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Korruption und organisierte Kriminalität

Immer wieder wurde Bulgarien in den letzten Jahren von der EU-Kommission in Brüssel aufgefordert, endlich wirkungsvoll gegen Korruption und organisierte Kriminalität vorzugehen. Und auch die bulgarische Opposition macht Druck. Sie warnt davor, dass die EU die finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe aussetzen könnte. Doris Simon berichtet aus Brüssel.

    Am Sonntag ein vor seiner Wohnung erschossener bekannter Manager, am Montag ein ermordeter Krimiautor und Mafiakritiker, das war selbst in Bulgarien ein bisschen viel auf einmal, auch wenn es dort in den letzten sieben Jahren mehr als 150 Auftragsmorde gegeben hat. In der Europäischen Union ist man schon lange unzufrieden mit Bulgariens angeblichen Anstrengungen im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität. Ein Sprecher der EU-Kommission fand nach den Morden vor zehn Tagen ungewohnt klare Worte:

    "In Bulgarien werden seit Jahren immer wieder Menschen auf offener Straße erschossen, ohne dass jemals die Täter gefasst würden. Es besteht dringender Handlungsbedarf bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Bulgarien. "

    Bulgariens Ministerpräsident Stanischew beeilte sich daraufhin, seinen politischen Willen zu betonen, die staatlichen Institutionen im Kampf gegen organisierte Kriminalität zu mobilisieren. Den Innenminister meinte der junge bulgarische Ministerpräsident wohl eher nicht: Rumen Petkow ist ein mächtiger Sozialist alter Schule mit Verbindungen wirklich überall hin. Doch der Innenminister überspannte wohl den Bogen, als er ungerührt erklärte, mit Unterweltgrößen nicht nur telefoniert, sondern persönlich als Schlichter zwischen rivalisierenden Banden verhandelt zu haben. Die bulgarische Opposition tobte, die Presse berichtete ausführlich, Brüssel und Washington machten Druck. Am Ende nahm Innenminister Petkow seinen Hut. Viel wird das nicht ändern, fürchtet Rumiana Jeleva. Bulgariens Innen- und Justizpolitik brauche eine systematische Erneuerung, glaubt die Europaabgeordnete der bulgarischen Oppositionspartei GERB:

    "Wenn der eine oder andere Minister zurücktritt, das hilft nichts. Die ganze bulgarische Gesellschaft ist dafür, dass endlich mal wir alle als Bulgaren ganz ernsthafte radikale Maßnahmen und Reformen in dieser Richtung unternehmen. Was wir vielleicht noch erwarten, ist Expertenhilfe, noch strengere Kontrollen bei Missionen, die in Bulgarien stattfinden seitens der europäischen Kommission."

    Dass Bulgarien 2007 der Europäischen Union beitreten durfte, wird heute von den allermeisten in Brüssel in Kommission, Rat und im Europaparlament als eklatante Fehlentscheidung gewertet. Der zuständige EU-Erweiterungskommissar hielt das Land damals noch nicht für reif und Experten warnten, an den entscheidenden Stellen im bulgarischen Apparat fehle es am Willen, die Vorgaben in der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität umzusetzen. Doch der Rat, die EU-Mitgliedsländer, war für die Aufnahme und auch das Parlament. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok bedauert es heute zutiefst, für die Aufnahme Bulgariens in die EU gestimmt zu haben:

    "Wir haben den Bulgaren vertraut. Das hat es in der Vergangenheit immer gegeben, dass jemand beitrat und nicht sofort die Bedingungen erfüllte, man hat dann die Bedingungen übernommen und die Implementierung dauerte dann ein bisschen, das haben wir auch im Fall der deutschen Einheit so gemacht. Das hat immer funktioniert, aber es funktioniert offensichtlich nicht im Fall der Rumänen und der Bulgaren."

    Doch nun ist Bulgarien EU-Mitglied, und der EU-Kommission bleiben nicht viele Mittel, um die Regierung in Sofia anzutreiben. Alle halbe Jahre erstellen EU-Experten einen Fortschrittsbericht, in dem sie auflisten, welche Justizreformen in Bulgarien umgesetzt und wie Korruption und organisierte Kriminalität bekämpft werden. Formal ist einiges geschehen, doch konkrete Fortschritte bei der tatsächlichen Bekämpfung des organisierten Verbrechens konnte der letzte Fortschrittsbericht nicht melden. So ist zum Beispiel bis heute noch kein einziger der 150 Mafiamorde aufgeklärt worden. Immer mehr Abgeordnete drängen deshalb auf Sanktionen gegen Bulgarien, etwa wenigstens den Einsatz der sogenannten Schutzklauseln: Würden sie angewandt, dann würden etwa bulgarische Gerichtsurteile im Rest Europas nicht mehr anerkannt. Aber selbst dazu fehle der EU-Kommission der Wille, kritisiert der deutsche SPD-Abgeordnete Helmut Kuhne:

    "Und ich stelle ebenfalls fest, dass die nationalen Regierungen, von Berlin angefangen, ebenfalls der Kommission keine Zaunpfähle oder Winke rüberwerfen, sie möge doch da etwas mehr reingrätschen."

    Andere verweisen auf die hohen Summen, die Bulgarien aus den Agrar- und Strukturfonds erhält. Sollten die EU-Experten auch in ihrem nächsten Fortschrittsbericht Ende Juni keinerlei Fortschritte bei der Bekämpfung von Korruption und Organisierter Kriminalität in Bulgarien erkennen, dann könnten die Rufe nach Sanktionen noch lauter werden. Käme es dann zu Strafen, dann wäre das peinlich und unangenehm für sie und für ihr Land, findet die Europaabgeordnete Jeleva. Aber angesichts berechtigter Kritik wohl nicht abzuwenden:

    "Das wäre eine Einschätzung für die Arbeit der Regierung, nicht für die Arbeit der Bürger. Die Bürger haben mehr verdient, ein besseres Leben. Die sind so stolz auf unsere EU-Mitgliedschaft, dafür haben sie einen hohen Preis bezahlt im Laufe des Transformationsprozesses. Ich glaube, sie haben ein besseres Bulgarien verdient."