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Kniegelenk-Ersatz

Amerika ist das Land der künstlichen Gelenke. Übergewicht, Bewegungsmangel, Verschleiß-Erscheinungen führen immer häufiger dazu, dass selbst junge Menschen dort schon ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk brauchen. In den USA bekommt jedes Jahr mehr als eine halbe Million Patienten ein künstliches Gelenk eingesetzt. Vor allem die Zahl der Knie-Gelenk-Operationen steigt kontinuierlich an. Weil aber immer mehr Menschen ein künstliches Gelenk bekommen, suchen die Ärzte in den USA auch besonders intensiv nach schonenden Operations-Verfahren. Und nach Prothesen, die nur das ersetzen, was wirklich kaputt ist. Sie sollen einen möglichst natürlichen Bewegungsablauf garantieren.

Sabine Goldhahn |
    Verschleißerscheinungen bei einem Knie bedeuten für viele Patienten eine kleine Odyssee: Krankengymnastik und physikalische Therapie, Schmerzmittel und Knorpelaufbaupräparate. Irgendwann ist die Arthrose so stark ausgeprägt, dass alles nichts mehr nützt und als einziger Ausweg die Operation bleibt. Wenn nur der äußere oder innere Teil des Oberschenkelknochens betroffen ist, reicht es oftmals, dass Ärzte nur die Bein-Stellung operativ korrigieren. In vielen Fällen ersetzen sie jedoch das gesamte Kniegelenk durch ein künstliches.

    Der komplette Kniegelenksersatz wird mittlerweile seit 30 Jahren auf der ganzen Welt gemacht und die Ergebnisse sind exzellent. Aber da gibt es jene 10 bis 15 Prozent an Patienten, bei denen nur ein kleiner Teil des Knies betroffen ist, und da macht es natürlich Sinn, nur einen Teil des Kniegelenks durch ein künstliches zu ersetzen.

    Richard Laskin, Orthopäde am Weill Medical College der Cornell University in New York. Er bevorzugt seit einiger Zeit bei Patienten, die nur am äußeren oder inneren Teil des Oberschenkel-Knochens eine Arthrose haben, den einseitigen Gelenkersatz. Unicondyläre Prothese, so der Fachbegriff. Dabei wird der Oberschenkelknochen nicht wie sonst üblich, mit einer kompletten Kappe aus Metall versehen, sondern nur mit einer kleinen Halbschale. Diese setzen die Ärzte meistens auf das innere Ende des Oberschenkelknochens – weil O-Beine viel häufiger vorkommen und dabei vor allem die Innenseite des Kniegelenks überlastet wird. Aber auch ein Gelenkersatz auf der Außenseite – wie bei Verschleißerscheinungen durch X-Beine – ist möglich. Darryl D’Lima von der Scripps Clinic im kalifornischen La Jolla.

    Den einseitigen Kniegelenksersatz gibt es schon seit mehreren Jahren. Allerdings waren die ersten Ergebnisse wegen schlechter Materialien und unzureichender Operationsinstrumente so unbefriedigend, dass man ihn lange Zeit kaum gemacht hat. In letzter Zeit haben sich die Ergebnisse aber deutlich verbessert, denn es gibt mittlerweile viel bessere Materialien und geeignete Instrumente, mit denen wir das Kniegelenk operieren und die Beinachse optimal wiederherstellen können.

    D’Lima hat im Labor untersucht, ob ein Knie nach Gelenkersatz noch genauso gut funktioniert wie vorher.

    Wir haben gemessen, wie groß das Bewegungsausmaß im Knie ist und wie gut der Bewegungsablauf beim Treppensteigen funktioniert. Zuerst haben wir das normale Knie gemessen, dann ein Knie mit einseitigem Gelenkersatz, später dasselbe Knie ohne vorderes Kreuzband, und zum Schluss ein Knie mit kompletter Knieprothese.

    Dabei zeigte sich, dass ein Knie mit einseitigem Gelenkersatz fast wie ein normales Knie funktioniert. Der Grund: Kreuzbänder und Kniegelenkkapsel bleiben intakt. Das ist wichtig, denn sie haben entscheidenden Anteil an der Sicherheit und Stabilität, mit der wir uns bewegen. Beide Strukturen enthalten winzigste Sensoren, die messen, wo das Gelenk im Raum steht oder wie stark es belastet wird. Wenn dagegen der Oberschenkelknochen komplett mit einem Ersatzgelenk versehen wird, können diese wichtigen Strukturen in der Regel nicht erhalten werden. Das Knie fühlt sich beim Laufen fremd an. Ein weiterer Vorteil bei dem teilweisen Gelenkersatz: Für die Operation reicht ein kleiner Schnitt. Der Patient verliert weniger Blut und mehr Knochensubstanz bleibt erhalten. Der Eingriff ist minimal-invasiv und in Zukunft sogar über Computernavigation möglich. Dennoch betont Richard Laskin:

    Entscheidend ist, dass die meisten Patienten eine Arthrose des gesamten Knies haben. Dann ist dieses Implantat ungeeignet, sie brauchen einen normalen Kniegelenksersatz

    Auch in Deutschland besteht der Trend, dass wieder mehr unicondyläre Prothesen eingesetzt werden. Wie gut das Operationsergebnis schließlich ist, hängt jedoch ganz wesentlich von der Erfahrung des Orthopäden ab. Denn eine normale Knieprothese lässt sich relativ einfach einbauen. Der Einsatz einer unicondylären Prothese ist eine technisch anspruchsvolle Operation, die nicht in jeder Klinik gemacht wird.

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