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Kunstausstellung
Irans Retourkutsche auf Trumps Muslim-Bann

Die Kunstsammlung der ehemaligen Kaiserin von Persien, Farah Diba, gilt als legendär. Jetzt hat die iranische Regierung eine Ausstellung mit vorgeblich konterrevolutionärer "Westkunst" im Teheraner Museum für Zeitgenössische Kunst völlig überraschend freigegeben - trotz unzähliger Sorgen und Bedenken. Und der Iran kann sich - wider den "Muslim-Bann" der USA - als weltoffen und liberal präsentieren.

Von Amin Farzanefar | 08.03.2017
    Eine Iranerin posiert für ein Foto neben einem Gemälde des irischen Malers Francis Bacon im Teheraner Museum für Zeitgenössische Kunst
    Eine Iranerin posiert für ein Foto neben einem Gemälde des irischen Malers Francis Bacon im Teheraner Museum für Zeitgenössische Kunst (picture-alliance / dpa / Abedin Taherkenareh)
    Im Iran gibt es – man denke an die langwierigen Nuklearverhandlungen – oft kein offizielles "Nein", nur ein "Später", ein "Warum nicht" oder "Vielleicht" und irgendwann ein "Schade! Nächstes Mal" – ein Reich der Zeichen und Andeutungen, die selbst für Insider nur schwierig zu lesen sind.
    Rund um die Ausstellung, die nicht sein sollte, wucherten Mythen, Gerüchte und Legenden beider Seiten. Gerüchte etwa, die Werke befänden sich in erbarmungswürdigen Zustand, wären katastrophal gelagert, und deshalb gar nicht vorzeigbar. Auch seien die wichtigsten Werke schon längst unter der Hand verkauft worden und würden nur in täuschend echten Kopien respektive Fälschungen vorliegen. Diese Angst-Phantasien zerstoben bei genauer Bestandsprüfung durch westliche Restauratoren: Alles war echt und recht und an seinem Platz.
    Eine Befürchtung der Iraner, die Kunstwerke würden bei ihrer Europatournee (nach Berlin sollte die Sammlung auch in Rom gezeigt werden) nie mehr in den Iran zurückkehren, gründete auf der Sorge, die Initiatorin der Sammlung, die in Paris lebende Schah-Gattin könnte möglicherweise Besitzansprüche anmelden. Doch von dieser, Farah Diba, war nichts dergleichen zu hören.
    Die Schah-Witwe und ehemalige Kaiserin von Persien, Farah Diba Pahlavi stellt am 05.02.2015 in Berlin 5 Lithographien vor, welche auf ihren Malereien basieren und in limitierter Auflage erhältlich sind. Der Erlös der Kunstwerke soll die nach ihrem Sohn benannte "Alireza Pahlavi Foundation" unterstützen.
    Die ehemalige Kaiserin von Persien, Farah Diba Pahlavi 2015 in Berlin (picture alliance/ dpa/ Britta Pedersen)
    Jetzt also, seit gestern, ist die kostbare, vorgeblich konterrevolutionäre, dekadente Westkunst plötzlich frei zugänglich für alle Teheranerinnen und Teheraner.
    Retourkutsche auf Trump
    Dass ein berühmtes Triptychon von Francis Bacon nicht gezeigt wird, mag erneut für Spekulationen sorgen – ist es also doch an russische oder chinesische Oligarchen verkauft worden, um dem Iran dringend benötigte Devisen zu verschaffen? Wahrscheinlicher scheint, dass der Meister einer illusionslosen Fleischbeschau auch nach Jahrzehnten für ein Skandälchen gut ist – die sich auf dem Gemälde herumräkelnden beiden nackten Männer wollte man dem tugendhaften Publikum dann doch nicht zumuten. Immerhin zeigt das Plakat ein bezopftes Mädchen von Kees van Dongen – ohne Kopftuch! Und das legt dann eine plausible politische Deutung der Geschehnisse nahe.
    Die Absage war möglicherweise im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Mai zu verstehen: Präsident Rohani, der für seine Wiederwahl kämpft, wollte seinen konservativen Widersachern keine Vorlage durch allzu große Anbiederung an den Westen geben.
    Aktuell allerdings, vor verändertem weltpolitischem Hintergrund, lässt sich die "Freigabe" für Teheran als Retourkutsche auf Trump und seinen Muslim-Bann verstehen, der auch in zweiter Auflage den Iran zur gefährlichsten Nation weltweit erklärt. Diese kann sich nun als weltoffen, liberal und kulturbewusst darstellen: Während die Kulturschaffenden der USA gegen einen trumpeligen Kulturbanausen anrennen, präsentiert ausgerechnet der stigmatisierte "Schurkenstaat" eine der wichtigsten Sammlungen Moderner Kunst.
    Kritikern Wind aus den Segeln genommen
    Das sorgt auch für gute Stimmung im Iran und nimmt der hauseigenen Kritik den Wind aus den Segeln. Gegner der Ausstellung waren keineswegs nur konservative Hardliner: Insbesondere Vertreter kleiner, aber bedeutender Galerien, die seit Jahren unter schwierigen Bedingungen wichtige Arbeit leisten, und auch international bedeutende moderne Kunst ausstellen, beklagten, sie würden nun in den Schatten eines politisch motivierten und prestigeträchtigen Kultur-Deals zwischen den Regierungen gestellt.
    Die Ausstellungseröffnung zu Hause entkräftet aber vor allem den Einwand vieler enttäuschter Kunstliebhaber, dass die weltberühmten Kunstwerke doch zuerst dem iranischen Volk zugänglich sein sollten, bevor sie in den Westen gehen.
    Die Silhouette einer Frau vor drei modernen Kunstwerken im "Tehran Museum of Contemporary Art"
    Eine Besucherin im "Tehran Museum of Contemporary Art" (picture alliance /dpa /Abedin Taherkenareh /EPA)
    Es sei daran erinnert, dass die Ausstellung bereits einmal geöffnet war: 2005, unter dem "Reformpräsidenten Khatami" öffnete der damalige Museumsdirektor die Pforten der legendären Ausstellung: nach wenigen Wochen mussten sie nach einem unglaublichen Andrang wieder ins Depot in den Keller.
    Noch bis Juni kann man sie nun im wunderschönen Bau des TMoCA im Laleh Park sehen, wo übrigens schon immer Statuen von Marini und Giacometti, Henry Moore und Parviz Tanavoli stehen. Und zur Eröffnung hieß es, im Sommer - nach den Wahlen - könne die Berliner Ausstellung doch über die Bühne gehen. "Vielleicht - Später also - warum nicht".
    Aber ein richtiges Nein hatte es ja auch nie gegeben.