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Kritische Marke überschritten

Eine kritische Marke ist überschritten. Über sieben Prozent betrugen die Zinsen für italienische Staatsanleihen. Ein Grund: Das Hin und Her um einen Rücktritt des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi. Bei dieser Zins-Höhe mussten Griechenland, Portugal und Irland die Hilfe der Euro-Partner in Anspruch nehmen.

Von Brigitte Scholtes | 09.11.2011
    Das war schon fast Panik: In der Spitze kletterten italienische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren bis auf fast siebeneinhalb Prozent. Gestern noch hatten sie mit gut 6,7 Prozent rentiert. Auch fünfjährige Anleihen rentierten bei mehr als sieben Prozent. Finanzaktien fielen, weil die Börsianer vermuten, dass die Banken und Versicherungen in ihren Depots große Volumina italienischer Staatsanleihen halten.

    Das Hin und Her um einen Rücktritt des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi ist der wesentliche Grund für die Sorge, sagt Sebastian Sachs, Rentenstratege des Bankhauses Metzler:

    "Der Markt ist jetzt völlig verunsichert, das Vertrauen ist fast komplett weg, deshalb muss man jetzt auch schon eine starke Reaktion von italienischer Seite präsentieren, damit das Vertrauen wieder zurückgewonnen werden kann."

    Und dieses Vertrauen muss sich eine Regierung erst erarbeiten, sagt Oliver Roth, Aktienhändler von Close Brother Seydler:

    "Es geht um stabile Regierungen in den Krisenländern, um die Krise überhaupt angehen zu können, denn dazu braucht es eines starken Kapitäns an Bord der MS Europa, der das Ruder wirklich in der Hand hat. Solange wir das an den Börsen nicht sehen, solange werden wir auch hohen Schwankungen unterworfen sein."

    Sieben Prozent - das ist ein Niveau, das an den Rentenmärkten als kritisch gilt. Denn bei diesem Niveau mussten andere Krisenländer wie Griechenland, Irland oder Portugal Hilfen beantragen. So weit ist es noch nicht, hofft Sebastian Sachs vom Bankhaus Metzler:

    "Allerdings ist in der aktuellen Phase wirklich nichts mehr auszuschließen. Wenn der Markt sich erst mal auf das Land einschießt, und es besteht nicht mehr die Möglichkeit, sich angemessen zu refinanzieren – wir haben ja bis Jahresende auch noch einiges an Fälligkeiten an Staatsanleihen, 37 Millairden Euro – und das wird bei einem Renditeniveau von sieben Prozent schwierig umzusetzen."

    Wenn schon nicht die Flucht unter den Rettungsschirm ansteht, dann kann derzeit eigentlich nur eine Institution helfen: Die Europäische Zentralbank. Die hat zwar in den vergangenen Tagen schon ihre Anleihekäufe ausgeweitet, aber offensichtlich ohne wesentlichen Erfolg. Am Nachmittag kursierten Gerüchte einer Notsitzung bei der EZB wegen Italien. Sebastian Sachs:

    "Was die Zentralbank tun kann, da ist ja auch wiederum alles denkbar. Sie können ja sagen, wir kaufen jetzt komplett italienische Staatsanleihen über das gesamte Spektrum in jeglichem Volumen, und dadurch könnten die Renditen ja dann auch zurückkommen. Bisher hat sich dann ja auch gezeigt, dass die Käufe der Zentralbank nichts geholfen haben, um das Renditeniveau wieder auf ein erträgliches Maß zurückzubringen, und das bedeutet ja, dass nur die EZB aktuell agieren kann, um die Renditen zu senken. Und das würde bedeuten, sie muss wirklich in sehr sehr hohem Niveau italienische Staatsanleihen kaufen."