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Kolumne: Obama und Berlusconi

Mit George W. Bush hat sich Silvio Berlusconi gut verstanden. Aber wie sieht es nun mit dem Nachfolger aus? Im Oval-Office empfängt Barack Obama Ministerpräsident Berlusconi. Dynamischer Hoffnungsträger trifft auf geschminkten Verfechter der Allmacht.

Von Karl Hoffmann |
    Mittagessen oder nur Kaffee und Kuchen – das ist die bange Frage der italienischen Diplomaten während der letzten Vorbereitungen zum großen Auftritt von Silvio Berlusconi in Washington; was heißt: gibt's volles Besuchsprogramm samt Aperitif und Nachspeise - sprich Empfang erster Klasse oder nur eine kurze nachmittägliche Visite? Seit Barack Obama im Amt ist, antichambriert das Auswärtige Amt in Rom pausenlos, um den italienischen Regierungschef endlich ins Rampenlicht des neuen Chefs im Weißen Haus rücken zu können. Man weiß ja, dass der kleine Italiener sich selbst zu den Großen dieser Welt zählt.

    Als Beweis seiner Zugehörigkeit erzählt er ihnen gerne einen persönlichen Witz, ruft ihnen Kuckuck zu und lädt sie mit Vorliebe in seine Villa nach Sardinien ein. Denn Berlusconi, der ehemalige Staubsaugerverkäufer, Bauunternehmer, Medienzar und Self-Made-Politiker hält wenig vom üblichen Dienstweg. So wenig wie von einem umständlichen Parlament und langen Debatten im eigenen Land, von UNO, NATO und dem Europaparlament. Wirklich effektive Weltpolitik lässt sich seiner Meinung nach am besten unter Freunden bei einem vergnüglichen Abendessen, mit Gitarrenbegleitung und nicht zuletzt der inspirierenden Anwesenheit junger Damen zuwege bringen.

    Der italienische Treibauf hatte mit seiner hemdsärmeligen Hautnahdiplomatie durchaus Freunde gewonnen. Den Haudegen George Bush zum Beispiel. Oder den russischen Alleinherrscher Valdimir Putin. Und nicht zuletzt den libyschen Wüstensohn Mohammar Gaddafi. Den schrillen Diktator und den gelifteten Ministerpräsidenten – laut New York Times die derzeit merkwürdigsten Regierungschefs auf dem Markt - trennt im Grunde nur ein kleines Stück Mittelmeer. In den wesentlichen politischen und wirtschaftlichen Einschätzungen liegen sie auf einer Wellenlänge. Selbst als Showman steht Gaddafi Berlusconi in nichts nach. Dass er bei seinem pompösen Auftritt letzte Woche in Rom die USA mit den internationalen Terroristen gleichsetzte, hat allerdings auch in Berlusconis Regierung einen mittleren Schock ausgelöst.

    Fettnäpfchen stehen zuhauf herum, seit Barack Obama in Amt und Würden ist. Kaum gewählt, bezeichnete ihn Berlusconi als "bello abbronzato", schön braungebrannt. Ein bisschen Spaß muss doch wohl erlaubt sein, erklärte Berlusconi blauäugig, als man ihn auf seinen Fauxpas hinwies. Man kann sich kaum einen größeren Gegensatz vorstellen: Hier der junge dynamische Hoffnungsträger der Demokraten, dort der geschminkte und künstliche gebräunte Verfechter der personifizierten Allmacht. Hier Obama, der trotz einer freien und äußerst kritischen Presse vom Volk legitimiert wurde, dort Berlusconi, der nur dank einer fast totalen Medienkontrolle die Wahlen gewinnt. Einerseits ein neuer amerikanischer Präsident, der sozial denkt und moralisch handelt, andererseits ein alternder italienischer Staatschef, dessen Land sich immer mehr spaltet zwischen wenigen Reichen und vielen Armen, der permanent Schwierigkeiten mit der Justiz hat und dessen von ihm selbst jahrelang erfolgreich gepflegtes Idealbild eines liebevollen Familienvaters seit den jüngsten Enthüllungen um Scheidung, junge Mädchen und Enthüllungsfotos aus seiner Ferienvilla ruiniert ist.

    Alles kein Thema beim Treffen im Oval Office des Weißen Hauses. Dort geht es um die Vorbereitungen zum G-8-Gipfel in Italien nächsten Monat und die dort anstehenden aktuellen Weltprobleme: Afghanistan, Iran, Nordkorea, die Wirtschaftskrise. Italien ist ein wichtiger Bündnispartner und Berlusconi der gewählte Regierungschef, mit dem es trotz seines internationalen Imageeinbruchs zu reden gilt. Weil aber die amerikanischen Medien mit unverhüllter Häme Berlusconis jüngste Skandale aufgegriffen haben, wird es eben doch nur zu Kaffee und Kuchen reichen, die vornehmste Methode, um sich bei aller nach außen hin demonstrierten Freundschaft zu distanzieren. Und deutlich zu machen, dass zwischen Obama und Berlusconi Welten liegen.