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Konserviert für die Ewigkeit

Archäologie. - Das klassische Land der Einbalsamierungen ist im Mittelmeerraum Ägypten. Daher glaubten Archäologen an natürliche Mumifizierung, als sie im nordgriechischen Thessaloniki eine konservierte Leiche aus dem 3. Jahrhundert nach Christus fanden. Doch die Erhaltung war kein Zufall.

Von Michael Stang |
    1962 staunten griechische Archäologen nicht schlecht, als sie im nordgriechischen Thessaloniki eine Grabstätte aus der Römerzeit 300 nach Christus entdeckten. In einem Bleisarkophag lagen die sterblichen Überreste einer 55-jährigen Frau, die zum Teil mumifiziert waren. Trotz der 1700 Jahre, die der Körper überdauert hatte, hatten sich neben den Knochen auch Stoffreste des goldbestickten Seidengewandes, sowie Haare, Augenbrauen und Muskelreste erhalten. Trotz intensiver Forschungen war es den Wissenschaftlern nicht möglich mit rein archäologischen Methoden zu klären, ob es sich um eine zufällige - also natürliche – Mumifizierung handelt oder um eine Einbalsamierung. Untersuchungen an der Universität Zürich sollten die Frage beantworten, warum sich die Weichteile erhalten haben, sagt der Leiter des Swiss Mummy Projekts Frank Rühli.

    "Die Idee eben war sich zu überlegen, ob es eventuell mit dem Sarkophag, wo die Mumie drin lag, einen Zusammenhang hat. Das hat so einen Bleisarkophag und die Frage war eben, ob das dazu beigetragen hat, dass einfach durch diese antibakterielle Wirkung die Mumifizierung sozusagen eben sich natürlich erhalten hat oder ob eben Substanzen verwendet wurden, die zusätzlich zu dieser künstlichen Mumifizierung beigetragen haben."

    Bislang waren aus der Zeit um 300 nach Christus in Griechenland nur Erd- oder Feuerbestattungen bekannt. Noch nie konnten für diese Zeitperiode Einbalsamierungssubstanzen nachgewiesen werden. Nur aufgrund von historischen Quellen vermutete man, dass auch im römischen Griechenland möglicherweise sozial hochgestellte Personen einbalsamiert wurden. Frank Rühli vom Anatomischen Institut der Universität Zürich wollten zusammen mit seinen griechischen Kollegen Klarheit schaffen. Die Forscher beschlossen, die mumifizierten Überreste mit allen zur Verfügung stehenden Methoden detailliert zu untersuchen, um eine eventuelle Einbalsamierung eindeutig nachweisen zu können. Ziel war es außerdem, so wenig Proben wie möglich für diese Arbeit nehmen zu müssen – denn ethische Aspekte im Sinne einer möglichst vollständigen Erhaltung der Toten haben Vorrang vor zerstörerischen Methoden. Optischen Gewebeuntersuchungen wie licht- und elektronenmikroskopischen Aufnahmen folgten physikalisch-chemische Analysen wie die Gaschromatographie und Massenspektrometrie. Mithilfe dieser Methoden entschlüsselten Frank Rühli und seine Kollegen sämtliche Inhaltsstoffe, die in den mumifizierten Geweben zu finden waren. Bei der abschließenden Analyse konnten sie die Frage, ob der Leichnam einbalsamiert wurde, eindeutig mit "ja" beantworten:

    "Es sind aber alles eigentlich Substanzen, die auch in ägyptischen Mumien gefunden werden, also das sind zum Teil Harze, das sind Myrrhe, das sind Öle, also auch so wie ätherische Öle. Zum Teil haben diese Substanzen sicher eine Einfluss auf die Mumifizierung, zum Teil dürften sie aber auch mehr aus kosmetischen Gründen, also auch für den Geruch, verwendet worden sein."

    Dutzende der Öle, Gewürze und Harze kannte Frank Rühli von seinen früheren Forschungen an ägyptischen Mumien. Dort wurden die Körper vollständig einbalsamiert. Ob dies auch hier der Fall war, kann der Schweizer Forscher allerdings nicht klären, dazu ist der Körper zu schlecht erhalten. Der erste Beweis einer künstlichen Mumifizierung im römischen Griechenland sei aber kein Zufall. Rühli:

    "Wenn Sie wirklich die Substanzen eben dann einzeln anschauen, dann sind das wirklich zum Teil Substanzen, die haargenau die gleichen sind, die wir auch im alten Ägypten finden. Und die Vermutung ist eben schon da - letztendlich 100 Prozent beweisen kann man das nie - aber Sie können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass hier Wissen um diese Erhaltung der Weichteile, also um diese Mumifizierung, weitergegeben wurde aus dem ägyptischen Kulturkreis."

    Damit konnten Frank Rühli und seine Kollegen nachweisen, dass die Technik der Einbalsamierung von Ägypten bis nach Griechenland weitergegeben wurde. Aber das sei nicht die einzige Gemeinsamkeit. Bei der griechischen einbalsamierten Toten handelt es sich wie bei den alten Ägyptern ausschließlich um sozial höhergestellte Personen; aufwendige Begräbnisse hatten schon immer ihren Preis.