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Kommödchen-Ensemble
"Deutschland gucken"

Das Ensemble des Düsseldorfer Kommödchens reagiert mit seinem Programm immer schnell auf Ereignisse der Zeit. In "Deutschland gucken" gehen die Autoren - darunter Extra 3-Moderator Christian Ehring - der Frage nach, wie sich das Land seit der Weltmeisterschaft verändert: sehr komisch.

Von Achim Hahn |
    "Schön! Schön! Das war super gemacht! Der steht frei da vorne - oh ne, ne! Fuck die Henne! - Drei nette Kerle beim Fußballkucken: - Oooh!!! - N bisschen harmlos. - Joo. - N bisschen laut. - Hallo Foul! Du Arschloch! - N bisschen rüpelhaft. - Ja is'n Arsch für mich. - Aber was steckt dahinter?"
    Auf jeden Fall erst mal ne kluge Frau: die Dokumentarfilmerin Solveig will sie nämlich beobachten - die drei netten Kerle, die seit Jahren schon so manche WM erfolgreich auf dem Sofa - sagen wir: absolviert haben. Ein festes Ritual, mit festen Regeln. Aber definitiv ohne Frauen. Bis einer eben Solveig mit bringt, die sich fragt:
    "Ist das, was wir hier sehen, wirklich Deutschland? - Boah, was machen die denn da? - Schrittmacher im Zentrum Europas oder ... - Abseits! - ... einfach größenwahnsinnig. - Das, das ist es. Da kuckst Du doof Du Käskopf. - Aber jede Geschichte sollte von vorn erzählt werden."
    Die Bühne: eine eher verwahrloste Wohnung. Darin: ein Sofa, zwei Regale eines schwedischen Möbelgiganten, darauf unzählige, vergammelte Pizzakartons, ein roter Uralt Fernseher:
    "Die olle Möhre ist so vintage, da werden die Nachrichten noch von Karl-Heinz Köpke gelesen."
    Sowie: Lutz, Leistungsverweigerer aus Prinzip:
    "Leg das hin, hier hat alles seine Ordnung. - Und die Socken? - Spätmittelalter."
    Dieter, gestresster Familienvater und Vertriebsleiter ohne Zeit zum Nachdenken.
    "Weißt Du was ich für'n Druck habe? Ich hatte heute fünf Meetings."
    Bodo, Millionenerbe mit kontobedingtem Selbstbewusstsein und mit Solveig zusammen, der er hier und heute sogar einen Antrag machen will:
    "Ist dat basic hier! Was wohne ich dagegen spießig in meinem Loft in Oberkassel."
    Und Solveig will nun also - quasi ethnologisch - dokumentieren, welche Auswirkungen der WM-Sieg auf die deutsche Psyche hat."
    "Das ist nicht irgend' nen Scheiß, was die macht. Das ist Kunst. So was wie Dogma. Die hat letztens 'nen Film gemacht für arte. Irgendwas über moderne Post. - Über moderne Post? - Postmoderne."
    Psychogramm der Deutschen mit Weltmeister-Titel
    Die Ausgangssituation für politisches Kabarett mit boulevardeskem Unterhaltungsanspruch - so wie man es vom Kommödchen-Ensemble seit Jahren gewohnt ist. Neu dabei - neben Maike Kühl und Heiko Seidel übrigens: Co Autor Martin Maier-Bode und Daniel Graf. Ein gut eingespieltes Team. Im Zentrum die Frage: Gibt es so was wie einen neuen, sympathischen Nationalismus?
    "Wir!? Ja wer ist denn bitte schön 'Wir'? Das ist doch alles verlogen in diesem Land. Hier werden seit Jahrzehnten hemmungslos die Vermögen von unten nach oben verteilt. Im Prinzip profitiert davon nur so 'ne ganz kleine Clique, und über alles das übergießen sie diese unerträgliche Konsenssoße. - Weißt Du was Lutz, Du redest Dir alles runter. - Und du redest dir alles schön. Alles, was dir die Kohls und Merkels all die Jahre vorgeplappert haben."
    Es geht um Selbstbilder in der Krise, Lebensentwürfe, Freundschaft und immer wieder - hinterrücks - um politische Themen wie die Wirtschaftskrise, den Umgang mit Flüchtlingen, Billigfrikadellen und die marode Bundeswehrbewaffnung, um die geplante Maut oder recht aktuell um die Fernsehnachrichten:
    "Der Ton ist kaputt. Ey wir wollen hier Fußball kucken! - Aber Tom Bartels moderiert. - Aber stört dich das nicht? Nachrichten ohne Ton? - Ich seh doch auch so, was passiert. Ja hier. Da laufen schon wieder irgendwelche Taliban durch eine Stadt im Nahen Osten. - Ey Alter, das ist Wuppertal. - Das ist kurz hinter Mettmann. Für mich ist das Naher Osten. - Krass. Taliban in Wuppertal! - Da laufen Islamisten durch die Stadt und wollen das Nachtleben kontrollieren und die nennen sich Sharia-Polizei. - Echt? - Als ich das gehört hatte, konnte ich auch nicht glauben, dass es so was gibt. - Islamisten in Deutschland? - Ne, Nachtleben in Wuppertal."
    Die Spielfreude des Kommödchen-Ensembles ist groß. Rasant wirbeln sie durch die mit einzelnen Songs angereicherte Geschichte, ohne Scheu auch vor klamaukhaften Szenen, die dem Ganzen manchmal auch einen absurden bis surrealen Touch geben: etwa durch eine imaginierte Globalisierungsweltreise oder ihren Auftritt als lebensgroße Kasperlfiguren - als Integrationslehrstück.
    "Weißt Du, was mir heute Morgen passiert ist? Ich bin aufgewacht, da hatte ich plötzlich voll die Scheißhände. Ohne Finger. Leck mich harsch. – Ja, aber weißt Du: Du hast jetzt die doppelte Puppenstaatsbürgerschaft. Herzlichen Glückwunsch. Weißt Du, hier in Puppenhausen haben alle so Scheißhände."
    "Deutschland gucken" ist ein sehr unterhaltsames Stück. Untergründig ein Kaleidoskop deutscher Befindlichkeiten. Und trotzdem lustig. Das ist schon was. - Deutschland gewinnt übrigens. Gegen Holland. Durch Podolski. In der 79 Minute.