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Kulturschock und Missverständnisse

Michael Zhengmeng Hou ist Privatdozent und China-Beauftragter der Technischen Universität Clausthal. An der Uni studieren 600 Chinesen. Der Privatdozent kümmert sich darum, dass es ihnen gut geht, dass sie klarkommen trotz Sprachhürden, Kulturschock und deutscher Bürokratie. Seinen Job als China-Beauftragter macht er ehrenamtlich - denn er weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, sich in Deutschland zurechtzufinden.

Von Julia Lührs | 11.10.2007
    "Hou – Guten Tag. Kommen sie morgen in meine Sprechstunde, ja? Wiederhören – Ciao – Tschüss!"

    Michael Zhengmeng Hou – ein kleiner, energischer Mann, mit freundlichen Augen - stammt ursprünglich aus der chinesischen Provinz Yunnan. Dort hat er Ingenieurwissenschaften studiert. Vor 15 Jahren kam er über ein Stipendium nach Deutschland, um hier seinen Doktor zu machen. Denn Deutschland hat im Fachbereich Ingenieurwissenschaften weltweit einen exzellenten Ruf.

    "Zum Beispiel ein ehemaliger Clausthaler Herr Wan Gang, das ist auch einer meiner Freunde, der hier promoviert hat, ist nun vor kurzem Minister für Wissenschaft und Technologie für ganz China geworden!"

    Als Hou hier ankam war er zunächst etwas irritiert – der 43-Jährige hatte vollkommen andere Vorstellungen:

    "Hou: "…dass Deutschland, insbesondere hier Westdeutschland, damals schon so reich war. Weil in meiner Schulzeit in den so genannten politischen Stunden ein ganz anderes Bild dort vermittelt worden ist. Dass die westlichen Leute, hier leben in Feuer und Wasser, was heißt das konkret ins Deutsch gesagt: Elend." "

    Auch die Menschen machten ihm Angst. Die kulturellen Codes wie Lächeln, waren so anders:

    "Dann wusste ich nicht, wie ich mich Deutschen gegenüber verhalten sollte, weil ich da nicht so beurteilen kann, z.B. ob ein Mann oder eine Dame nett, oder nicht nett ist, weil ich da unterschiedliche Informationen gelesen habe und widersprüchliche Informationen!"

    Ähnlich geht es seinen Studenten: in Clausthal studieren 600 Chinesen. Er bekommt oft Besuch in seinem kleinen Büro mit Blick in die Natur. Hou kümmert sich vor allem am Anfang um sie - dass sie zurechtkommen trotz Sprachproblemen, Kulturschock und deutscher Bürokratie:

    " Hou: "Herein!"
    Student: "Guten Tag Herr Hou!"
    Hou: "Bitte, setzen Sie sich!"
    Student: "Ich werde Sie kurz wieder stören, ich habe wieder Probleme wegen des Studiums…" "

    Die meisten haben Probleme mit dem Deutschen Uni-System. In China ist alles verschulter. So wie Quian Li aus Gansu. Die schüchterne 22-Jährige studiert seit zwei Jahren an der Uni Clausthal Ingenieurwissenschaften. Sie hofft dadurch bessere Chancen auf dem chinesischen Arbeitsmarkt zu haben:

    "In China, in chinesischer Universität ist alles organisiert, z.B. Wohnung mit Vermieter und Stundenplan usw. hier ist alles ganz anders, wir müssen alles selbst machen, deshalb gehen wir oft zu Herrn Hou!"

    Hou macht mit ihnen Stundenpläne, kümmert sich um Aufenthaltsgenehmigungen, hilft aber auch in privaten Fragen. In dringenden Notfällen dürfen seine Studenten ihn auch schon mal nachts aus dem Bett klingeln. Auch wenn Chinabeauftragter etwas hochgestochen klingt. Hou macht das alles nebenbei in seiner freien Zeit. Startprobleme hatte auch Fei Wang aus Shanghai. Der 25-Jährige ein Meter neunzig Mann studiert seit drei Jahren in Clausthal Ingenieurwissenschaften:

    "Am Anfang ist erstmal ein Sprachproblem. Für viele gibt es auch einen Kulturschock und Missverständnisse wegen verschiedener Kultur, ich kenne viele Hintergründe nicht. Z.B. ich gucke Fernsehen, die Deutschen lachen und ich finde das gar nicht lustig. Ich kenn den Hintergrund nicht!"

    Trotz aller kulturellen Unterschiede - Hou fühlt sich in Deutschland mittlerweile zu Hause. Besonders schätzt er die Meinungsfreiheit und seine Freiräume wenn er forscht. Vor acht Jahren ließ er sich einbürgern. Vor fünf Jahren hat er habilitiert. Durch sein Engagement pflegt Clausthal mittlerweile Kontakte zu sechs chinesischen Partneruniversitäten. Am meisten Spaß macht es ihm allerdings seine Studenten aufzuheitern:

    ""Ja ganz einfach Freude zu verbreiten. Dass da, z.B. Leute, die Hilfe brauchen, die Beratungen brauchen, die haben Probleme, die kommen hier in mein Zimmer mit sage ich mal viele Probleme, mit ernsthaften Gesichtsausdruck hier herein gekommen, nachher wenn die dann rausgehen, glücklich, leuchtend, strahlend, das ist doch was, oder? "