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Kunstfestival in Brandenburg
Rohkunstbau braucht neues Konzept

Die Ausstellung "Rohkunstbau", die seit 25 Jahren in Brandenburg stattfindet, wurde für dieses Jahr abgesagt. Grund ist der Ausstieg des Trägers, der Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg. Eine Chance, das veraltete Konzept des Kunstfestivals neu zu gestalten.

Von Carsten Probst | 01.07.2019
Kunstinteressierte vor dem Schloss in Roskow in Brandenburg: Sie warten auf die Eröffnung der Ausstellung "Rohkunstbau"; Aufnahme vom August 2013
Die Ausstellung Rohkunstbau zeigt Gegenwartskunst in alten Schlössern und Herrensitzen. Hier die Eröffnung der Ausstellung "Rohkunstbau" im August 2013 (picture alliance / dpa)
Kunstfestivals wie Rohkunstbau werden dringend gebraucht in Ostdeutschland, gerade jetzt. International renommierte Künstlerinnen und Künstler werden bei solchen Festivals jenseits der großen Kunstzentren an Spielorten in der Provinz vorgestellt. Die ausgestellten Werke verhandeln oft die großen Themen der Zeit, vom Klimaschutz bis zu den neuen Nationalismen, Freizeitattraktion und Bildungsanspruch gehen im niederschwelligen Ambiente von Sommerausflügen Hand in Hand. Deshalb ist es besonders bedauerlich, dass die Heinrich-Böll-Stiftung aus ihrer Finanzierung für das Festival Rohkunstbau ausgestiegen ist, wodurch eben auch die Zuschüsse der Bundeskulturstiftung wegfallen und damit dieses Festival in diesem Jahr nicht stattfinden kann – und das gerade jetzt, wo so erbittert über die vermeintlich politisch belastete Kunst in Ostdeutschland gestritten wird. Rohkunstbau wäre in diesem Jahr seines 25-jährigen Bestehens womöglich so aktuell und auch so gut besucht gewesen wie selten zuvor.
Das Setting der Schau ist zur Routine geworden
Allerdings gibt es auch eine andere Sicht auf die aktuelle Absage und die erscheint nicht weniger wichtig für die künftige Ausrichtung des Festivals: Das Konzept von Rohkunstbau ist buchstäblich in die Jahre gekommen. Anfang der 2000er Jahre war es eine zeitgemäße, höchst originelle Idee, internationale Kunst in heruntergekommenen Schlössern in Brandenburg zu zeigen. Die ausgewählten Spielstätten waren selbst die eindrucksvollsten Zeitzeugen auf diesem Festival, das Wasserschloss Groß Leuthen etwa, das zu DDR-Zeiten ein Kinderheim gewesen war, oder auch der aktuelle Spielort, das einstige Barockschloss von Lieberose, das im Zweiten Weltkrieg bombardiert und nach 1945 teilweise ein Internat war. Doch nur noch an die beschaulich-verwunschenen Orte Ostdeutschlands zu erinnern und die ostdeutsche Provinz sanft pädagogisch an aktuelle Gegenwartskunst heranführen zu wollen, ist dreißig Jahre nach der Wende kein zeitgemäßes Konzept mehr. Rohkunstbau hat sich tendenziell selbst von der Provinz entfremdet, das Setting ist zur Routine geworden und mittlerweile setzt man ganz auf Touristen und Sommerfrischler als Publikum. Das inhaltliche Konzept wirkt pädagogisch überfrachtet und verwässert zugleich.
Eine Atempause zur rechten Zeit
Das Werkleitz-Festival in Sachsen-Anhalt, eine ähnlich graswurzelartige Schöpfung aus der Nachwendezeit wie Rohkunstbau, hat sich in der Zwischenzeit mehrmals als Medienkunst- und auch als Festival für nachhaltige Stadtplanung neu erfunden und gerade dadurch seinen originellen Charakter bewahrt. Die Ostrale in Dresden nutzt zurzeit eine Zwangspause, um sich neu aufzustellen. Die Absage von Rohkunstbau in diesem Jahr, sie sollte von Initiator Arvid Boellert zur Überarbeitung des Konzepts genutzt werden – als Atempause zur rechten Zeit.