Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Kriegsreporter
"Intensität der Gefühle macht den Krieg so schön"

Im Krieg warten Lebensgefahr, psychische Belastungen, schlechte Bezahlung. Zu Hause Unverständnis und posttraumatische Belastungsstörungen. Warum also zieht es vernünftige Menschen als Kriegsreporter in Krisengebiete? Dieser Frage ging eine Veranstaltungsreihe im Haus der Kulturen in Berlin nach.

Von Frank Hessenland | 23.02.2014
    Die Kuratoren Carolin Emcke und Valentin Groebner haben 31 namhafte Soldaten, Kriegsreporter, Helfer und Wissenschaftler für die Veranstaltungsreihe "Krieg erzählen" der letzten drei Tage ins Haus der Kulturen der Welt eingeladen.
    Begleitet von einem Dokumentar-Filmprogramm und Lesungen mit Literatur von Homer bis Jünger versuchten sie in zwei Dutzend Podiumsgesprächen zu klären, welche psychischen, strukturellen und ökonomischen Herausforderungen sich einem Berichterstatter im Krieg stellen. Viele Referenten bestätigten dabei eine überraschende Erfahrung des Reporters und Schriftstellers Hans Christoph Buch. Er sagte, Situationen der Gewalt schätze er im Moment der Entstehung immer wieder vollkommen falsch ein:
    "Als ich zum Beispiel einmal in einem Massaker mittendrin war, in einem Flüchtlingslager in Ruanda, dachte ich immer, das ist ein Irrtum, was hier passiert. Hinterher, erst zu Hause im Hotel, fiel mir ein: Was Du gesehen hast, war ein Massaker mit Tausenden von Toten. Das Wort war mir gar nicht eingefallen, während das Massaker passierte."
    Kuratorin und Krisenjournalistin Carolin Emcke brachte diese zentrale Erfahrung folgendermaßen auf den Punkt:
    "Manchmal hinkt das Bewusstsein den Ereignissen hinterher. Es ist, als ob sich etwas widersetzt, die irreal grausamen Geschehnisse als reale zu begreifen."
    Abgesehen von der Diskussion um die psychische Wirkung von Gewalterfahrungen auf Reporter und deren spätere Konstruktion der Wirklichkeit beim Schreiben, wurde im Haus der Kulturen ganz konkret deutlich, warum sich die Berichte über Krisen und Kriege in unseren Medien so ähneln. Reporter wohnen oftmals in gleichen Hotels, teilen sich die gleichen Übersetzer und Vermittler vor Ort. Sie schreiben ihre Geschichten nach ähnlichen Kriterien und versuchen, ähnliche Erwartungen ihres Publikums zu erfüllen. Oftmals hängen sie auch von den Interessen ähnlicher Hilfsorganisationen ab, die ihnen Kost, Logis, Expertise oder Fahrten spendieren, um in Berichten zu erscheinen.
    Wer als embeddedter Journalist zugelassen wird, unterwirft sich vollständig einem vorbereiteten Informationskonzept, das er nur wenig modifizieren kann. Dafür erhält er Hotel und Essen. Die Ausgaben, die eine Redaktion durch einen embeddedten Journalisten spart, rangieren zwischen 1000 und 2000 Euro – am Tag. In Bagdad konnte die US-Armee die Zahl der berichtenden Journalisten so von einigen hundert auf nur noch eine Handvoll reduzieren, hieß es gestern. Ähnlich sieht es übrigens in Kabul aus. Auf das echte afghanische Schlachtfeld, dass inzwischen von Drohnen bestückt wird, kommt man nicht. Gleichzeitig ist die Gefahr gestiegen, mitten in der Stadt verletzt oder entführt zu werden.
    Im Krieg warten Lebensgefahr, psychische Belastungen, schlechte Bezahlung. Zu Hause Unverständnis und posttraumatische Belastungsstörungen. Doch wenn das alles ist, warum zieht es vernünftige Menschen immer wieder in Kriegsgebiete als Soldaten, Helfer oder Reporter?
    Im Dokumentarfilm "Restrepo" von Sebastian Junger konfrontieren uns die porträtierten amerikanischen Soldaten mit einer moralisch erschreckenden Antwort. Sie teilen ihre Ansicht übrigens mit dem bosnischen Belagerungsopfer Senad Pecanin, dem Autor Karl Marlantes und vielen anderen, die auf der Konferenz "Krieg erzählen" im Haus der Kulturen in ihren Worten genau dasselbe sagten, wie Abu Ghraib Rechercheur Philip Gourevitch. Es sei die Intensität der Gefühle, die den Krieg so schön macht:
    "Zu Hause fragt man sich dann immer, was ist eigentlich los mit diesen Leuten, wie können sie nur so etwas machen? Aber die Realität ist, Menschen kämpfen nun mal. Sie werden immer kämpfen. Sie mögen das. Es erregt sie einfach. Die Farben im Krieg sind soviel farbiger als zu Hause. Das Leben soviel intensiver. Krieg ist Teil unserer Menschlichkeit."