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Kommentar
Tennis hat ein Wettbetrugsproblem

Im Schnitt jeden Tag ein verdächtiges Match in den Jahren 2016 und 2017: Das ist ein Ergebnis des Abschlussberichts der unabhängigen Untersuchungskommission zur Integrität im Tennis. Ein Bericht, der laut unserem Kommentator zeigt, "dass ziemlich viel im Tennis manipuliert wird".

Von Tom Mustroph | 22.12.2018
    Der Schatten eines Tennisspielers beim Aufschlag auf einem Sandplatz.
    Der Schatten eines Tennisspielers beim Aufschlag auf einem Sandplatz. (dpa / picture alliance / Peter Klaunzer)
    Tennis hat ein Wettbetrugsproblem. Das bestätigte auch der Abschlussbericht der unabhängigen Untersuchungskommission zur Integrität im Tennis. Er erschien nach zweijähriger Recherche- und Befragungsarbeit am Mittwoch (19.12.2018). Auf 115 Seiten legt er dar, dass ziemlich viel im Tennis manipuliert wird. Das geschieht vor allem in den unteren Etagen, den Future- und Challenger-Turnieren. Aber auch auf Grand-Slam-Niveau gibt es immer wieder Indizien für Betrugsversuche.
    2016 und 2017 meldeten die Wettanbieter im Schnitt jeden Tag ein verdächtiges Match im Welttennis. 2017 waren es 346 Hinweise, 2016 waren es gar 405. Nicht jeder Wetteinsatz außerhalb der Norm muss einen Betrugshintergrund haben. Auch gibt es, darauf weist der Bericht ebenfalls hin, keinen Industriestandard zur Definition einer verdächtigen Wette.
    Ein harter Kern "betrugsaffiner Profis"
    Aber dass bei ca. 14.000 registrierten Tennisprofis weltweit sich die verdächtigen Spiele im Zeitraum der letzten fünf Jahre auf 842 Spieler konzentrieren und 135 von ihnen gar mindestens dreimal an solchen verdächtigen Matches beteiligt waren, zeigt doch: Es sind nicht nur Einzeltäter, die mal hier mit einer Wette die Reise zum nächsten Wettkampfort oder die Extrastunden mit dem Coach finanzieren wollen. Es handelt sich vielmehr um einen harten Kern betrugsaffiner Profis. Bei fünf Spielern schrillten gar mehr als zehn Mal die Alarmsirenen. Der Spitzenreiter brachte es auf 16 Warnungen.
    Ob diese Warnungen zu Ermittlungen führten, ist unklar. Der Bericht enthält aber einen Satz, der Ermittlungen eher unwahrscheinlich macht: "Aus Sicht der Untersuchungskommission sollte die Tennis Integrity Unit in stärkerem Maße Wettanalysen einsetzen, um gezielte Ermittlungen gegen verdächtige Spieler einzuleiten. Dass die Tennis Integrity Unit keinen einzigen geeigneten Experten zur Analyse von Wetten einstellte, hat bei mindestens einem Wettanbieter auch zum Zweifel dazu geführt, ob es überhaupt Sinn mache, der TIU Wettdaten und Warnhinweise zu übermitteln."
    Wer macht den Betrugsermittlern im Tennis Beine?
    Die Tennis Integrity Unit TIU wurde eigentlich vor zehn Jahren gegründet, um das Wettbetrugsproblem in den Griff zu bekommen. Getan hat sie recht wenig. Das macht denn auch der Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission deutlich. Die Kommission war so unabhängig, dass sie mit der TIU ziemlich hart ins Gericht ging. Sie warf ihr vor, konkret bekannten Fällen nicht energisch genug mit eigenen Ermittlungen nachgegangen zu sein. Dass der Tennisweltverband ITF und die Organisationen der Profi-Tours von Männern und Frauen, ATP und WTA, ihren Sport mit dem Bericht der Kommission von "systematischer Korruption" und "Versuchen der Verschleierung" freigesprochen fühlen, wie in manchen Meldungen verbreitet wurde, ist eine recht schrille Lesart dieser 115 Seiten.
    Denn die von den Verbänden eingesetzte Tennis Integrity Unit hat weitgehend versagt. Sie hat seit 2009 zwar 59 Betrugsfälle verfolgt. 23 dieser Fälle wurden aber in den letzten acht Monaten bearbeitet. Diese Aktivität hat einen Grund: Im April 2018 erschien der vorläufige Bericht der Untersuchungskommission. Schon der machte der TIU Beine.
    Jetzt hat die Kommission ihre Arbeit beendet. Wer, so darf man sich fragen, macht nun den offiziell bestellten Betrugsermittlern des Tennis Beine?