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Kunst ausleihen

Die Artothek in Bergisch Gladbach bietet mittlerweile eine Auswahl von 1500 Bildern an. Das Besondere: Bis zu drei Monate lang kann hier ein Bild für das eigene Wohnzimmer ausgeliehen werden - gegen eine geringe Grund- und Leihgebühr.

Von Susanne Kuhlmann | 18.04.2013
    Art to take – Kunst zum Mitnehmen auf Zeit: Das ist das Prinzip von Artotheken. Gegen ein paar Euro Leihgebühr bekommt die eigene Wohnung ein neues Gesicht, viermal im Jahr. Ein Konzept, das sich bewährt hat. Zum Beispiel in Bergisch Gladbach, wo die Artothek in der Städtischen Galerie Villa Zanders in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum feiert. Begonnen wurde mit 300 Werken; jetzt finden Besucher 1500 Bilder und Fotografien von 450 Künstlern zur Auswahl vor. Der Schwerpunkt liegt auf grafischen Arbeiten, Originalen, die seit 1945 entstanden sind. Jeden Donnerstagnachmittag kommen Besucher zum Ausleihen und Zurückgeben.

    "Ich sehe da eine Frau mit einer Leiter. Und aus dem Kopf strömt irgendwas Blaues heraus."

    Diese Grafik des Briten Bruce Mc Lean und zwei weitere Werke bringen die elfjährige Linea und ihre Mutter Andrea Knappstein zurück. Dann suchen sie nach neuen Bildern für ihr Wohnzimmer.

    "Wir haben immer eins über dem Klavier. Und das ist ein dunkler, ganz alter Klavierkasten noch. Das darf nicht zu groß sein. Und eben zwei rechts daneben. Und von daher müssen wir gucken, was passen könnte."

    Der pensionierte Kunstlehrer Klaus Altmann hat die Artothek vor 20 Jahren mitbegründet und gibt sein Wissen mit Hingabe an die Besucher weiter.

    "Die Kunden sollen sich mit Kunst auseinandersetzen und das Verschiedene schätzen lernen. Und nicht sich in ein Bild verlieben und nichts anderes daneben gelten lassen. Das führt zu Toleranz und einer Offenheit, die Beschäftigung mit der Kunst."

    Klaus Altmann und sein Team aus ebenfalls ehrenamtlich tätigen Mitarbeitern helfen den Kunden, Spannendes und Anregendes für die kommenden drei Monate auszusuchen. So lange darf ein Werk maximal ausgeliehen werden. Arbeiten international bekannter Künstler wie Salvador Dali, Marc Chagall und Sergej Poliakoff sind ebenso vertreten, wie Bilder von Künstlern aus der Region, Rolf Hinteregger zum Beispiel oder Wolfgang Peter. Liebe auf den ersten Blick muss dabei nicht sein, sagt Klaus Altmann, im Gegenteil.

    "Das ist eine gewisse Widerspenstigkeit im ersten Blick, der dann überwunden werden will. Ich vermittle oft genug Bilder, wo ich sage: Das Bild muss ihnen jetzt nicht gefallen, das muss ihnen gefallen, wenn sie es zurückbringen in drei Monaten. Dann haben sie es erkannt."

    Shimon Bartoschewitsch sieht das anders.

    "Für mich zählt immer der erste Eindruck, ob mich ein Bild berührt oder nicht. Und das war eines der wenigen – ich muss leider sagen wenigen – Bilder in der Artothek, die mich angesprochen haben, ist mit Farbe ein Handabdruck in der Mitte und da drum zentrisch Kreise aus Buchstaben, die allerdings teilweise abgeschnitten sind. Sodass man die Wörter an sich so gar nicht herauslesen kann. Man kann die Wörter höchstens erraten."

    Er hörte an seinem Arbeitsplatz im Jugendzentrum von der Artothek und bringt gerade sein erstes Bild zurück. Vor drei Monaten wurde er Mitglied, zahlte zehn Euro Aufnahme und acht Euro Leihgebühr. Fast geschenkt sei das, meint er. Kurz nach ihm kommt Dorothee Überberg mit ihrem Mann.

    "Ich finde, die haben eine Riesenauswahl hier. Wir leihen es immer für drei Monate aus. Und von manchen Teilen verabschiedet man sich ganz ungern und von manchen Teilen – ok, ist gut so. Und da draußen steht schon eins, ich glaube, das möchte ich haben. Das hat für mich mit Pflastersteinen zu tun, wo aber einige noch mal besonders hervorgehoben sind in bestimmten Farben."

    Regelmäßig präsentiert die Artothek in Bergisch Gladbach einen Teil ihrer Werke im Rahmen thematischer Ausstellungen in den Räumen der Städtischen Galerie. Und mit den Einnahmen aus dem Verleih werden neue Werke ersteigert oder auch direkt im Atelier eines Künstlers gekauft.
    Linea, ihre Mutter und Klaus Altmann stecken inzwischen mitten im Entscheidungsprozess.

    - "Was kannst du denn erkennen?"
    - "Zwei Frauen oder eine Frau und ganz viele Gesichter, die so grün verschnörkelt sind."
    - "Wenn du das nächste Mal in Köln bist mit deiner Mutter, dann gehst du ans Römisch-Germanische Museum und guckst mal runter, ganz tief ..."
    - "Dies mit den Steinen? Mosaik?"
    - "Das sogenannte Dionysos-Mosaik. Da ist dieses Motiv raus."

    Zu diesem Bild passt das Motiv eines Clubsessels, rät Klaus Altmann.

    - "Das hat auch was von Essen, Bequemlichkeit, Wohnsituation, Entspannung. Das gefällt mir, so einfach, schlicht, trotzdem ein bisschen Farbe. Und diese Couch mit diesen Flecken da. Das sieht gut aus. Dunkles Grau und Hellgrau."
    - "Ja, dann sind wir ja durch – oder?"
    - "Dann sind sie durch."
    - "Also welche nehmen wir?"
    - "Die beiden und das eine."
    - "Ok."