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Schengen adé

Auf Betreiben der dänischen Rechtspopulisten gibt es an den Grenzübergängen nach Deutschland wieder Grenzkontrollen. Heute nehmen insgesamt 50 Zöllner ihre Arbeit auf. Konservative und Sozialliberale fürchten weitreichende Folgen.

Von Dietrich Mohaupt | 05.07.2011
    Am dänischen Ufer der Flensburger Förde – direkt am Strand in dem Ort Sönderhau steht Annies Kiosk – eine Imbissbude, die angeblich den besten Hotdog weit und breit bietet. Den gönnt sich auch Michael Fresenfeld aus Aarhus ganz gerne mal. Während er in der langen Schlange wartet, macht er sich so seine Gedanken über die Politik seiner Landsleute: Personenkontrollen an der Grenze zu Deutschland, um Kriminelle an der Einreise zu hindern - absurd findet er das:

    "Ich glaube, es ist mehr eine Symbolpolitik. Eine politische Partei hier in Dänemark braucht ein Symbol, um was zu erklären oder ihren Wählern zu zeigen, dass sie etwas bekommen von der Regierung und wir schützen die dänische Kultur und so was – und darum glaube ich, es handelt sich mehr um Symbolpolitik."

    Ganz ähnlich sehen das auch Vertreter der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Flemming Meyer sitzt für den SSW, den Südschleswigschen Wählerverband, im Kieler Landtag. Die Minderheitsregierung in Kopenhagen aus Konservativen und Sozialliberalen habe sich schlicht erpressen lassen, meint er. Der Deal: Zustimmung der Dänischen Volkspartei zu neuen Vorruhestandsgesetzen – dafür Zustimmung der Regierungsparteien zu den Grenzkontrollen. Ein verheerendes Symbol mit weitreichenden Folgen, fürchtet Flemming Meyer:

    "Der Schaden ist ja doch immens, weil das Ansehen Dänemarks drunter sehr gelitten hat – und es ist da auch für uns als dänische Minderheit unheimlich schwer, wenn ich meinen deutschen Nachbarn überzeugen will, dass wir mehr grenzüberschreitende Arbeit brauchen, wenn ich meinen deutschen Nachbarn überzeugen will, er soll Sonderburg unterstützen in dem Wunsch Kulturhauptstadt zu werden, und gleichzeitig geben wir ein Signal heraus, das sagt 'Lasst uns in Ruhe' – denn so wird dies Signal aufgefasst – das macht unsere Aufgabe hier im Grenzland ja nicht leichter."

    50 zusätzliche Zöllner und Polizisten sollen von heute an die Personenkontrollen an den Grenzübergängen durchführen – stichprobenartig, betonen die dänischen Behörden immer wieder, kein deutscher Urlauber werde Staus oder Behinderungen an der Grenze erleben heißt es. Darum gehe es aber gar nicht, es gehe um die Wirkung in den Köpfen der Menschen:

    "Ich weiß, dass ein Teil meiner deutschen Nachbarn, die eigentlich Urlaub in Dänemark geplant haben, diesen Urlaub gestrichen haben. Mag ja eine übertriebene Reaktion sein, aber so sieht die Wirklichkeit halt nun mal aus."

    Auch viele Vertreter der Wirtschaft in der Grenzregion machen sich so ihre Sorgen – besonders das Transportgewerbe und der Tourismus könnten Schaden nehmen, meint Michael Schack von der IHK Flensburg:

    "In der Tat haben wir hier in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte gemacht – wir sprechen mittlerweile auch vom gemeinsamen Wirtschaftsraum, vielfältige Geschäftsbeziehungen werden über die Grenze geknüpft und man darf nicht vergessen, das ist vor zehn Jahren noch anders gewesen. Wir respektieren, dass das eine innenpolitische Frage ist, sehen aber gleichzeitig für uns hier als Region eindeutig eine negative Konsequenz."
    Für die Zukunft befürchtet Flemming Meyer sogar noch weiterreichendere Konsequenzen. Immerhin sollen die neuen Grenzkontrollen, jedenfalls nach den Vorstellungen der dänischen Volkspartei, ja helfen, die Kriminalität im Land zu verringern:

    "Wenn dieser Effekt, den man der dänischen Bevölkerung versprochen hat, wenn der nicht eintritt, und der wird nicht eintreten, was ist dann der nächste Schritt? Dann würde das im Klartext zum Beispiel die Schließung der kleinen Grenzübergänge bedeuten können, und das macht mich so ein bisschen nervös."