Das "Mammut vom Vogelherd", das der kleinen Ausstellung den Titel gab, und in der Vogelherdhöhle im Lonetal gefunden wurde ist selbst nur 3,7 cm groß. Da es aus Elfenbein ist, wiegt es nur knapp acht Gramm. Sein Besitzer dürfte sich geärgert haben, als er es verlor, denn in seiner gedrungen Form drückt es sehr elegant die Kraft des Mammuts aus.
Für das Institut der Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen dagegen war es 2006 ein Glücksfall, denn es handelt sich um das älteste, vollständig erhaltene, figürliche Kunstwerk der Menschheit. Es verrät Verblüffendes über die Menschen vor 35.000 Jahren. Institutsleiter Professor Nicholas Conard:
"Es gab viel Freizeit in der Eiszeit. Also man hat oft falsche Vorstellungen. Es gab in der Regel schon genug zu essen. Es gab schon Zeit. Es ist eher in der Jetztwelt, wo man so viel Geldgier hat, oder Besitz anhäufen will, wo man das Gefühl hat, dass man wenig Zeit hat. Aber ganz gewiss, vor 35.000 Jahren auf der Alb hatten im Schnitt Leute wesentlich mehr Freizeit, als sie oder ich."
Das elfenbeinerne Mammut und andere gezeigte Kunstwerke verraten natürlich auch, dass das Klima, sowie die Tier- und Pflanzenwelt damals ganz anders gewesen sein müssen.
"Es gab auch alle möglichen Arten von Tieren, die damals unsere Region bewohnt haben, die heutzutage nicht da sind. Nicht nur Mammut, aber Wollnashorn, Rentier, Wildpferde, Löwen und viele, viele andere Tiere der Eiszeit."
Da man abschätzen kann, wie viel Futter ein Tier braucht und wie groß deshalb sein Revier war, kann man sowohl auf den Pflanzenwuchs, als auch auf die mögliche Jagdstrecke der Horde schließen. Insgesamt waren die Menschen uns sehr ähnlich. Nicholas Conard:
"Die besten Hinweise auf eine frühe entwickelte symbolische Kommunikation, auch Musikinstrumente, kommen aus unserer Region. Das hängt mit der Forschungsintensität zusammen, hängt auch mit sehr günstigen Erhaltungsbedingungen zusammen, aber zum ersten Mal vor 35.000 Jahren vor heute, haben wir Hinweise auf figürliche Kunst, Musikinstrumente und kurz gesagt, das ist das erste Mal wo wir diese symbolische Kommunikation in dieser Form weltweit festhalten können. Das heißt: Spätestens um 35.000 Jahren vor heute auf der Alb haben wir mit Menschen, so wie wir, zu tun."
Das erklärt ein wenig, weshalb diese frühesten figürlichen Kunstwerke der Menschheit weniger altmodisch wirken, als etwa eine Barockfigur. Dass diese Menschen gute Handwerker und Jäger waren, leuchtet ein, denn sie konnten mit ihren selbst geschaffenen Waffen große gefährliche Tiere wie den Höhlenbären erlegen.
Die geistige Beweglichkeit, das handwerkliche Können und das abstrakte Denken zeichnen diese Menschen aus. Das erklärt vielleicht auch, weshalb sie unsere Vorfahren wurden, und nicht der Neandertaler.
"Wenige Jahrtausende zuvor - war die Region von Neandertalern bewohnt. Und im Allgemeinen kann man argumentieren, dass es durchaus nennenswerte kulturelle Unterschiede gab, zwischen Neandertalern und modernen Menschen. Das ist ein sehr umstrittenes Thema. Aber zumindest die eindeutigen Beweise für eine weiter entwickelte symbolische Kommunikation, zumindest an Hand der materiellen Kultur, finden wir bei den Neandertalern nicht. Da gibt es überhaupt keine Hinweise für figürliche Darstellungen, für Musikinstrumente und auch die Vielfältigkeit der Werkzeuge ist eine ganz andere und geringere als in dieser Zeit, als moderne Menschen zum ersten Mal nach Europa kamen, zwischen 30.000 und 40.000 Jahren."
Sie kamen vermutlich das Donautal herauf, letztlich aus Afrika, wo Menschen mit unserem Körperbau schon vor 200.000 Jahren lebten. Dabei geht man heute davon aus, dass sich zunächst der Körperbau entwickelte und der Geist sich dann entsprechend den neuen Möglichkeiten entfaltete. Früher sah man das genau umgekehrt. Auch hier haben die Funde der letzten Jahre neue Erkenntnisse gebracht:
"In der Regel können wir festhalten, dass die Kunstwerke und Musikinstrumente im Normalfall einfach mitten drin liegen, so mit unzähligen Steinartefakten, mit Mahlzeitresten, gebrannten Gegenständen. Und das vermittelt für mich den Eindruck, dass diese sehr hochwertigen und faszinierenden Gegenstände letztendlich schon ein Teil vom Alltag waren im Sinne, dass die sichtbar waren, das waren keine Geheimobjekte, die selten vorkamen. Die waren halt da, so wie viele anderen Sachen. Das heißt, dieses Bedürfnis sich symbolisch auszudrücken, war sicherlich etabliert."
Musik und Kunst spielten offenbar schon eine ähnliche Rolle, wie heute. Auch ihre Qualität dürfte, wenn man von Moden und den elektroakustischen Möglichkeiten mal absieht, erstaunlich vertraut gewesen sein.
Über die Vorstellungen von der Welt geben Darstellungen von Mischwesen Auskunft:
"Es gibt einen großen Löwenmensch aus Hohlenstein-Stadel im Lonetal. Es gibt auch einen sehr kleinen Löwenmensch, den wir vor ein paar Jahren im Hohlen Fels gefunden haben, also einige Kilometer davon entfernt im Achtal. Die sind die identische Darstellung, nur in unterschiedlichem Format. Und im Gegensatz zu einem Mammut oder einem Pferd, die sind Gegenstände, die in der realen Welt gar nicht existieren. Das heißt, das ist ein eindeutiger Beweis, dass die Ideologie dieser Menschen schon verknüpft war mit einer Art Jenseitsdenken, auch - für mich - einer Art Religion. Das wird oft mir Schamanismus gleich gestellt - da gibt es Argumente dafür und auch Argumente dagegen. Aber wieder ein Hinweis, dass sie schon eine sehr komplexe Gedankenwelt hatten."
Es gibt aber noch einen dritten Löwenmenschen aus der Geißenklösterle-Höhle, bei Blaubeuren. Nicholas Conard schließt daraus:
"Wenn wir schon drei Mischwesen gefunden haben, dann gab es damals aus meiner Sicht über die vielen Jahre, die uns zur Verfügung stehen Dutzende, Hunderte, vielleicht Tausende von diesen Objekten. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir überhaupt eins finden ist gleich Null."
Schließlich hatten Tiere und Menschen 35.000 Jahre Zeit, Spuren in den Höhlen zu vernichten oder zu entfernen. Das erklärt vielleicht auch, weshalb das vollständig erhaltene Mammut so ein Glücksfall ist. Viele andere Funde sind beschädigt und unvollständig.
Großes Rätselraten herrscht noch über die Muster auf den Kunstwerken. Es gibt Kreuze - etwa auf den Sohlen des Mammuts, Wellenlinien, Punkte. Welche Bedeutung sie haben ist unklar:
"Es gibt sicherlich irgend eine Bedeutung. Die Frage genau, was die Bedeutung ist, ist schwierig. Es gibt keine Hypothese, die Vielfalt, die wir finden, erklären kann."
Es ist, als ob die Forscher von angekreuzten Lottoscheinen auf den Sinn dahinter schließen wollten. Vielleicht hat der eine auf dem Kunstwerk sein Alter notiert, der andere seine Jagdbeute, der Dritte einen Kalender geführt, der Vierte einen anderen Künstler nachgeahmt, der Fünfte fand das Muster einfach schön und so weiter. Auch der Zweck der Kunstwerke ist ungeklärt. Waren es Amulette, Zierrat oder Spielzeug?
Wer die kleinen Kunstwerke selbst anschauen möchte, hat dazu ab Mitte September 2009 bei der Landesausstellung "Eiszeit. Kunst und Kultur" in Stuttgart über drei Monate lang Gelegenheit.
Für das Institut der Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen dagegen war es 2006 ein Glücksfall, denn es handelt sich um das älteste, vollständig erhaltene, figürliche Kunstwerk der Menschheit. Es verrät Verblüffendes über die Menschen vor 35.000 Jahren. Institutsleiter Professor Nicholas Conard:
"Es gab viel Freizeit in der Eiszeit. Also man hat oft falsche Vorstellungen. Es gab in der Regel schon genug zu essen. Es gab schon Zeit. Es ist eher in der Jetztwelt, wo man so viel Geldgier hat, oder Besitz anhäufen will, wo man das Gefühl hat, dass man wenig Zeit hat. Aber ganz gewiss, vor 35.000 Jahren auf der Alb hatten im Schnitt Leute wesentlich mehr Freizeit, als sie oder ich."
Das elfenbeinerne Mammut und andere gezeigte Kunstwerke verraten natürlich auch, dass das Klima, sowie die Tier- und Pflanzenwelt damals ganz anders gewesen sein müssen.
"Es gab auch alle möglichen Arten von Tieren, die damals unsere Region bewohnt haben, die heutzutage nicht da sind. Nicht nur Mammut, aber Wollnashorn, Rentier, Wildpferde, Löwen und viele, viele andere Tiere der Eiszeit."
Da man abschätzen kann, wie viel Futter ein Tier braucht und wie groß deshalb sein Revier war, kann man sowohl auf den Pflanzenwuchs, als auch auf die mögliche Jagdstrecke der Horde schließen. Insgesamt waren die Menschen uns sehr ähnlich. Nicholas Conard:
"Die besten Hinweise auf eine frühe entwickelte symbolische Kommunikation, auch Musikinstrumente, kommen aus unserer Region. Das hängt mit der Forschungsintensität zusammen, hängt auch mit sehr günstigen Erhaltungsbedingungen zusammen, aber zum ersten Mal vor 35.000 Jahren vor heute, haben wir Hinweise auf figürliche Kunst, Musikinstrumente und kurz gesagt, das ist das erste Mal wo wir diese symbolische Kommunikation in dieser Form weltweit festhalten können. Das heißt: Spätestens um 35.000 Jahren vor heute auf der Alb haben wir mit Menschen, so wie wir, zu tun."
Das erklärt ein wenig, weshalb diese frühesten figürlichen Kunstwerke der Menschheit weniger altmodisch wirken, als etwa eine Barockfigur. Dass diese Menschen gute Handwerker und Jäger waren, leuchtet ein, denn sie konnten mit ihren selbst geschaffenen Waffen große gefährliche Tiere wie den Höhlenbären erlegen.
Die geistige Beweglichkeit, das handwerkliche Können und das abstrakte Denken zeichnen diese Menschen aus. Das erklärt vielleicht auch, weshalb sie unsere Vorfahren wurden, und nicht der Neandertaler.
"Wenige Jahrtausende zuvor - war die Region von Neandertalern bewohnt. Und im Allgemeinen kann man argumentieren, dass es durchaus nennenswerte kulturelle Unterschiede gab, zwischen Neandertalern und modernen Menschen. Das ist ein sehr umstrittenes Thema. Aber zumindest die eindeutigen Beweise für eine weiter entwickelte symbolische Kommunikation, zumindest an Hand der materiellen Kultur, finden wir bei den Neandertalern nicht. Da gibt es überhaupt keine Hinweise für figürliche Darstellungen, für Musikinstrumente und auch die Vielfältigkeit der Werkzeuge ist eine ganz andere und geringere als in dieser Zeit, als moderne Menschen zum ersten Mal nach Europa kamen, zwischen 30.000 und 40.000 Jahren."
Sie kamen vermutlich das Donautal herauf, letztlich aus Afrika, wo Menschen mit unserem Körperbau schon vor 200.000 Jahren lebten. Dabei geht man heute davon aus, dass sich zunächst der Körperbau entwickelte und der Geist sich dann entsprechend den neuen Möglichkeiten entfaltete. Früher sah man das genau umgekehrt. Auch hier haben die Funde der letzten Jahre neue Erkenntnisse gebracht:
"In der Regel können wir festhalten, dass die Kunstwerke und Musikinstrumente im Normalfall einfach mitten drin liegen, so mit unzähligen Steinartefakten, mit Mahlzeitresten, gebrannten Gegenständen. Und das vermittelt für mich den Eindruck, dass diese sehr hochwertigen und faszinierenden Gegenstände letztendlich schon ein Teil vom Alltag waren im Sinne, dass die sichtbar waren, das waren keine Geheimobjekte, die selten vorkamen. Die waren halt da, so wie viele anderen Sachen. Das heißt, dieses Bedürfnis sich symbolisch auszudrücken, war sicherlich etabliert."
Musik und Kunst spielten offenbar schon eine ähnliche Rolle, wie heute. Auch ihre Qualität dürfte, wenn man von Moden und den elektroakustischen Möglichkeiten mal absieht, erstaunlich vertraut gewesen sein.
Über die Vorstellungen von der Welt geben Darstellungen von Mischwesen Auskunft:
"Es gibt einen großen Löwenmensch aus Hohlenstein-Stadel im Lonetal. Es gibt auch einen sehr kleinen Löwenmensch, den wir vor ein paar Jahren im Hohlen Fels gefunden haben, also einige Kilometer davon entfernt im Achtal. Die sind die identische Darstellung, nur in unterschiedlichem Format. Und im Gegensatz zu einem Mammut oder einem Pferd, die sind Gegenstände, die in der realen Welt gar nicht existieren. Das heißt, das ist ein eindeutiger Beweis, dass die Ideologie dieser Menschen schon verknüpft war mit einer Art Jenseitsdenken, auch - für mich - einer Art Religion. Das wird oft mir Schamanismus gleich gestellt - da gibt es Argumente dafür und auch Argumente dagegen. Aber wieder ein Hinweis, dass sie schon eine sehr komplexe Gedankenwelt hatten."
Es gibt aber noch einen dritten Löwenmenschen aus der Geißenklösterle-Höhle, bei Blaubeuren. Nicholas Conard schließt daraus:
"Wenn wir schon drei Mischwesen gefunden haben, dann gab es damals aus meiner Sicht über die vielen Jahre, die uns zur Verfügung stehen Dutzende, Hunderte, vielleicht Tausende von diesen Objekten. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir überhaupt eins finden ist gleich Null."
Schließlich hatten Tiere und Menschen 35.000 Jahre Zeit, Spuren in den Höhlen zu vernichten oder zu entfernen. Das erklärt vielleicht auch, weshalb das vollständig erhaltene Mammut so ein Glücksfall ist. Viele andere Funde sind beschädigt und unvollständig.
Großes Rätselraten herrscht noch über die Muster auf den Kunstwerken. Es gibt Kreuze - etwa auf den Sohlen des Mammuts, Wellenlinien, Punkte. Welche Bedeutung sie haben ist unklar:
"Es gibt sicherlich irgend eine Bedeutung. Die Frage genau, was die Bedeutung ist, ist schwierig. Es gibt keine Hypothese, die Vielfalt, die wir finden, erklären kann."
Es ist, als ob die Forscher von angekreuzten Lottoscheinen auf den Sinn dahinter schließen wollten. Vielleicht hat der eine auf dem Kunstwerk sein Alter notiert, der andere seine Jagdbeute, der Dritte einen Kalender geführt, der Vierte einen anderen Künstler nachgeahmt, der Fünfte fand das Muster einfach schön und so weiter. Auch der Zweck der Kunstwerke ist ungeklärt. Waren es Amulette, Zierrat oder Spielzeug?
Wer die kleinen Kunstwerke selbst anschauen möchte, hat dazu ab Mitte September 2009 bei der Landesausstellung "Eiszeit. Kunst und Kultur" in Stuttgart über drei Monate lang Gelegenheit.