Freitag, 29. März 2024

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Künstliche Intelligenz
Wenn Maschinen immer menschenähnlicher werden

Die Grenzen zwischen Mensch und Roboter werden fließend, damit hat sich die Veranstaltung "Maschinenbilder – Menschenbilder" auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund beschäftigt. In der Theologie wird bereits diskutiert, ob die smarten Maschinenwesen gottebenbildlich sind.

Burkhard Schäfers im Gespräch mit Christiane Florin | 21.06.2019
Zwei menschenähnliche Roboter stehen mit bunten T-Shirts zwischen älteren Menschen im Altenpflegeheim
Soziale Pflegeroboter übernehmen eine ähnliche Funktion wie in der Tiertherapie, halten dabei aber die Hygienestandards ein (picture alliance / Boris Roessler / dpa)
Vor Kurzem veröffentlichte die UNESCO einen Bericht über Sprachassistentinnen wie Siri oder Alexa. Sie stellte fest, dass ihre Benutzer die hilfsbereiten digitalen Damen ganz gern herumkommandieren und dass sich so Geschlechterklischees verfestigen.
Auf dem Kirchentag wurde in einer sehr gut besuchten Veranstaltung noch etwas grundsätzlicher das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine betrachtet, nämlich unter dem Aspekt, wer da eigentlich über wen bestimmt: Wir über Alexa oder Alexa über uns. Pflegeroboter, selbstfahrende Autos, intelligente Kühlschränke – Horrorvision oder Verheißung? Der Kirchentag versuchte, den Zwischentönen Gehör zu verschaffen, dazu zählen auch theologische Stimmen.
Es wird nach Ansicht des Podiums nur nur noch wenige Jahre dauern, bis zumindest auf Autobahnen Fahrzeuge autonom fahren können. Es gibt schon seit einiger Zeit Roboter, die in Pflegeheimen eingesetzt werden, etwa in der Therapie demenzkranker Menschen. Smartphones können Fotos danach sortieren, ob sie Babys zeigen oder Katzen.
Theologisch relevant sind Maschinen, die autonom agieren und entscheiden – auch in Situationen, die sich nicht bis ins Detail programmieren lassen.
Anne Foerst, Professorin für evangelische Theologie an der US-amerikanischen St. Bonaventure University, beschäftigt sich damit, was es heißt, wenn Maschinen immer menschenähnlicher werden. Sprich: ob künstliche Intelligenz auch unser Menschenbild verändert.
Auf dem Podium wurde die provokante Frage aufgeworfen, ob intelligente Maschinen auch irgendwann "gottesebenbildlich" sein können und ob sie den Menschen überflügeln. Foerst gab in dieser Hinsicht Entwarnung. Sie wies darauf hin, dass die technischen Systeme jeweils nur auf einem Feld intelligent sind, beispielsweise beim Schach. Da machte vor einigen Jahren der Schach-Computer Deep Blue Schlagzeilen – mit seinem Sieg gegen den weltbesten menschlichen Schachspieler:
"Als Garri Kasparow, der damalige Schachweltmeister, von Deep Blue geschlagen wurde, gab es immer noch keinen Roboter, der es schaffte, Butter auf ein Stück Brot zu schmieren. Da lernen wir von der KI-Forschung über uns selbst: Dass unser eigenes Menschenbild diese abstrakten Fähigkeiten so hochleben lässt – dass das falsch ist. Und dass die Fähigkeit, mit unserer Mitwelt zu agieren, das Schwere ist, sonst wäre das nämlich kein Problem für KI."
Tatsächlich aber sagen Expertinnen und Experten, dass Maschinen auch darin immer besser werden. Was ethische Dilemma-Sitatuationen - etwa im Falle eines Unfalls mit einem selbstfahrenden Auto - anbetrifft, so wies der Informatik-Professor Matthias Haun auf eine Schieflage hin. Die allermeisten Unfälle heute passierten deshalb, weil Menschen nicht richtig aufpassen oder falsch reagieren. Autonomes Fahren mache den Verkehr sicherer, so Haun:
"Ich bin mir sicher, dass diese Maschine in diesen Situationen moralisch besser entscheidet, als es mir möglich ist. Die Maschine ist zu 98 oder 99 Prozent in der Lage, von vorn herein zu verhindern, dass solche Situationen vorkommen. Und das spreche ich uns Menschen mit unserem bisherigen Naturell ab."
Die Herausforderung für uns wird also sein, Autos in Zukunft grundlegend anders zu betrachten: nicht mehr als mechanisches Fahrzeug, sondern als Roboter mit kognitiven Fähigkeiten.
Bei der ethischen Frage nach dem, was ein gutes Zusammenleben mit künstlicher Intelligenz ausmacht, kommt wieder die Theologie ins Spiel:
Anne Foerst forscht und lehrt in den USA, wo die Mehrheit neuen Technologien offener gegenüber steht als hierzulande. Sie sagt: Die Menschheit muss entscheiden, welche Bereiche sie überhaupt der Technik überantworten will. Sie ermutigte zu menschlichem Selbstbewusstsein:
"Wenn man überlegt, wie viele hochintelligente Menschen seit vielen Jahrzehnten dabei sind, sowas wie KI zu bauen. Und dass bisher noch jede Ameise einen Roboter schlägt, was Intelligenz angeht, dann merkt man einfach, wie unglaublich komplex wir sind. Und wie unglaublich komplex die ganze Schöpfung ist. Das macht demütig. KI macht demütig, weil wir merken wie kompliziert wir sind, und wie toll wir sind."