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Koch-Event der Welthungerhilfe
Leckere Reste

Verschrumpelte Kartoffeln oder abgelaufene Milchprodukte landen schnell im Mülleimer, obwohl sie noch essbar sind. Mit einem Koch-Event hat die Welthungerhilfe am Wochenende in Bonn genau darauf aufmerksam gemacht. Die Bonner waren aufgerufen, aus Lebensmittel-Resten "Essensretter-Menüs" zu kochen.

Von Susanne Schrammar | 17.10.2016
    Lebensmittel liegen am Dienstag (13.03.2012) in einer Mülltonne in Frankfurt (Oder)
    Oft werden Lebensmittel, die noch genießbar sind, in den Müll geworfen. (pa/dpa/Pleul)
    "Ein Rest Zucchini, ein Rest Porree, Tomaten, noch mehr Tomaten und den Basilikum, den haben wir auch noch mitgenommen."
    Der 25-jährige Lev beugt sich tief über den Inhalt des WG-Kühlschranks. So ganz taufrisch sieht keine der Zutaten mehr aus, die der junge Mann im Norwegerpulli hervorzaubert: Die Zucchini und der Porree sind etwas eingetrocknet, die Basilikumblätter beginnen zu welken.
    "Es sind vielleicht Sachen, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist oder das einfach ästhetisch irgendwie nicht so schön aussieht oder es halt wie Brot, das ein bisschen trockener ist - aber das heißt ja nicht, dass man es nicht verwenden kann."
    "Running Dinner"
    Politologe Lev und seine Mitbewohnerin Lara, gehören zu den rund 300 Bonnern, die sich an diesem Abend als Essensretter betätigen. Aus Nahrungsmitteln, die Supermärkte oder Händler aussortiert haben, kochen sie 3-Gänge Menüs. Ergänzt durch frische Zutaten wird bei Lev und Lara aus dem, was sonst oft in der Mülltonne landet, ein orientalisches Tomatengericht mit Couscous.
    In der ganzen Stadt finden sogenannte "Running Dinner" statt, Zweierteams wie Lev und Lara bereiten für andere, ihnen unbekannte Gäste, Vor-, Haupt- oder Nachspeise zu und wechseln für jeden Gang die Wohnung. Eine Aktion der Welthungerhilfe mit Sitz in Bonn, die auf unkonventionelle Weise und ohne erhobenen Zeigefinger auf das Thema Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen will - und die bei dem 25jährigen Lev auf offene Ohren stößt.
    "Ich mag es generell nicht, wenn Essen weggeschmissen wird. Mir wurde zuhause immer erzählt: Der Teller muss leer gegessen werden, dass es sonst zu schade ist zum Wegwerfen. Und das habe ich jetzt auch in mein Erwachsenenalter mitgenommen, dass ich nicht mag, wenn Essen in die Mülltonne wandert - da regt sich bei mir was, wenn andere Menschen woanders hungern müssen. Guten Appetit allerseits! Ich bin mal gespannt, wie es Euch schmeckt – die Radieschen vor allem. Da haben wir vier Bund Radieschen aus dem Supermarkt besorgt, die sonst in der Tonne gelandet wären, nur weil die Blätter schlapp waren."
    Lebensmittelverschwendung ein globales Problem
    Ortswechsel. In der stylishen und lichtdurchfluteten Showküche eines Internet-Kochportals im Bonner Gewerbegebiet haben sich die ersten Essensretter bereits für die Vorspeise an eine lange mit rosa Blumen geschmückte Tafel gesetzt. Michael Hofmann setzt den Löffel an. Der hochgewachsene Mann ist Marketingleiter bei der Welthungerhilfe und verantwortlich für das Projekt. Lebensmittelverschwendung, erzählt Hofmann, sei ein globales Problem. Allein in Deutschland würden pro Jahr 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel weggeworfen, mehr als zwei Drittel davon müssten es gar nicht.
    "Die Aktion ist ein Erfolg, wenn wir es tatsächlich schaffen, dass Menschen darüber reden. Dass also die, die hier teilnehmen, dass die das mit ihren Freunden und Bekannten teilen. Viele wissen das auch nicht so. Viele - und auch meiner Frau ist das lange passiert - schmeißen die Kartoffeln weg, wenn die anfangen zu keimen - dann sind die irgendwie schlecht, funktionieren nicht. Dabei für so ein Gericht, wie das, was wir heute Abend kochen – selbst gemachte Gnocci - sind die eigentlich perfekt. Weil die haben dann viel weniger Wasser und man kann sie dann dafür viel besser verwenden."
    Prominente Unterstützerinnen
    Um auf das Problem Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen, hat sich die Welthungerhilfe am Wochenende auch prominente Unterstützung geholt. Sängerin Lucy Diakovska - Ex-No Angel - und Schauspielerin Liz Baffoe - bekannt aus der Lindenstraße – pürieren in der Showküche gemeinsam die Kürbis-Kokos-Möhren-Suppe. Sängerin Lucy hat selbst ein paar übrig gebliebene Lebensmittel mitgebracht, Liz Baffoe, Kind einer großen Familie, sagt, sie hasse es, Essen wegzuschmeißen.
    "Wir haben immer Reste-Essen gemacht. Am nächsten Tag, da kamen dann die Freunde aus der Straße vorbei und ich mache das heute noch, weil ich bin viel unterwegs und wenn ich noch was habe, rufe ich meine Freunde an: Hör mal, Resteessen? Komm, lass uns irgendein Rezept ausdenken. Das macht vor allen Dingen auch Spaß, weil wir uns ganz verrückte Rezepte ausdenken."
    Zurück in der WG-Küche von Lev und Lara. Die gefüllten Tomaten brutzeln im Backofen und die Gäste dürften jede Minute eintrudeln. Zeit für Essensretter Lev, um nochmal über das eigene Konsumverhalten nachzudenken.
    "Vielleicht ein bisschen sparsamer mit Essen umgehen, weil am Ende geht es einem selber besser, weil man dann gesünder isst, weil man dann, weil man guckt, was auf dem Teller landet, der Umwelt geht es besser und man gibt auch weniger aus. Also, am Ende ist da mehr Geld in der Tasche."
    Und was, wenn die Gäste an diesem Abend etwas übrig lassen vom Reste-Essen? Kein Problem, lacht Lev. Dann gibt es am nächsten Tag…
    "… ein leckeres Reste-Reste-Essen."