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Kunst im Bunker

"Ich sammle, was ich nicht verstehe", ist das Motto des Kunstsammlers Christian Boros. Was Boros nicht verstanden hat, zeigt er jetzt in einem Berliner Bunker aus der Nazizeit, der nach der Wende für Technopartys genutzt wurde. Die Kritik überschlägt sich in ihrer Begeisterung für den stadtplanerischen Coup, Zeitgenössisches hinter dicken Mauern zu zeigen.

Von Carsten Probst |
    Christian Boros zählt zu jenem Typus von Kunstsammlern, die immer davon träumen, einmal ein großes, öffentliches Zeichen zu setzen und die die Aussage nicht allein den Künstlern überlassen wollen. Das ist ihm mit seinem Bunker vortrefflich gelungen. Er ist eine spektakuläre Inszenierung mit Auswirkungen auf die ganze Nachbarschaft rund um die Berliner Reinhardtstraße, zu der das Deutsche Theater, der Friedrichstadtpalast oder die Charité-Klinik zählen. Hier ein neues Merkmal zu setzen mit dem Umbau eines riesigen Weltkrieg-II-Bunkers, der vorher fast unsichtbar ergraut war, zu einem Bilderspeicher, ist stadtplanerisch ein Coup. Die Details über die langwierige Bearbeitung des zum Teil meterdicken Betons verströmen dieselbe Erhabenheit und Gewalt wie Tunnelgrabungen durch die Alpen. Als Werbefachmann weiß Boros, wie gutes Branding funktioniert. Der Bunker steht plötzlich als Berliner Metapher da, irgendwo zwischen Flughafen-Tempelhof und Schlossneubau, zwischen Geschichtssentimentalität und modischem Ewigkeitsanspruch, mit anderen Worten: er ist ein Widerspruch in sich, aber eben ein schicker.

    Boros' Sammlung soll rund 500 Werke umfassen, ausschließlich Gegenwartskunst, meist aus dem Atelier der Künstler gekauft. Im Bunker sind zurzeit installative oder skulpturale Werke zu sehen, die oft von den Künstlern selbst eingerichtet wurden, in völliger Freiheit, wie Boros betont, sie hätten sich keinem Kurator fügen müssen. Allein hier beginnen die Trugschlüsse. Boros als Sammler ist nämlich ungleich mächtiger, als ein Kurator es je sein könnte. Sein Bunker hat etwas von einer Trutzburg, auf deren Dach er fürstlich in seinem modernen Glaspalast thront und unten, in seinem Betonbergwerk, die Künstler wie klassische Hofkünstler einbestellt zur Erbauung des Burgherren. Seltsamerweise schwärmen die Feuilletons unisono von der freien Entfaltung der Werke in diesen Bunkerräumen, obwohl offensichtlich ist, das die Werke mit dieser Umgebung Krieg führen, um nicht erdrückt zu werden von der Massivität des lichtlosen Innenlebens. Sie müssen bunkerbrechend sein wie Santiago Sierras martialische acht Meter lange, schwarze Riesenbalken, die durch eine Wand stoßen, wobei man die meterdicken Betonscheiben, die man dazu herausbrechen musste, gleich als Kunstwerk daneben legen konnte. Oder die Werke müssen spektakulär scheitern wie Monika Sosnowskas sich ebenfalls durch mehrere Räume krümmende schwarze Blitzskulptur, die hier wie das Sinnbild einer gewaltsam domestizierten Naturgewalt erscheint. In den oberen Etagen finden sich eher kleinteilige Installationen aus Papier, Glas und Alltagsmaterialien. Wo sie offene, wandelbare Räume brauchen, geht hier der Beton buchstäblich massiv dazwischen, er erzeugt enge Kammern und mitunter Konkurrenzen um Lebensraum zwischen den Werken, die an ein Depot, ein Survival of the fittest erinnern und nichts, aber auch gar nichts von Freiheit erahnen lassen.

    Der Entrepreneur als Dompteur: Gerade die neofeudalistische Geste, die so freundlich und trendy so daherkommt, scheint es zu sein, die die Berliner Society derzeit so richtig sexy findet. Das Berliner Schloss wird neu gebaut, das alte Preußen soll wiedererstehen, und Christian Boros ist nun der passende, großbürgerliche Sammlerfürst, der sich souverän der Medienöffentlichkeit bedient und der dabei voll und ganz auf Repräsentation setzt.

    Und die Kunst gibt dem Ganzen wie im Barock die sozusagen metaphysischen Weihen, woher vielleicht auch Boros' Vorliebe für Lichtkunstwerke eines Olafur Eliasson rührt.

    Vom sammlerischen Standpunkt hat sich Boros mit diesem Haus allerdings sehr festgelegt und macht sich abhängig von einer bestimmten Sorte Kunst, die diesen Räumen standhalten können muss. Er selbst spricht davon, dass der Bunker von der Kunst "geknackt" worden sei. Aber soll das künftig das Kriterium für seine Sammlung sein? Womöglich müsste er dann größere Teile bald verkaufen.