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Krönung der Karriere

Chemie. - Nicht nur in Ordnung, sondern vielleicht schon ein bisschen überfällig sei die Verleihung des Nobelpreises Chemie an Chauvin, Schrock und Grubbs gewesen, meint der deutsche Chemiker Michael Buchmeiser aus Leipzig. Verdient gemacht haben die drei sich um die Weiterentwicklung von Katalysatoren, ohne die in der Chemieindustrie heute gar nichts mehr liefe.

Von Volker Mrasek | 05.10.2005
    Da glaubt man immer, für Wissenschaftler sei der Nobelpreis die Krönung der Karriere. Und dann so etwas:

    " Ich kann gar nicht sagen, dass ich etwas besonderes empfinde. Der Nobelpreis ist für mich nicht so wichtig. Ich werde jetzt 75 und bin im Ruhestand. Ich kümmere mich nicht mehr um die Chemie. Ich arbeite lieber im Garten, genieße die Natur oder höre Musik."

    So reagierte der Franzose Yves Chauvin heute auf die Mitteilung aus Schweden, er sei jetzt Chemie-Nobelpreisträger. Seine Entdeckungen lägen inzwischen über 30 Jahre zurück, kommentierte der Chemiker kühl. Und kündigte an, er werde im Dezember nicht zur Nobel-Zeremonie nach Stockholm fahren.

    Während sich das alte Europa also verweigert, waren die beiden anderen - jüngeren und noch aktiven - Preisträger aus den USA heute ganz aus dem Häuschen: Richard Schrock vom berühmten Forschungszentrum MIT in Cambridge. Und Robert Grubbs vom California Institute of Technology in Pasadena. Ihn erreichte die Nachricht im Urlaub - in Neuseeland:

    " Es ist schon aufregend und ein tolles Gefühl, wenn die Arbeit so belohnt wird und man diese Belohnung mit Kollegen teilen kann."

    Dass die drei Chemiker jetzt ausgezeichnet werden, ist nur allzu konsequent. Verdient gemacht haben sie sich um die Weiterentwicklung von Katalysatoren. Mit deren Hilfe stellt die Chemieindustrie heute mehr als vier Fünftel ihrer Produkte her. Es sind selbst chemische Verbindungen. Sie beschleunigen Synthese-Prozesse und machen sie so überhaupt erst möglich.

    Die ständige Weiterentwicklung von Katalysatoren ist nicht nur ein Milliardengeschäft, sondern auch eine Wissenschaft für sich. Auf diesem Gebiet haben die drei neuen Nobelpreisträger Großes geleistet. Nach Grubbs und Schrock wurden sogar Katalysatoren benannt. Sie arbeiten effizienter als ältere Verfahren, bringen höhere Stoffausbeuten und sind dadurch sogar umweltfreundlicher.

    Auch deutsche Wissenschaftler forschen auf diesem Gebiet. Unter ihnen Michael Buchmeiser vom Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung in Leipzig. Der Chemiker arbeitete zeitweilig im Labor von Richard Schrock in den USA. Seine Einschätzung heute:

    " Ein Nobelpreis, der völlig in Ordnung geht, vielleicht sogar schon ein bisschen überfällig war. Wiewohl die grundlegenden Forschungen dazu natürlich irgendwann zu Beginn sicherlich von akademischer Natur waren, aber eben den Weg in die Praxis geschafft haben. Und das ist das Verdienst dieser Herren."

    Die Praxis sieht so aus, dass die neuen Katalysatoren heute zunehmend eingesetzt werden. Zum Beispiel, um bestimmte Antibiotika und andere Arzneiwirkstoffe herzustellen. Oder auch Spezialchemikalien. Sein ganzes Potential hat das Verfahren aber noch nicht ausgereizt. Dazu sind weitere Prozessfortschritte nötig. Mit ihnen rechnen Chemiker in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.