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Kubanisches Duo Ibeyi
Zwillingspower mit therapeutischem Anspruch

Ihr Vater war ein berühmter kubanischer Percussionist, der 2006 viel zu jung gestorben ist. Nun legen die Zwillingsschwestern Lisa und Naomi Diaz ihr erstes Album vor. Nicht wenige Kritiker feiern das Duo namens Ibeyi schon jetzt als Newcomer-Sensation des Jahres: ein Soundclash aus Jazz und R&B, aus Gestern und Heute.

Von Marcel Anders | 16.04.2015
    "Wir streiten viel. Aber nie wirklich schlimm. Und ich habe noch nie Zwillinge erlebt, die unterschiedlicher wären als wir. Denn wir haben wirklich nichts gemeinsam. Was andererseits auch gut ist, denn auf diese Weise ergänzen wir einander. Wir sagen immer: 'Zusammen sind wir die perfekte Frau.'"
    Auch wenn Naomi es nicht zugeben möchte: Sie und ihre Zwillingsschwester Lisa haben viel gemeinsam. Die beiden 20-Jährigen sprudeln vor Redseligkeit und Selbstbewusstsein, fallen einander ständig ins Wort und wähnen sich auf einer echten Mission: Sie setzen die Tradition ihres Vaters fort, indem sie zwar sein Instrument, die Cajon (ca-hon)-Conga spielen, aber doch auf ihre ureigene Weise und mit therapeutischem Anspruch, wie Lisa betont:
    "Es ist der Schmerz, der mich zur Musikerin gemacht hat. Denn nach dem Tod meines Vaters habe ich angefangen zu spielen, weil mir das ein gutes Gefühl gegeben hat. Insofern ist Musik für mich wie eine Therapie. Ich spiele jede Nacht den Schmerz weg und gewinne am Ende von jedem einzelnen Song. Was ein wunderbares Gefühl ist. Ich fühle mich verbunden mit anderen Menschen, mit mir, Naomi, meinem Vater. Es ist als ob uns die Kunst vereint."
    Der Kunst-Anspruch dominiert auch ihr Debüt, das genauso heißt wie die Band. Und mit dem die Zwillinge, die mit ihrer Mutter und Managerin in Paris leben, für viel frischen Wind in der Popmusik sorgen. Eben mit einem Soundclash aus Jazz und R&B, aus Gestern und Heute, der allein auf dem konträren Musikgeschmack des Duos basiert. Lisa steht auf Nina Simone und Billie Holiday. Naomi auf The Roots und Erykah Badu. Zwei Geschmäcker, die sich laut Naomi wunderbar ergänzen:
    "Ich wusste, dass ich einen Sound wollte, der organisch und intim ist. Aber ich wusste nicht, wo ich ihn finde. Bis Lisa die Idee hatte, unsere Gegensätze zusammenzufügen. Und das hat prima funktioniert. Es war wie: 'Okay, das ist Ibeyi.' Wir haben den perfekten Mix aus ihr und mir gefunden - aus den unterschiedlichen musikalischen Welten, in denen wir uns bewegen."
    Diesen Mix würzen Ibeyi mit afrikanischen und kubanischen Einflüssen - und tragen ihre Texte, die zumeist als Gebet angelegt sind, auf Englisch, Spanisch, Französisch oder Yoruba vor. Darin wünschen sie sich einen neuen Lebensgefährten für ihre Mutter, beschwören den eigenen Traummann und hoffen auf Liebe und Glück. Ein bisschen naiv, ein bisschen hippiesk, aber auch mit Denkanstößen, die das wahre Gesicht des Duos zeigen: Als charmante Weltverbesserer, die in keine Schublade passen - und ihren Stil lächelnd als "moderne Negrospirituals" bezeichnen.
    "Das ist unsere Erfindung. Und es ist irre, dass die Leute keine Beziehung zwischen Afrika und Kuba knüpfen. Denn Kuba hat viel von der afrikanischen Kultur und ist sehr schwarz. Die Inselbewohner wissen, dass ihre Wurzeln in Nigeria und Benin liegen, und sie alle träumen davon, dahin zurückzukehren. Lustiger Weise werden wir als "Ibeyi" meist als Franco-Cuban eingestuft. Also als würden wir Salsa spielen. Was definitiv nicht der Fall ist!"