur von morgen muss die Welt retten". Klar kann nicht der Ingenieur von morgen alleine die Welt retten. Aber wir wollten die Jugendlichen provozieren und dazu anregen, was steht hinter diesem Kinospot. Wir haben im Kino beobachtet, wie die Jugendlichen dabei geschmunzelt haben, darüber diskutiert haben. Wir wollten auf den Studiengang aufmerksam machen und ich glaube, das haben wir gut umgesetzt."

    Immerhin hat der Studiengang Produktionstechnik in Bremen dieses Semester wieder größeren Zulauf. Aber ob in Bremen oder Berlin, in Weimar oder Würzburg - eine Werbeform können alle Hochschulen für sich nutzen, sagt Marketingprofessor Heribert Meffert aus Münster. Nämlich die der Absolventen.

    "An der Universität Münster sind wir sehr stark dran, dass wir mit den Alumni netzwerken. Das heißt, wir haben ungefähr zwanzig Hochschulen, mit denen wir in Kontakt sind, direkt über die Studierenden das zu machen. Das ist so eine Art Netzwerkmarketing."