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Konsequent liberal-rechtspopulistisch

Seit 2001 wird Dänemark von einer rechtsliberal-konservativen Koalition regiert, die allerdings keine Mehrheit im Parlament hat und von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei abhängig ist. Die hat mit Billigung der Regierung die Zuwanderungsgesetze verschärft. Und das wird wohl auch nach den Parlamentswahlen kommende Woche so bleiben.

Von Marc-Christoph Wagner | 08.09.2011
    Als die Opposition in der vergangenen Woche ihr gemeinsames Wahlprogramm präsentierte, musste mancher Beobachter schmunzeln. Einmütig standen die beiden Vorsitzenden der Sozialdemokraten und der Sozialistischen Volkspartei vor einer rot-weißen Karte, die das dänische Königreich zeigte. Vor dieser Kulisse versicherte Sozialistenführer Villy Søvndal, an der strikten Ausländer- und Zuwanderungspolitik des Landes werde sich auch nach einem Regierungswechsel nichts ändern. Zudem bekannte sich Søvndal zu seinen dänischen Wurzeln; auf eine Art und Weise, die auch rhetorisch stark an die rechtspopulistische Dänische Volkspartei erinnerte:
    "Ich bin stolz auf Dänemark. Wir sind eines der Länder, die den Sozialstaat am weitesten vorangetrieben haben. Auch ich verfechte dänische Werte – Geborgenheit, Solidarität, Gemeinschaft, Verantwortung für das Gemeinwesen. Ich bin wirklich stolz, ein Däne zu sein."

    Die Dänische Volkspartei also – sie hat Dänemark und der dänischen Politik ihren Stempel aufgedrückt. Unterdessen scheint die zehnjährige Kooperation mit den Rechtspopulisten bei den regierenden Rechtsliberalen und Konservativen zu Verschleißerscheinungen zu führen. In einem Interview mit der Tageszeitung Politiken distanzierte sich Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen kürzlich deutlich von der Volkspartei – betonte, man habe keine Werte-, sondern lediglich eine Arbeitsgemeinschaft. Und auch der Vorsitzende der Konservativen, Lars Barfoed, schließt aus, dass es weitere Zugeständnisse an die Rechten etwa in der Ausländerpolitik geben werde:

    "Wir Konservative haben durchgeführt, was durchgeführt werden musste, aber jetzt ist es gut. Irgendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht."

    Ausgerechnet die kürzlich von der Volkspartei verlangte Wiedereinführung der dänischen Grenzkontrollen scheint zu einem Umdenken innerhalb der beiden Regierungsparteien geführt zu haben. Wenige Monate vor der dänischen EU-Ratspräsidentschaft, im ersten Halbjahr 2012, erntete die Kopenhagener Regierung massive Kritik aus Berlin und Brüssel – und musste selbstkritisch erkennen, dass man mit diesem Zugeständnis an die Rechtspopulisten zu weit gegangen war. Und auch die dänischen Wähler, so bestätigt Wahlforscher Kasper Möller Hansen von der Kopenhagener Universität, stehen der Abhängigkeit der Regierung von der Volkspartei inzwischen skeptisch gegenüber:

    "Bis zu 77 Prozent der Wähler sind es leid, dass die Dänische Volkspartei über einen solch enormen Einfluss verfügt. Sie wollen eine Politik, die in der Mitte des Parlaments verankert ist, nicht am rechten Rand."

    Die Volkspartei jedoch – sie kann mit Gegenwind gut leben. Ihre Vorsitzende Pia Kjærsgaard betont, man habe sich in den vergangenen zehn Jahren als verlässlicher Partner erwiesen, habe politische Verantwortung gar für ökonomische Einschnitte übernommen. Im aktuellen Wahlkampf aber verfolgt die Volkspartei einmal mehr ihre Kernthemen – poltert gegen die Überfremdung des Landes wie den zu großen Einfluss der EU. Søren Espersen, außenpolitischer Sprecher und Vordenker der Volkspartei:

    "Ginge es nach uns, würden wir eine Volksabstimmung über das Schengener Abkommen herbeiführen, denn die Bürger wurden diesbezüglich nie befragt. Zudem würden wir der EU-Kommission mitteilen, dass Dänemark eine immer losere Anbindung an die EU wünscht, also das Gegenteil der Römischen Verträge, die ja eine immer engere Integration skizzieren. Schließlich würden wir dem Europäischen Gerichtshof kundtun, dass wir nicht mehr ihn als oberste rechtliche Instanz anerkennen, sondern nur noch das höchste Gericht Dänemarks."

    Wünsche, die eine bürgerliche Regierung so nie akzeptieren könnte, die dafür aber im Oppositionslager Anklang finden. Unter ihrer Führung werde es in der kommenden Legislaturperiode keine Volksabstimmung über die Einführung des Euro geben – so haben sich Sozialdemokraten und Sozialistische Volkspartei bereits festgelegt. Insofern kann die Dänische Volkspartei der Wahl in der kommenden Woche gelassen entgegensehen: Denn entweder ist die bürgerliche Regierung auch weiterhin von ihren Stimmen abhängig. Oder aber das Land wird geführt von der jetzigen Opposition, deren Politik und Sprache schon heute stark an die der Volkspartei erinnert.

    Europa heute vom Juli 2011:Dänemark führt wieder Grenzkontrollen ein