Montag, 06. Mai 2024

Archiv

Kongress in Helsinki
Wettstreit der EVP-Spitzenkandidaten

Der eine stammt aus der bayerischen Provinz, der andere hatte bereits mehrere Regierungsposten in Finnland inne: Manfred Weber und Alexander Stubb konkurrieren um die EVP-Spitzenkandidatur zur Europawahl im Mai 2019. Der Favorit scheint allerdings schon festzustehen.

Von Peter Kapern | 07.11.2018
    Manfred Weber, EVP
    Manfred Weber gilt als zurückhaltender Politiker. (AFP / Emmanuel Dunand)
    Gut, dass Manfred Weber das alles mit alten Fotos beweisen kann. Man würde es sonst nicht glauben, was er da in seinem Wahlkampfvideo erzählt. Nämlich dass ausgerechnet er, dieser außergewöhnlich leise und zurückhaltende Politiker, seine ersten Erfahrungen im Umgang mit der Öffentlichkeit als Frontmann einer Rockband gemacht hat. Da habe er gelernt, zu spüren und zu hören, was die Menschen wollen. Auch die Provinz bringt Talente hervor, sogar im niederbayrischen Wildenberg.
    Alexander Stubb aus Helsinki hingegen würde man so eine Erzählung von einer frühen Bühnenkarriere sofort abnehmen. Wenn man sieht, wie lässig er reagiert, wenn sich ihm Dutzende Mikrofone entgegenrecken, dann denkt man sofort an einen Sänger, der ein ganzes Stadion rocken kann. In Brüssel musste er sogar schon die Frage beantworten, ob er ein Kandidat des Anti-Establishments sei:
    "Ich war Regierungschef, ich war Finanzminister und Außenminister, also bin ich nun wirklich etabliert. Aber ich will die Dinge anders machen, das ist klar."
    Mehrheit der europäischen Wähler in der Provinz lebt
    Stubb oder Weber, einer der beiden wird der Spitzenkandidat der EVP, der europäischen Volkspartei. Und damit wichtigster Anwärter auf den Posten des nächsten EU-Kommissionschefs. Und die 758 Delegierten beim Parteikongress werden eine echte Wahl haben.
    Der finnische Premierminister Alexander Stubb mischt sich mit einer knallroten Hose und Sonnenbrille unter die Besucher des Ruisrock-Festivals 2014.
    Der finnische Premierminister Alexander Stubb mischt sich mit einer knallroten Hose und Sonnenbrille unter die Besucher des Ruisrock-Festivals 2014. (picture alliance / Lehtikuva / Roni Rekomaa)
    Alexander Stubb spricht ein halbes Dutzend Sprachen fließend, hat in den USA studiert, verschiedene Regierungsposten in Finnland innegehabt, bis hin zu dem des Ministerpräsidenten, arbeitet derzeit als Top-Banker in Brüssel. New York, Paris, London, Tokyo, überall auf der Welt liegt das Parkett, auf dem sich Stubb wohl fühlt. Manuel Müller, der Macher des Blogs "Der europäische Föderalist", zieht einen vielsagenden Vergleich:

    "Alexander Stubb präsentiert sich als der Vertreter des modernen, liberalen Flügels der Europäischen Volkspartei. Er hat gewisse Ähnlichkeiten mit Manuel Macron in Frankreich, auch wenn der einer anderen Parteienfamilie angehört."

    Die Holzdielen im Dorfgasthaus, das sind hingegen die Bretter, die für Manfred Weber die Welt bedeuten. Jedenfalls zeigt ihn sein Wahlkampf-Video in seiner Heimat am Stammtisch mit Freunden und Wählern, die Tracht tragen. Seine Berater wissen, dass die Mehrheit der europäischen Wähler in der Provinz lebt. Weber, so Manuel Müller, steht für den neuen Konservatismus unter den europäischen Christdemokraten:
    "Von Weber könnte man sagen, dass er eher offen ist. Ähnlich wie auch Sebastian Kurz in Österreich, einen etwas offensiver konservativen Kurs zu vertreten."
    Nur Außenseiterchancen für Stubb
    Während Stubb eine Wahlkampftour durch Europa startete, um mit möglichst vielen Delegierten in Kontakt zu kommen, ging Weber Klinken putzen an den Seiteneingängen der europäischen Staatskanzleien. Der Erfolg gibt dem Bayer schon vor Beginn des Parteitags Recht: Alle neun EU-Regierungschefs, die der EVP angehören, unterstützen die Kandidatur Webers. Genauso wie die größten der konservativen Mitgliedsparteien. Damit bleiben für Stubb nur noch Außenseiterchancen. Seine Aufforderung nach einem Rededuell im Vorfeld des Parteitags ließ Weber abblitzen. Deshalb suchte Stubb die inhaltliche Zuspitzung. Ganz oben auf seiner To-Do-Liste steht es, den rechtsnationalistischen ungarischen Regierungschef Victor Orban, der selbst vor rassistischen und antisemitischen Wahlkampagnen nicht zurückschreckt, aus der EVP rauszuwerfen. Zur Freude des liberalen Flügels der EVP.
    Weber hingegen will Brücken auch zu Victor Orban bauen, hält nichts davon, sich von Rechtsabweichlern zu trennen. Stattdessen will er die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden – ein sicherer Punktgewinn beim konservativen Parteiflügel dürfte ihm damit sicher sein.
    Heute Abend kommt es beim Parteitag doch noch zu einem kurzen Schlagabtausch zwischen beiden, wie ihn sich Stubb gewünscht hat. Der Finne muss dabei schon dass gesamte Kongresszentrum rocken, um doch noch Spitzenkandidat zu werden. Die morgige Abstimmung ist dann geheim.