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Kosovo ein Jahr nach der Unabhängigkeit

Vor knapp einem Jahr erklärte das Kosovo einseitig seine Unabhängigkeit. Die EU einigte sich auf die Entsendung einer Polizei- und Rechtsstaatsmission in die ehemalige Provinz Südserbiens. Der junge Staat sollte so eine solides und rechtsstaatliches Fundament erhalten. Doch der Einsatz von EULEX kam erst im Dezember zustande, nachdem sich Belgrad und die EU endlich geeinigt hatten. Seither sind über 1000 Polizisten, Zollbeamte, Verwaltungsfachleute, Staatsanwälte und Richter im Einsatz.

Von Doris Simon | 16.02.2009
    Seien wir vorsichtig: Es scheint zu funktionieren – alle Sorgen und Hoffnungen, die sich mit EULEX, der größten zivilen Mission der Europäischen Union, verbinden, finden sich in den Sätzen des Kosovo-Berichterstatters Joost Lagendijk im Europäischen Parlament wieder. Denn ob Gegner oder Befürworter eines unabhängigen Kosovo, eines war schon vor der Unabhängigkeit klar: Unter keinen Umständen durfte die EU das Kosovo sich selber überlassen, die Gefahren für Europa wären viel zu groß gewesen. Doch dann wurde EULEX monatelang von Serbien blockiert, das den Anspruch auf seine frühere Provinz mit allen Mitteln verteidigt - und die Zweifel wuchsen.

    Seit Dezember hat EULEX endlich die Arbeit im Kosovo richtig aufgenommen, im größten Teil des Landes als Nachfolgerin der UNO-Verwaltung. Zehn verlorene Jahre lautet das Urteil über deren Arbeit. EULEX soll nun alles besser machen als die UNMIK: durchsetzen, dass sich Polizei, Zoll und vor allem die Justiz im Kosovo unabhängig und rechtsstaatlich arbeiten und dass auch die serbische Minderheit beteiligt wird am Staatsaufbau. Kosovo-Berichterstatter Lagendijk kam von seinen letzten Besuchen vor Ort ermutigt zurück nach Brüssel:

    "Die kosovarische Polizei ist froh über die gute Zusammenarbeit mit den Leuten von EULEX. Grenz- und Zollkontrollen funktionieren endlich wieder, auch und vor allem im nördlichen Teil des Kosovo. Und endlich hat man angefangen, den Berg von liegengebliebenden Klagen in der Justiz abzuarbeiten, die vor allem Korruption und Gewalt zwischen den Volksgruppen betreffen.""

    205 Millionen Euro haben die Europäer für 16 Monate bereitgestellt: Aus dem ethnischen Pulverfass, der "Drehscheibe für Kriminalität aller Art", wie ein europäischer Diplomat das Kosovo beschrieb, soll mit EULEX´ Hilfe ein Staat mit einem rechtsstaatlichen Fundament entstehen, der Kosovo-Albanern und serbischer Minderheit eine Perspektive bietet. Denn davon ist man noch weit entfernt, die Beziehungen zwischen den Volksgruppen sind immer noch äußerst gespannt. Im Norden des Kosovo leben die Serben in einem eigenen Mini-Staat: Dort, nördlich des Flusses Ibar in der ethnisch geteilten Stadt Mitrovica, ist Pristina weit weg. Hier zählt nur die Verbindung nach Belgrad. Dagegen müssten die Europäer viel mehr unternehmen, fordert die CDU-Europaabgeordnete Doris Pack, und verweist auf Brüsseler Einflussmöglichkeiten angesichts serbische Bemühungen um einen EU-Beitritt.

    "Zunächst einmal muss EU Belgrad klarmachen, dass sie die Serben in Nord-Mitrovica finanziell unterstützt und der Kosovo-Regierung die Chance gibt, für alle Bürger zu arbeiten."

    Der de-facto Ministaat der Serben im Norden des Kosovo ist für Pristina, aber auch für EULEX ein Problem. Belgrad hat durchgesetzt, dass dort weiterhin die eigentlich abzulösende UNO-Mission zuständig bleibt und die Regierung in Pristina nichts zu sagen hat. Doch gerade dort, in Mitrovica, ist es seit Dezember immer wieder zu gefährlichen Zwischenfällen gekommen: Messerstechereien, Brandstiftung, Überfälle. Yves de Kermabon lernte das Land als französischer General der Friedenstruppe KFOR kennen. Heute ist Kermabon Chef der Europäischen Polizei- und Rechtsstaatsmission und warnt, oft werde bei solchen Zwischenfällen der ethnische Konflikt nur als Vorwand benutzt:

    "Es gibt eine ganze Reihe Leute, denen passt es nicht, wenn auch im Norden des Kosovo der Rechtsstaat Einzug hält. Viele Zwischenfälle werden mit dem ethnischen Konflikt begründet., Dabei geht es in Wirklichkeit um organisiertes Verbrechens, Schmuggel oder Korruption."

    Wie EULEX hat sich eine Reihe internationaler Organisationen um die politische Stabilisierung des Kosovo bemüht. Doch viele Menschen sehnen sich vor allem nach einem besseren Leben. Premierminister Hashim Thaci war nie ein europäischer Hoffnungsträger, aber mehr hatte man sich schon erwartet von seiner Regierung. Kein Engagement, grassierende Korruption, auch in der Regierung, und keinerlei Konzept, das sind die Leitmotive der EU-Kritik an der Regierung in Pristina.

    Doch es gibt auch Erfreuliches aus europäischer Sicht: Ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung haben 23 der 27 EU-Mitglieder das Kosovo anerkannt. Die monatelangen Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedstaaten sind beigelegt. Und auch die Beziehungen der EU zu Serbien, die zeitweise arg ramponiert waren, funktionieren inzwischen wieder ordentlich.