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Komödiantin inszeniert Komische Oper

Katharina Thalbach sammelte vor neun Jahren ihre ersten Opernerfahrungen an der Deutschen Oper Berlin. Jetzt inszeniert sie dort Gioacchino Rossinis "Barbier von Sevilla" als deftiges Volkstheater - und spart nicht mit Gags.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Es ist eng auf der Bühne. Die Ausstattungsmaschinerie rattert hochtourig. Ein PS-starkes Sportwagencabrio und ein Traktor mit fast bühnenfüllendem Thespis-Karren rollen vorüber, ein Mönch-geleiteter Esel mit Äpfeln im Körbchen und kichernd-gackernde Nonnen paradieren über die Bühne.

    Mafiosi lungern herum. Im Sand oder in einem Boot unter der Plane tummeln sich Pärchen. Mütter beaufsichtigen ihre Kinder. Die Süßwasserdusche wird gern frequentiert. An kleinen Bar-Tischchen trinkt man Café. Bei Gewitter in Verzug schwappt auch schon mal eine Nixe aus dem als Muschel geformten Souffleurkasten ans rettende Ufer.
    Krachen lässt es Katharina Thalbach gern. Als deftiges Volkstheater vor einer historisierenden Stadtkulisse am Strand kommt ihr "Barbier von Sevilla" daher. Und nach einer inneren Logik fragt man besser nicht. Fiktion mischt sich mit Realismus. Als Schmierenkomödie "Raub der Kolumbine Rosina durch ihren Liebhaber Lindoro alias Graf Almaviva" könnte das firmieren.

    Und das Faktotum Figaro, zugleich Betreiber eines Frisiersalons, wo man sich noch Zeit nimmt fürs Waschen-Schneiden-Legen-Föhnen und wo noch nicht gewechselt ist zum schnöden "Cut & Go" – Figaro hilft allgegenwärtig mit als Harlekin in dieser zünftigen Commedia dell'arte, bei der sich der Graf auch schon mal zum Batman mit ganzer Batman-Polizei-Eingreiftruppe vermummt.
    Mit Gags spart Katharina Thalbach nicht, auch klapperdürren. Aber es gelingen ihr auch feine Charakter-Zeichnungen wie die des schleimig selbstgefälligen Gesangslehrers Basilio, den Kostümbildner Guido Maria Kretschmer in ein rotes Wams mit schmalem Spitzbart und schwarzem Notenständer-Barett gesteckt hat. Und nicht minder trefflich die Parodie, die Almaviva als dessen Kopie mit ausziehbarem Cembalo im Gepäck liefert.

    Stimmlich ist diese Neuproduktion von großer Delikatesse. Zumal Lawrence Brownlee als Almaviva kann mit seinem wunderbar weichen und leichten Tenor prunken. Die springlebendige Jana Kurucová als Rosina steht ihm in kaum etwas an Gelenkigkeit nach. Markus Brück als wandlungsreicher Fuchs Figaro und der brummig-verschmitzte Maurizio Muraro als geldgieriger Alter Bartolo ergänzen das Ensemble.

    Für den typischen Rossini-Sound sorgt Enrique Mazzola am Pult.

    Dass Beaumarchais' Textvorlage im vorrevolutionären Frankreich für Rumoren gesorgt hatte, davon merkt man hier freilich nichts. Aber auch Gioacchino Rossini selbst hatte die dann marschierende Revolution vor allem als Bedrohung an Leib und Leben erfahren. Er setzte erwartungsfroh auf den Beginn des neuen, postrevolutionären Maschinenzeitalters mit dem Schmiermittel Geld als bewegender Kraft.

    Von der in den Vorankündigungen und im Programmheft versprochenen Analyse über die auch unheilvolle Wirkung des Geldes bleibt in Katharina Thalbachs Inszenierung allerdings wenig übrig. Die Regisseurin versucht eher im Gegenteil, der Deutschen Oper Berlin einen Kassenknüller zu bescheren, und den kann das Haus gut brauchen. Szenenbeifall brandete immer wieder auf.

    Am Ende gab's neben Bravos aber fürs Regieteam auch kräftige Buhs. Ganz taufrisch wirkt das alles nicht. Stattdessen: Opern-Boulevard, freiluft-theater-tauglich, mit Showstars und Feuerwerk am Schluss.