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Königsweg zu embryonalen Stammzellen?

Medizin. – Embryonale Stammzellen sind ein schwieriges Forschungsfeld. Sie gelten als wissenschaftlich äußerst viel versprechend, wegen ihrer Gewinnung aber als ethisch höchst zweifelhaft. US-Forscher glauben jetzt einen Weg aus dem Dilemma gefunden zu haben. In der heutigen "Nature" präsentieren sie ihren Vorschlag.

Von Michael Lange |
    Wer embryonale Stammzellen gewinnen will, braucht dazu Embryonen. Bisher funktioniert die Stammzellengewinnung so: Aus einer nur unter dem Mikroskop sichtbaren kleinen Zellkugel, der Blastocyste, entnehmen Wissenschaftler die Innere Zellmasse. Dabei zerstören sie die winzige Kugel, töten also den Embryo.
    Nun stellen Forscher des Biotechnologie-Unternehmens Advanced Cell Technology, kurz ACT, eine neue Methode vor. In "Nature" berichten sie über Stammzellengewinnung ohne Embryonenverbrauch. Zitat:

    "Wir präsentieren eine Reihe von Experimenten, die zeigen, dass es möglich ist, Stammzellen aus einzelnen Embryo-Zellen zu gewinnen. In 19 Versuchen haben wir zwei stabile Stammzellen-Linien erhalten."

    Die bei den Versuchen verwendeten Embryonen sind noch kleiner als bei der üblichen Methode zur Stammzellengewinnung. Statt aus über 100 Zellen, bestehen sie nur aus nur acht bis zehn Zellen. Vorsichtig trennen die Forscher eine einzelne Zelle aus diesem sehr frühen Embryonalstadium heraus. Sie regen die Zelle zur Teilung an und züchten daraus eine Kultur, die sich im Labor immer weiter vermehrt. Es entstehen Zelllinien, die sich in den bisher durchgeführten Untersuchungen nicht von embryonalen Stammzellen unterscheiden.
    Die Methode der Zellentnahme ist in der Medizin bereits bekannt: von der Präimplantationsdiagnostik. Dabei entnehmen Reproduktionsmediziner eine einzelne Zelle aus einem achtzelligen Embryo für einen Gentest. Ist der Embryo gesund, wird er in die Gebärmutter eingepflanzt und wächst heran.
    Die Verbindung von Präimplantationsdiagnostik und Stammzellenzüchtung eröffnet viele Möglichkeiten, schreiben die Wissenschaftler in "Nature". Zitat:

    "Die Fähigkeit, neue Stammzellen und Therapien zu entwickeln, ohne Embryonen zu verbrauchen, zerstreut viele ethischen Bedenken. Sie erlaubt aber auch die Herstellung genau passender Stammzellen für alle Kinder, die aus Präimplantations-Embryonen entstanden sind."

    In Deutschland ist die Präimplantationsdiagnostik verboten. Denn dabei werden Embryonen gezielt aussortiert, sobald bestimmte genetische Krankheiten entdeckt werden. Anders in den USA: Robert Lanza, der Leiter der Forschergruppe und Vizepräsident von ACT, sieht die neuen Ergebnisse als Signal an die amerikanische Politik. Gegenüber dem New Scientist erklärte er. Zitat:

    "Unserem Forschungszweig mangelt es an finanzieller Unterstützung. Die neue Methode wird viele Politiker überzeugen und auch den Präsidenten an Bord bringen. Schließlich werden keine Embryonen mehr getötet."

    Eine staatliche Förderung werden die Forscher vorerst nicht erhalten. Denn bei der Entwicklung der Methode haben sie einige Embryonen verbraucht.
    Die Gegner in den USA werden auch in Zukunft jegliche Forschung mit Embryonen ablehnen. So erklärte Richard Doerflinger von der US-amerikanischen katholischen Bischofskonferenz gegenüber der Washington Post. Zitat:

    "Die Methode wirft neue ethische Fragen auf. Aber sie gibt keine Antworten."

    Deutsche Stammzellenforscher dürfen die neue Methode vorerst nicht einsetzen. Zum einen fehlen die Embryonen aus der hierzulande verbotenen Präiimplantationsdignostik. Außerdem verbietet das deutsche Embryonenschutzgesetz schon die Schädigung oder Gefährdung eines Embryos.