Mittwoch, 24. April 2024

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Konflikt zwischen USA und Iran
"Wir müssen uns an die Weltsicht Trumps gewöhnen"

Die Zeichen zwischen dem Iran und den USA stünden auf Krieg, sagte der Politologe Josef Braml im Dlf. Donald Trump lebe nicht in einer regelbasierten Weltordnung, sondern in einer Welt, in der das Recht des militärisch Stärkeren gelte. Europa müsse dieses Weltbild verstehen und sich auf die "Hinterbeine stellen".

Josef Braml im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 21.06.2019
US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus
Nur die Europäer meinten immer noch, dass das Recht der Gänse auch für die Füchse, Löwen und anderer wilder Tiere gilt, sagt Politologe Josef Braml (www.imago-images.de)
Ann-Kathrin Büüsker: Angespannt – so ist die Situation derzeit zwischen den USA und Iran. Nach dem Abschuss einer US-Drohne durch den Iran ringen nun beide Seiten um die Deutungshoheit. Die Frage: War die Drohne über iranischen oder internationalen Gewässern? Die nächste Frage: Was passiert als nächstes? – Republikaner fordern eine angemessene Reaktion. Aber was heißt angemessen?
Ein Militärschlag der USA gegen den Iran, plötzlich wirkt er sehr wahrscheinlich. Darüber kann ich jetzt mit Josef Braml sprechen, Programmleiter USA bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, einer außenpolitischen Denkfabrik. Schönen guten Morgen, Herr Braml!
Josef Braml: Guten Morgen, Frau Büüsker.
Büüsker: Die USA haben ja in den letzten Wochen immer wieder betont, dass sie keinen Krieg wollen. Ist das damit jetzt hinfällig?
Braml: Nein, das ist nicht vom Tisch. Die Zeichen zeigen auf Krieg. Es ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis dann ein neuer Zwischenfall das Ganze zum Explodieren bringt.
"Harte geoökonomische Bandagen"
Büüsker: Können Sie uns helfen, Donald Trumps Gedanken dort nachzuvollziehen? Er soll gestern einen Militärschlag gebilligt haben, dann wieder zurückgepfiffen haben. Ein Militärschlag zur Abschreckung, oder was will er damit erreichen?
Braml: Ja gut, das war jetzt Kriegstrommeln. Wenn die "New York Times" und wohl auch das "Wallstreet Journal" dann mitbekommen, dass man das in letzter Minute wieder abgesagt hat, dann instrumentalisiert man die Medien, um der anderen Seite zu zeigen, das war jetzt wirklich die letzte Chance, um keinen weiteren Fehler mehr zu machen. Aber man eskaliert, indem man eben Iran ökonomisch in die Ecke drängt. Die Iraner zeigen ihrerseits, dass sie nicht ganz hilflos sind, signalisieren, dass sie die Straße von Hormus dichtmachen können, durch die ein Fünftel unserer westlichen Energieversorgung fließt. Hier wird mit harten, bislang geoökonomischen Bandagen gespielt. Das könnte sich schnell auch in einen richtigen Krieg auswirken.
Josef Braml, Experte für transatlantische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.
Josef Braml, Experte für transatlantische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin (picture-alliance/ dpa / Privat /Arno Wolf)
Büüsker: Im Moment ist es ein bisschen Drohen, um dann vielleicht doch nicht handeln zu müssen?
Braml: Ich denke, dass das Ganze auf Krieg hinausläuft, und das denke ich schon, seitdem Trump diesen Nukleardeal einseitig aufgekündigt hat. Da gab es für mich dann nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder die USA, Israel und Saudi-Arabien finden sich damit ab, dass der Iran eines Tages Nuklearwaffen haben könnte, oder eben nicht und versuchen, das mit Präventivschlägen zu verhindern. Ich rechne immer noch mit dem letzteren.
Büüsker: Warum sollte Trump das wollen?
Braml: Weil er eben nicht will, dass Israel die Nuklearmöglichkeit erlangt.
Büüsker: Sie meinen Iran?
Braml: Iran, ja. Israel hat es ja auch. Danke für die Berichtigung.
"Die Chinesen könnten profitieren"
Büüsker: Kein Problem! Das ist ja mein Job. Ich bin ja hier, um aufzupassen. Aber warum ist diese Nuklearmöglichkeit des Iran so ein großer Dorn im Auge für Donald Trump?
Braml: Ja nicht nur für Donald Trump, sondern auch für Israel, und da müssen Sie auch die innenpolitische Lage in den USA bedenken. Da ist nicht nur die jüdische Lobby, die oft auch mal überschätzt wird, sondern die Pro-Israel-Lobby, und da sind auch Christlich-Rechte dabei. Die haben ein großes Anliegen, Israel auch aufgrund ihrer Heilserwartung sicher zu sehen.
Büüsker: Aber macht es Israel tatsächlich sicherer, wenn Donald Trump jetzt einen Krieg gegen den Iran beginnt?
Braml: Das ist die große Frage. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Israel zusieht, dass der Iran sich nuklear bewaffnen könnte.
Büüsker: Wir haben ja jetzt in den letzten Wochen gesehen, dass Truppen bereits in den Nahen Osten verlegt wurden, dass auch Waffen nach Saudi-Arabien verkauft wurden. Da gibt es nun Akteure, die auch vermuten, dass die USA durchaus ein wirtschaftliches Interesse daran haben könnten, ihre Rüstungsindustrie mit Waffenverkäufen nach Saudi-Arabien zu fördern. Wie stehen Sie zu dieser These?
Braml: Ja, gut. Die These kann man aufstellen. Aber ich würde vielleicht dann noch einen größeren Rahmen Ihnen anbieten, nämlich die Geoökonomie dieser Region. Da hat auch China ein Wort mitzureden. Wir sehen ja derzeit, dass der Iran in die Enge gedrängt wird, und wenn sich alle an die Sanktionen halten, dann profitieren die davon, die sich nicht daran halten, und das könnte einmal mehr China sein. Auch aus dem Grund denke ich nicht, dass Trump zusehen wird, dass jetzt der Iran mit China weiter ins Geschäft kommt – übrigens auch mit der Türkei, die hier auch nicht mehr mitspielen. Das ist jetzt auch schon ein größeres Problem in der NATO geworden, die sich hier auch schon Gedanken machen, wie sie mit Chinas Seidenstraßen-Plänen konform gehen könnten. Und Amerika wird nicht zusehen, dass China hier Raum greift mit seiner "One Belt, One Road"-Initiative und über den Iran und auch zentralasiatischen Staaten hier Europa noch mehr Raum greift. Wer diese Geoökonomie im Spiel hat und in den Blick nimmt, versteht dann auch, warum Amerika hier mit allen Mitteln eingreifen wird.
"Das Recht des militärisch Stärkeren"
Büüsker: Europas Einfluss auf die USA ist ja inzwischen sehr gering. Gibt es da in der aktuellen Situation irgendwelche Möglichkeiten Europas, noch deeskalierend zu wirken?
Braml: Ja, wir sind noch im Gespräch. Es gibt noch Gespräche mit den Amerikanern. Nur wir können hier wenig ausrichten. Wir haben uns ja schon gegen das Vorgehen der Amerikaner gestellt, die einseitige Aufkündigung des Nukleardeals. Wir haben mit Instex, mit diesem Zahlungsmechanismus versucht, der Geoökonomie der USA etwas dagegenzuhalten, sind da krachend gescheitert. Das muss man ansehen. Wir sind da mehr oder weniger hilflos und schauen entsprechend hilflos zu.
Büüsker: Das ist aber ein ziemlich destruktives Gespräch, was wir zwei hier heute Morgen führen. Müsste denn nicht die internationale Gemeinschaft, käme es zu so einem Krieg, einem Militärschlag, den Sie für wahrscheinlich halten, so einen Militärschlag nicht sofort verurteilen?
Braml: Ja, das wird Trump schwer beeindrucken. Ich glaube, wir müssen uns jetzt an diese neue Weltsicht Trumps gewöhnen. Wir argumentieren ja immer noch, ob das innerhalb des iranischen Gebiets war oder wie das dann völkerrechtlich zu bewerten ist. In Trumps Welt gibt es so etwas nicht. Trump lebt nicht in der regelbasierten Weltordnung. Er lebt in einer Welt, in der das Recht des militärisch Stärkeren gilt, und in dieser Welt leben übrigens auch die Russen und die Chinesen. Nur die Europäer meinen immer noch, dass das Recht der Gänse dann auch für die Füchse, Löwen und anderer wilder Tiere gilt.
Büüsker: Im Sinne von "Fakten spielen überhaupt keine Rolle". Wenn man die Situation so interpretiert, dass sie einem passt, dann vertritt man weiterhin diese Linie?
Braml: Den Eindruck kann man gewinnen, wenn man Trump die letzten Jahre verfolgt hat. – Ja!
Büüsker: Herr Braml, Sie sind aber über die Präsidentschaft von Donald Trump inzwischen auch ein bisschen zynisch geworden, oder?
Braml: Nein, das ist nicht zynisch! Ich versuche, hier entsprechend deutlich zu machen, dass Trump nicht halb so dumm ist, wie er in den Medien gemacht wird. Er hat ein klares Weltbild, nach dem geht er vor, und wir müssen endlich anfangen, dieses Weltbild zu verstehen, um uns endlich hier in Europa auch auf die Hinterbeine zu stellen. Wir müssen anfangen, dass wir vielleicht hier den Euro als Weltleitwährung aufbauen, dass wir vielleicht in Europa dann auch ein Personal aufstellen, das politische Entscheidungen trifft, um Europa dann besser aufzustellen in dieser Welt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.