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Kooperation im All

Bei der Beobachtung weit entfernter Objekte im Weltraum setzt die NASA zu einem Rundumschlag an. Schwarze Löcher, Galaxienhaufen und Dunkle Materie sollen mit der geballten Kraft von gleich drei Weltraumteleskopen untersucht werden. "Frontier Fields" nennt sich dieses Projekt.

Von Guido Meyer | 05.11.2013
    Unsere Heimat im Kosmos, die Milchstraße, ist nur eine von mehr als 100 Galaxien, die einen Galaxienhaufen mit dem Namen "Lokale Gruppe" bilden. Solche Galaxienhaufen sind immense Masseansammlungen aus Sternen, Planeten und ganzen Sonnensystemen – und deshalb die Gegenden im Weltraum mit der größten Schwerkraftanziehung. Das Weltraumteleskop Hubble soll in den kommenden drei Jahren einige dieser Massezentren ins Visier nehmen, erklärt Dan Coe vom Space Telescope Science Institute in Baltimore, das das Weltraumteleskop betreibt.

    "Für die Beobachtungen mit Hubble ist das ein ganz neuer Ansatz. Normalerweise blicken wir auf dunkle, scheinbar leere Regionen des Nachthimmels und hoffen, dort etwas Spannendes zu entdecken. Jetzt wollen wir einmal die massereichsten Objekte ins Visier nehmen, die das Weltall je hervorgebracht hat. Laut Einstein verformt ihre enorme Anziehungskraft den Raum. Das Licht folgt diesen gekrümmten Bahnen, ähnlich wie ein Golfball, den eine Mulde auf dem Rasen vom Kurs abbringt."

    Das Ergebnis ist ein sogenannter Gravitationslinseneffekt. Die Schwerkraft eines Galaxienhaufens verändert das Licht hinter ihm liegender Objekte so, dass sie am Himmel doppelt erscheinen. Oder sie bilden Bögen - so als blicke man durch den Boden eines Weinglases auf eine dahinter liegende Lichtquelle. Astronomen wollen diese natürlichen Linsen im All nun dazu nutzen, Objekte aufzuspüren, die sich weit dahinter befinden. Sie sind von der Erde aus nicht direkt sichtbar.

    "Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt vorher, wie viel Masse nötig ist, damit Licht um einen bestimmten Winkel abgelenkt wird. Wir beobachten aber viel zu wenig Materie, um die gemessenen optischen Verzerrungen zu erklären. Dafür wäre etwa 90 Prozent mehr Masse nötig. Der Grad der Lichtablenkung verrät uns also etwas über die Menge an Dunkler Materie im Innern eines Galaxienhaufens."

    Die Astronomin Priya Natarajan von der Yale Universität ist ebenfalls Mitglied im Frontier Fields Team – jener konzertierten Aktion im All, an der gleich drei Weltraumteleskope beteiligt sind. Während Hubble seinen Blick im optischen Bereich auf die Lichtverzerrungen richtet, soll Spitzer sich auf das unsichtbare Infrarot-Licht konzentrieren, das dergleichen Lichtbiegung und Linsenwirkung durch massereiche Objekte unterliegt.

    "Die Galaxien, die uns interessieren, sind im wörtlichen Sinne unsichtbar. Selbst wenn unsere Pupillen einen Durchmesser von 100 Metern hätten, könnten wir sie nicht sehen, da sie einfach kein Licht im optischen Bereich aussenden. Das liegt an der Ausdehnung des Alls."

    Alle Galaxien bewegen sich von uns und voneinander weg, erläutert Steve Finkelstein von der University of Texas in Austin. Je weiter eine Galaxie entfernt ist, desto schneller fliegt sie von uns weg. Dabei wird ihr Licht in den roten Teil des Spektrums verschoben. Schuld daran ist jener Doppler-Effekt, der auch das Martinshorn eines Polizeiautos tiefer klingen lässt, wenn der Wagen einen Beobachter passiert hat.

    "Galaxien, die nur etwa Milliarde Jahre nach dem Urknall entstanden sind, sind so unglaublich weit weg, dass ihr gesamtes Licht ins nahe Infrarot verschoben ist."

    Und auch das Röntgenteleskop Chandra ist Teil des Projektes Frontier Fields, wie die Chefin des Teams, Jennifer Lotz vom Space Telescope Science Institute, erläutert.

    "Galaxienhaufen senden Röntgenstrahlung aus, da in ihrem Innern Gas erhitzt wird. Chandra kann Schwarze Löcher als Quelle dieser Strahlung entdecken, entweder im Zentrum der Haufen oder dahinter. Wir hoffen, so bis auf wenige Millionen Jahre an den Urknall heranzukommen."