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Kontaktbörse für Forscher

Eine Art Facebook für Forscher – das ist www.researchgate.net. Ein Berliner Unternehmen, das sich nicht mehr und nicht weniger vorgenommen hat als die weltweite Wissenschaft transparenter zu machen.

Von Claudia van Laak | 07.04.2011
    Ein Gründerzeitbau in Berlin-Mitte, Hinterhaus. Besucher fallen vom Aufzug direkt ins Großraumbüro – dicht an dicht sitzen hier Mitt-Zwanziger vor ihren Laptops - Assoziationen zu Käfig-Hühnern drängen sich auf. Der Chef in Jeans und Kapuzenpullover, er haust unter Dachschrägen. Sekretärin? Empfang? Fehlanzeige. Keine Frage: Researchgate ist ein Unternehmen, das derzeit rasanter wächst als erträumt – freut sich Gründer Ijad Madisch.

    "Jetzt in den nächsten zwei drei Monaten werden wir viele, viele Leute einstellen. Wir suchen immer noch Entwickler, Programmierer, im Marketing suchen wir Unterstützung, im User-Feedback suchen wir Unterstützung, wir haben großen großen Bedarf an Leuten."

    An Leuten wie die Stanford-Absolventin Zuzana Fedorkova. Die 28-Jährige ist Anfang des Jahres von San Francisco nach Berlin gezogen, arbeitet als Produkt-Managerin bei Researchgate.

    "Weil ich Berlin liebe, das ist die kurze Geschichte. Und die lange Geschichte: Ich fand Researchgate sehr aufregend, weil ich etwas suchte, mit dem ich meine Arbeit als Produktmanagerin fortsetzen konnte. Aber auch mehr zu entwickeln als eine weitere Internetanwendung. Für die Wissenschaft da zu sein, für die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern zu arbeiten, das war der perfekte Job, nach dem ich suchte."

    Zehn bis 20 neue Mitarbeiter will Unternehmer Ijad Madisch - Sohn syrischer Eltern - in den nächsten Wochen einstellen. Mit seinen 30 Jahren ist der Mediziner und Informatiker der derzeit Älteste bei Research-Gate. Und sein Erfinder.

    "Es war schon immer so, dass ich ganz häufig innerhalb meiner Forschung gemerkt habe, es ist sehr anstrengend, wenn ich ein Problem hatte, wo finde ich jemanden, der mir helfen kann."

    Mit einem Freund gründete Ijad Madisch deshalb vor knapp drei Jahren das Online-Netzwerk Researchgate. Hier können sich Wissenschaftler anmelden, ein Profil mit ihren Schwerpunkten und Publikationen hinterlegen, sich mit anderen Forschern verlinken – auf Englisch. In Foren wie "Neurowissenschaften", "Methoden" oder "Krebsforschung" können Researchgate-Mitglieder Fragen stellen oder anderen Wissenschaftlern Tipps für ihre Experimente geben.

    "Pass auf, Du musst das so machen, du musst jenes so machen. Und das über alle Grenzen hinweg, weltweit und ohne Zeitverlust. Und das ist der große Vorteil von Researchgate, dass Leute miteinander kommunizieren können."

    Die nötige kritische Masse ist erreicht – das Online-Netzwerk zählt 900.000 Mitglieder, täglich kommen 4000 hinzu. Das ist fast mehr als die knapp 60 Mitarbeiter bewältigen können. Denn ihre Aufgabe ist es unter anderen, unseriöse Mitglieder, Lügner und Betrüger herauszufiltern. Und: Researchgate bleibt nur attraktiv für Wissenschaftler, wenn sich Laien nicht in die Diskussionen einmischen und diese verwässern. Madisch hofft darauf, dass die Mitglieder Vieles selber regeln.

    "Es haben sich häufig zum Beispiel Patienten angemeldet oder Leute, die keine Wissenschaftler sind, aber interessiert sind. Aber das wird von der Community schnell ausgesondert. Die Community selber sagt: Das ist hier der falsche Ort, nicht die Plattform dafür, bitte woanders die Fragen stellen und versuchen, ein Feedback zu bekommen."

    Die Mitgliedschaft bei Researchgate ist kostenlos, Werbung soll es auf den Seiten nicht geben. Einnahmen erzielt das Unternehmen derzeit lediglich durch den Verkauf von Stellenanzeigen. Finanzielle Probleme hat das Unternehmen trotzdem nicht - zwei Risikokapitalgeber aus dem Silicon Valley haben mehrere Millionen Dollar in das deutsche Start-up gesteckt. Die Investoren haben ein ehrgeiziges Ziel vorgegeben – kein Wissenschaftler soll künftig an Researchgate vorbeikommen. Gründer Ijad Madisch glaubt an dieses Ziel, er leidet nicht an mangelndem Selbstbewusstsein. Zum Abschied sagt er: "Ich will die Wissenschaft verändern."

    www.researchgate.net - Kontaktbörse für die Wissenschaft