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Koexistenz auf dem Acker

Unter welche Bedingungen konventionelle Nutzpflanzen und gentechnisch veränderte Organismen friedlich koexistieren können, wird seit April 2005 im Forschungsprogramm Co-Extra untersucht. An dem Projekt 51 Partner aus 18 Ländern beteiligt, EU-Staaten ebenso wie Russland, Brasilien und Argentinien; koordiniert wird es vom französischen Agrarforschungsinstitut INRA. In Paris findet derzeit die Abschlusskonferenz des Programms statt.

Von Suzanne Krause | 03.06.2009
    Der Verbraucher soll die Wahl haben zwischen Gentechprodukten und Lebensmitteln aus konventionellem oder auch aus Bio-Anbau. So die Vorgabe der EU-Kommission. Das Ziel des Forschungsprogramms Co-Extra: Techniken zu entwickeln, die praktisch implementiert werden können. Und da ist die Ausbeute reich: Der Abschlußbericht umfasst 146 Seiten. INRA-Mitarbeiterin Frederique Angevin studierte am Beispiel Mais, im Labor ebenso wie bei Freilandversuchen, über welche Distanz das Erbgut gentechnisch veränderter Pflanzen ausstreut, also konventionellen Mais verunreinigt. Erstes Ergebnis: Eine für ganz Europa gültige Antwort gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die jeweiligen Anbaubedingungen, seien es die Landschaftsformen, die Ackergröße oder auch die Windverhältnisse. Doch Angevin und ihre Kollegen haben Modelle entwickelt. Berücksichtigt wurden dabei auch unterschiedliche Anbaumethoden wie beispielsweise eine Randbepflanzung mit konventionellem Mais rund um ein Genmaisfeld, um den Pollenflug zu bremsen. Frederique Angevin:

    "Wir haben ungefähr 6000 Simulationstests durchgeführt und aus den Ergebnissen eine Art Handbuch zur Entscheidungshilfe entwickelt. Aus unseren Simulationen haben slowenische Kollegen ein Softwareprogramm erstellt. Das kann sich ein Landwirt auf den Computer oder den PDA laden. Und damit überprüfen, welche Auswirkungen es für ihn hat, wenn 500 Meter von seinem Maisfeld entfernt ein Nachbar gleichzeitig Genmais anbaut. Er kann abschätzen, wie stark seine Ernte erreicht verunreinigt sein wird."

    Die EU schreibt bei der Etikettierung Grenzwerte für die Gentechbelastung von Lebensmitteln vor: im konventionellen Anbau dürfen nur 0,9 Prozent Gentechspuren enthalten sein, bei Bioware sind es 0,0 Prozent. Während der gesamten Produktionskette allerdings kann sich die Gentechbelastung verstärken. Deshalb dürfen die Landwirte in ihrer konventionellen Ware nicht mehr als 0,1 Prozent Gentechverunreinigung haben. Yves Bertheau, INRA-Forscher und Koordinator des EU-Programms:

    "Wenn man diesen Grenzwert 0,1 Prozent, der für die Produzenten vertraglich festgelegt wurde, heranzieht ebenso wie die verfügbaren Modelle über die Ausstreuung, bedeutet dies: Eine Koexistenz auf individueller Ebene ist quasi nicht möglich. Entweder müssen die Gentechfelder sehr weit entfernt liegen von denen mit herkömmlicher Aussaat. Oder es müssen spezielle Anbaubecken gefunden werden. Dafür muss man Möglichkeiten schaffen, kollektive Koexistenz-Modelle zu organisieren."

    Co-Extra arbeitet ebenso an der Verbesserung der Nachweisbarkeit von Gentechprodukten. Aus der Partnerschaft mit dem deutschen Biotechunternehmen Eppendorf entstand ein Chip für einen breit angelegten Schnelltest. Für eine erste, qualitative Analyse. Basierend auf dem Microarray-Verfahren. Dabei wird DNA-Material auf einen Glasträger gebracht, der mit speziellen Markern präpariert wurde. Der sogenannte DualchipGMO spürt 80 Prozent aller heute weltweit verbreiteten Genpflanzenmarker mit hoher Sicherheit auf. Barbara Schaffrath von Eppendorf:

    "Das Schöne an dieser Technologie ist, dass nicht nur ein Marker bei diesem Test detektiert werden kann, sondern dass eine Vielzahl, bis zu 100 Markern, auf so einem Glasobjektträger aufgebracht werden können."

    Co-Extra nennt klare Rahmenbedingungen für die Koexistenz zwischen Gentech und anderen Anbaumethoden. Die wichtigste Lehre: genetisch veränderte Pflanzen können nur in isolierten Landstrichen angebaut werden, um zu vermeiden, dass ihr Erbgut in nicht-genetisch veränderte Pflanzen eingeht. Nun hoffen die Verantwortlichen, dass auch die Politiker in Europa diese detaillierte Entscheidungshilfe nutzen werden.