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Konzepte für eine lebenswerte Welt

Wer beim Körber-Preis mitmachen will, kann sich sein Thema ziemlich frei aussuchen. Es geht um Denkanstöße, nicht um eins zu eins umsetzbare Politikprogramme. So befassten sich die diesjährigen Preisträger etwa mit der Trendszene in Berlin Mitte, mit der Gestaltung von Arbeitskleidung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Von Markus Rimmele | 21.05.2007
    " Die Auseinandersetzung mit den anderen Mitbewerbern, die allesamt spannende Beiträge haben, die alle wirklich interessante und interessierte Leute sind, das ist wirklich unheimlich wertvoll. Und aber auch so eine Gruppendynamik, also wie man dort ankommt und ist erst mal de facto Konkurrent. Und das hat sich wirklich total aufgelöst. Das war wirklich kein Wettbewerb zwischen uns, also es war echt toll."

    Ausgelassenes Mitklatschen bei der Preisverleihung, gute Stimmung bei den Wettbewerbsteilnehmern. Der Deutsche Studienpreis wird auch in diesem Jahr in Harmonie vergeben. Jakob Schillingers gute Laune hat jedoch einen besonderen Grund: Er ist einer der fünf Sieger. 5000 Euro erhält er nun von der Körberstiftung für seine originelle Arbeit über die Trendszene in Berlin Mitte. Die anderen vier ausgezeichneten Beiträge behandeln die Themen Wohlfahrtsstaat und Zufriedenheit, die Gestaltung von Arbeitskleidung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch flexible Arbeitszeiten und den Sozialstaat in Zeiten abnehmender Arbeit. Das vorgegebene Thema in diesem Jahr lautete: "Mittelpunkt Mensch - Ideen, Modelle und Leitbilder für die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben".

    Rückblick. Vierzehn junge Nachwuchswissenschaftler stehen gestern mit insgesamt zehn Arbeiten in der Endrunde. Erst halten sie einen Vortrag, dann müssen sie sich den Fragen stellen. Manchen ist die Nervosität anzumerken. Im Kuratorium sitzen unter anderen der Sozialwissenschaftler Jürgen Kocka, der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts Thomas Straubhaar und die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer. Sehr souverän ist Christian Dries. Der 31-jährige ist ein alter Studienpreis-Hase, hat vor drei Jahren schon einmal gewonnen. In seinem Beitrag beschäftigt er sich mit dem Sozialstaat aus philosophischer Perspektive:

    " Mein Ansatz ist zu sagen: Wenn wir in einer Gesellschaft leben, was ich denke, der die Arbeit ausgeht, dann können wir Menschen nicht nur eine materielle Transferleistung auszahlen und dann sagen, prima, die sind ja jetzt versorgt. Sondern man muss dafür sorgen, dass immer mehr Menschen, die aus der Arbeit herausfallen, Tätigkeiten ausüben, die dann nicht Erwerbsarbeit sind, aber trotzdem als wertvoll erfahren werden, als identitätsstiftend. Wie kann man denen trotzdem ein Selbstwertgefühl und Teilhabe an Gesellschaft dann vermitteln."

    Christian Dries hat es zum zweiten Mal geschafft. Auch er hat einen ersten Preis gewonnen. Der Deutsche Studienpreis will Studierende und junge Forschende dazu anregen, Konzepte für eine lebenswerte und zukunftsfähige Welt zu entwerfen. Die Freiheit bei der Themenwahl ist groß. Es geht um Denkanstöße, nicht um eins zu eins umsetzbare Politikprogramme. Es war wieder ein guter Jahrgang, sagt der Projektleiter des Preises Matthias Meyer. Eine gemeinsame inhaltliche Grundtendenz aller vierhundert eingesandten Arbeiten kann er schwer erkennen. Doch immerhin:

    " Was für mich das Interessante ist, dass eigentlich weniger, wie man vielleicht es noch in den Siebzigerjahren erwartet hätte, sozusagen ideologiekritische Arbeiten geschrieben wurden, die gesagt haben, wir müssen das große Ganze komplett verändern, sonst kommen wir nicht voran. Sondern dass es sehr sehr viele Beiträge gab, die sich ganz konkreten Problemstellungen zugewendet haben und auch konkrete Reformvorschläge gemacht haben."

    Der Deutsche Studienpreis besitzt nicht nur einen materiellen Wert. Die Finalteilnehmer konnten im Vorfeld der Endrunde an einem Präsentations- und einem Schreibcoaching teilnehmen. Eine sehr hilfreiche Ergänzung, heißt es einhellig bei den Finalisten. Daran soll auch in Zukunft festgehalten werden. Auf Kuratoriumsseite scheint es aber hinsichtlich der wissenschaftlichen Qualität der eingereichten Arbeiten Zweifel zu geben. Der Vorsitzende des Gremiums Julian Nida-Rümelin:

    " Manchmal wünscht man sich vielleicht, dass sich die Leute stärker lösen von gegenwärtigen Meinungstrends. Also das was ich so als eine gewisse Anpassung an den Zeitgeist empfinde, das gilt auch für frühere Generationen, ist natürlich auch hier deutlich zu spüren."

    Im kommenden Jahr, so ist zu vernehmen, soll der Preis umgebaut werden. Er wird sich dann wohl ausschließlich an Promovierende richten.