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Krebspatienten wandern über die Alpen

Positives Denken allein reicht nicht, nach diesem Motto haben zehn Prostatakrebspatienten sich mit Unterstützung von Mitarbeitern der Deutschen Sporthochschule in Köln an ein großes Projekt gewagt: Die Überquerung der Alpen in fünf Wochen zu Fuß. Nicht schonen nach Operation und Behandlung, sondern viel körperliche Bewegung - so ihre Devise.

Von Renate Rutta | 12.08.2008
    "Ich hab das im Internet gelesen und hab mich sofort ohne wenn und aber angemeldet.

    Vor 50 Jahren bin ich mit dem Motorrad über die Alpen gefahren und wie ich das gehört hab mit der Wanderung über die Alpen, ja das war ganz interessant und dachte, da musst Du mitmachen."

    Heribert Gudenoge und Helmut Fleckenstein sind zwei der Männer, die sich dem Wander-Projekt der Deutschen Sporthochschule angeschlossen haben. Es gilt, die Strecke von München nach Venedig zu bewältigen - 520 Kilometer zu Fuß über die Berge.

    "Ich hab mich optimal vorbereitet, seit vier Wochen laufe ich täglich, mache eine Runde von fünf bis sieben Kilometern und bin zweimal in der Woche in der Sauna gewesen, damit ich auch beim Startpunkt fit bin."

    Ein paar Tage vor dem Start der Wanderung überprüfen Sportstudenten auf dem Gelände der Sporthochschule die Fitness der Teilnehmer:

    "Ok, H.G., ich würd sagen, wir fangen mit Ihnen an, Fitnesstest, wie gesagt, hier die 400 Meter-Bahn, Abstände je 50 m, die Zeit wird vorgegeben, das Tempo wird vorgegeben durch ein akustisches Signal. Alle drei Minuten machen wir ne Pause, und wenn Du keine Fragen mehr hast würd ich sagen, legen wir los."

    "Einmal die Herzfrequenz bitte, 113, es geht ein bißchen nach oben, jetzt lauf mal ein bißchen, jetzt locker laufen, also wir haben jetzt 2,2m pro Sekunde, H., wenn es nicht mehr geht, sagst Du Bescheid, wir machen weiter, los geht's, fertig? ja. Die Stufen gehen von 1,2 m pro Sekunde relativ langsames Schlendern, geht rauf bis zum Laufen. Dann wird Laktat abgenommen am Ohrläppchen, dazu wird die Pulsfrequenz aufgeschrieben und der sogenannte Borg-Wert wird notiert, das ist ein Wert zur Bestimmung des subjektiven Belastungsempfinden."

    "Da hab ich mich drauf gefreut, weil ich immer viel in den Alpen war und jetzt durch die Krankheit hätt ich gedacht, würd ich das nie mehr erleben, also voriges Jahr noch im Quartal viermal operiert worden im August und jetzt schon wieder so fit, ne also da freu ich mich auf jeden Fall und hab mich auch gut vorbereitet."

    Schonen - das war gestern. Heute gilt Bewegung unter freiem Himmel in der Ruhe der Natur als wichtiges Mittel für das Leben nach der Krankheit Krebs. Die Wanderung über die Alpen ist zugleich Ausgangspunkt für ein wissenschaftliches Projekt zum Thema "Sport in der Krebsnachsorge". Leiter ist Dr. Freerk Baumann vom Institut für Rehabilitation und Behindertensport der Deutschen Sporthochschule in Köln.

    "Mit dieser Alpenüberquerung, die wir jetzt durchführen, möchten wir gerne, dass Patienten ihre reale Belastbarkeit kennenlernen und einzuschätzen wissen, dass die Akutbehandlung und dass die Krebsbehandlung abgeschlossen ist, um zu erkennen, ich kann wieder etwas leisten.

    Es soll also ein Zeichen sein, ich bin wieder autark, ich kann wieder entscheiden, was ich möchte und ich kann wieder die körperliche Belastbarkeit erfahren, ohne dass es mir etwas schadet."

    Hinter jedem Einzelnen von ihnen liegt eine schwierige Zeit nach der Diagnose "Prostatakrebs". Denn nach einer Krebserkrankung ist es für die meisten schwer, neues Vertrauen in den eigenen Körper zu entwickeln.

    "Und das ist so ein Grundziel unseres Projektes, das ist ja sehr interessant bei Krebspatienten, dass sie ein erschüttertes Verhältnis zu ihrem Körper haben, um dahingehend ein reales Einschätzen zu gewinnen, was kann ich meinem Körper zutrauen."

    Dazwischen muss natürlich Zeit zur Regeneration bleiben. Das ist auch bei der Alpenüberquerung so: mehrere Ruhetage sind eingeplant.

    "Wir möchten aber auch, dass Betroffene, dass Patienten, die von dieser Erfahrung lesen, auch Mut gewinnen, die Bewegung, die körperlichen Aktivitäten anzugehen um einen aktiven eigenen Beitrag zur Krankheitsbewältigung zu leisten, weil wir wissen, dass körperliche Aktivitäten nicht nur die Leistungsfähigkeit verbessern, die Belastbarkeit, sondern auch Verbesserung des Immunsystems und auch eine Verbesserung der psychischen Situation und der sozialen Situation."