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Kultusministerkonferenz berechnet zukünftigen Lehrerbedarf

Die Lage auf dem Lehrerarbeitsmarkt wird sich in den nächsten Jahren entspannen - das ist die Botschaft der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK), die jetzt eine Modellrechnung für den Lehrerbedarf bis 2020 vorgelegt hat.

Von Susanne Schrammar |
    Danach rechnen die Kultusminister der Länder, dass bei derzeit rund 795.000 hauptberuflichen Lehrkräften bis 2020 rund 28.000 Lehrer jährlich in Deutschland gebraucht werden. Zwar gebe es Chancenunterschiede zwischen West und Ost, zwischen einzelnen Schulformen und Fächern, doch der KMK-Vorsitzende, Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann, spricht insgesamt von einer "Entwarnung".

    " Entwarnung insofern, als dass die allgemeine Behauptung, es fehlten in den nächsten Jahren circa 30- bis 40.000 Lehrkräfte, dieses hat sich nach den Zahlen der KMK nicht bestätigt. Wir werden nicht den beklagten Fachkräftemangel, wie wir ihn im Bereich der Ingenieure haben werden, im Bereich der Lehrer haben werden. Denn die Schülerzahlen gehen in den nächsten Jahren deutlich zurück. Insofern haben wir wahrscheinlich nicht diesen Lehrermangel, wie er befürchtet wurde."

    Das sehen Gewerkschaften und Lehrerverbände anders. Der Verband Bildung und Erziehung und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sprechen von einem "schlechten Minimalkonsens". Die von den Ländern gemeldeten Daten seien nicht miteinander zu vergleichen, kritisiert der VBE. Verschwiegen würde zudem, welche Qualitätskriterien die Bundesländer zugrunde legten - wie zum Beispiel Klassengrößen oder Versorgung mit sonderpädagogischen Fachkräften. Die GEW wirft der Kultusministerkonferenz vor, sich bei der Lehrerbedarfsprognose auf eine "wackelige" Datenbasis zu stützen. Die Folge: Der Bedarf werde viel zu gering berechnet, die Absolventenzahlen zu hoch, sagt der niedersächsische Landesvorsitzende Eberhardt Brandt.

    "In vielen Bundesländern haben Lehrkräfte zum Teil zehn Jahre Überstunden geleistet, die jetzt zurückgegeben werden. Das kostet in Niedersachsen zum Beispiel 3500 Lehrerstellen, die sind nicht mit eingegangen in die Argumentation. Was außerdem fehlt: In vielen Ländern werden Ganztagsschulen eingeführt und es heißt dann lapidar: Solche Sondereffekte seien nicht berücksichtigt, die kämen noch dazu."

    Auch Teilzeitstellen und die in den nächsten Jahren auf die Schulen zukommende Inklusion, also die Integration behinderter Schüler in den allgemeinen Unterricht, sei bei der Arbeitsmarktprognose nicht angemessen berücksichtigt worden, beanstanden die Verbände. Dies soll nach Absprache mit den Ländern noch geschehen, verspricht KMK-Vorsitzender Althusmann. Lehramtsbewerbern räumt die vorgelegte Modellrechnung bis 2020 gute Chance auf dem Arbeitsmarkt ein. Im Westen könnten sich 90 Prozent der Bewerber Hoffnung auf eine feste Stelle machen, im Osten sogar deutlich mehr. Doch wird es wirklich genügend Absolventen geben, um den Lehrerbedarf der nächsten Jahre zu decken? Die Gewerkschaft GEW hat Zweifel. Auch in diesem Bereich seien die Rechnungen der KMK nicht seriös, warnt Brandt:

    "Es scheint so zu sein, dass man einfach alle Studierenden zusammenzählt und dann sagt, das stimmt mit dem Gesamtbedarf, den wir schon runter gerechnet haben, überein. Eine ernsthafte, seriöse Rechnung würde bedeuten, dass man nach Schulformen guckt, um dann festzustellen: Im Grundschulbereich gibt es durchaus mehr Absolventen der Lehrerausbildung als benötigt werden, aber in der Sekundarstufe fehlen sie."

    Damit werde die Lage weiter angespannt bleiben, glaubt auch Gerold Müller, Schulleiter eines Gymnasiums in Seelze bei Hannover. An seiner Schule beträgt die Lehrerversorgung derzeit knapp 100 Prozent. Das klinge zwar gut, sagt Müller, doch in der Praxis, wenn Kollegen ausfielen oder zusätzliche AGs angeboten werden sollen, sei die Kalkulation einfach zu knapp. In den nächsten Jahren gehen in Seelze etliche Kollegen in Pension, dazu wird die Schule weiter als Ganztagsschule ausgebaut. Dass sich die Situation verbessert - der Direktor ist skeptisch.

    "Grundsätzlich würde ich sagen - aus meiner Erfahrung - dass die Bedarfsrechnung der letzten Jahre auch immer politisch motivierte Bedarfsrechnungen waren und der Realität nicht entsprachen. Ich habe also keinen Grund anzunehmen, dass das in Zukunft anders sein sollte."