Donnerstag, 09. Mai 2024

True Crime-Podcast "Tatort Kunst"
Du sollst nicht stehlen

In einem Wuppertaler Museum steht angeblich das Grabmal eines Herero-Führers. Es erinnert an den grausamen Völkermord in der ehemaligen deutschen Kolonie – und die Praxis deutscher Missionare, die Kunst- und Kultobjekte nach Deutschland schickten.

Von Änne Seidel und Jörg Biesler | 07.09.2023
    Museumraum mit zahlreichen Ausstellungsstücken aus Afrika, Asien und Ozeanien in Vitrinen und auf Sockeln.
    Das Wuppertaler Museum auf der Hardt stellt die Sammlungen mehrerer evangelischer Missionsgesellschaften aus. Oftmals ist unklar, wie die Missionare an die Stücke gekommen sind. (Deutschlandradio / Stefan Koldehoff)
    In einem abgelegenen Museum in Wuppertal stößt das "Tatort Kunst"-Team im Frühjahr 2023 auf ein beeindruckendes Kunstobjekt, das viele Fragen aufwirft: ein riesiger Baumstamm, auf dem mehrere Rinderschädel montiert sind. Laut Beschriftung ist es das „Grabmal eines Herero-Führers“, hergestellt aus einem Akazienstamm und Rinderschädeln. Das war es, mehr Infos zu diesem Grabmal gibt es im Museum nicht.

    Grausamer Genozid in Afrika

    Wir wundern uns, denn beim Stichwort Herero denken wir an die deutschen Verbrechen während der Kolonialzeit: Ab 1904 haben deutsche Truppen auf dem Gebiet des heutigen Namibia einen grausamen Völkermord an den Herero und Nama verübt. Schätzungsweise 70 Prozent der Herero und die Hälfte der Nama sind damals gestorben. Es war der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts, den Deutschland aber erst 2021 als solchen anerkannt hat.
    Was macht das Grabmal eines Herero 120 Jahre nach diesem Völkermord in einem deutschen Museum, noch dazu kommentarlos ausgestellt, ohne weitere Infos? Gibt es womöglich einen Zusammenhang mit dem Völkermord?
    "Tatort Kunst" geht diesen Fragen nach und taucht dabei tief in die deutsche Kolonial- und Missionsgeschichte ein. Das Wuppertaler Museum, in dem das Herero-Grabmal steht, beherbergt die Sammlungen mehrerer evangelischer Missionsgesellschaften. Etwa 5000 Objekte unter anderem aus Afrika, Asien und Ozeanien besitzt das Wuppertaler Museum auf der Hardt – darunter Masken, Speere und Skulpturen, teilweise mit ritueller Funktion.

    Raubkunst mit ungeklärter Herkunft

    Ab dem frühen 19. Jahrhundert hatten evangelische Missionare diese Gegenstände in ihren Seitz gebracht und schließlich nach Deutschland geschickt oder mitgebracht. Unter welchen Umständen dies genau geschehen ist, ist oft nicht klar.
    Auf einem roten Sockel steht ein mutmaßliches Grabmal, für das mehrere Rinderschädel an einen gespaltenen Baumstamm montiert wurden.
    Der Herero-Nachfahre Israel Kaunatijke sagt über das mutmaßliche Herero-Grabmal in Wuppertal: „Das hat hier nichts zu suchen, das muss zurück nach Namibia.“ (Deutschlandradio / A. Wiemardo)
    Etwa 80 solcher Missionssammlungen gibt es heute schätzungsweise in Deutschland. Eine genaue Zahl ist nicht bekannt, denn viele dieser Sammlungen verstauben in Kellern oder auf Dachböden, sie sind nur schlecht oder gar nicht inventarisiert und oft nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.

    Alle Folgen von "Tatort Kunst"

    Während unserer Recherchen wird schnell klar: Viele Orden und Missionsgesellschaften haben keine Kapazitäten, sich angemessen um diese Sammlungen zu kümmern. Manche wollen gar nicht darüber sprechen, und außerhalb der Orden fühlt sich auch niemand zuständig. Im schlimmsten Fall drohen Sammlungen sogar auf dem Müll zu landen.
    "Tatort Kunst" erzählt in dieser Folge von einer spektakulären Rettungsaktion und steigt hinab in chaotische Keller voller Kunst aus den ehemaligen Kolonien. Wird die Geschichte dieser Stücke nun endlich aufgearbeitet?
    Das „Tatort Kunst“ Team bei diesem Fall
    Hosts
    : Stefan Koldehoff und Rahel Klein
    Recherchen & Skript: Jörg Biesler & Änne Seidel
    Regie: Jana Magdanz
    Headautor: Sven Preger
    Sounddesign: Timo Ackermann