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Kunstkörper und Körperkunst

Noch bis zum 15. November zeigt das National Academy Museum in New York die Schau "Reconfiguring the Body in American Art, 1820-2009”. In 160 Werken geht es um Körper und Körperlichkeit in der US-Kunst von 200 Jahren.

Sacha Verna |
    Man wähle ein möglichst universales Sujet – zum Beispiel: der menschliche Körper. Man setze einen ungefähren Zeitrahmen – etwa 200 Jahre Kunstgeschichte. Und bastle daraus eine Ausstellung. "Reconfiguring the Body in American Art, 1820-2009” scheint genau nach diesem Schema entworfen zu sein. Die groß angelegte Schau im New Yorker National Academy Museum, die vorgibt, die Rolle des Körpers in der amerikanischen Kunst zu untersuchen, wirkt, jedenfalls auf den ersten Blick, wie eine Ansammlung dessen, was bei einer Entrümpelung des Kellers zutage gefördert und dann nach dem Kriterium "Es muss einfach ein Mensch darauf sein” an die Wand gehängt wurde. Gezeigt werden 160 Werke aus dem Bestand des Museums, von einem weiblichen Akt von Kenyon Cox aus dem Jahr 1891 und einem Bacchus von Henry Siddons Mowbray bis zu einem Tennisspieler von Wayne Thiebaud von 1985 und einem Selbstporträt von Chuck Close von 1988.

    Warum also durch diese Ausstellung stiefeln, wenn anderswo interessantere Arbeiten derselben Künstler zu sehen sind? Doch nicht so schnell. Zunächst zu den 200 Jahren Kunstgeschichte:

    "Wir entschieden uns für diese Zeitspanne, weil sie mit der Gründung der National Academy zusammenfällt. Und die Gründung der National Academy of Fine Arts - 1826 – fällt mit der Geburt der amerikanischen Kunst zusammen. Nicht, dass es davor keine Kunst in diesem Land gegeben hätte. Doch beeinflusste die National Academy die frühe Entwicklung der bildenden Kunst in Amerika auf entscheidende Weise."

    Das ist Marshall Price, der Co-Kurator der Ausstellung. Tatsächlich stellte die Gründung der ersten Kunstakademie in New York durch einige der bedeutendsten Künstler ihrer Zeit wie Asher B. Durand und Thomas Cole den Versuch dar, so etwas wie eine nationale künstlerische Ästhetik zu etablieren. Die National Academy of Fine Arts sollte nach dem Modell der europäischen Akademien funktionieren, allen voran der Royal Academy in London und der Pariser Ecole des Beaux Arts. Mit einem großen Unterschied, was den Unterrichtsstoff betraf:

    "Die Hierarchie der bildenden Künste wurde im Frankreich des 17. Jahrhunderts festgelegt, und an ihrer Spitze stand das Historienbild. Nun befanden wir uns hier aber in einem Land, das erst im Entstehen begriffen war. Die Historienmalerei konnte also keine Bedeutung haben, einfach weil es noch keine Geschichte gab."
    Stattdessen sei der menschliche Körper als solcher ins Zentrum der bildenden Künste gerückt. Er wurde in soziale und mythische Zusammenhänge gestellt oder sogar in sportliche wie in der kleinen Bronzeskulptur von Cecil de Blaquiere Howard, die eine Gruppe von Ringern zeigt.

    Dieses Werk stammt aus dem Jahr 1949, als figurative Malerei und Skulptur keineswegs mehr in Mode war. In den USA richtete sich Aufmerksamkeit nun auf die Vertreter des abstrakten Expressionismus, auf Künstler wie Jackson Pollock und Willem de Kooning. Nicht so jedoch an der National Academy of Fine Arts. Marshall Price:

    "Diese Institution hielt an ihren Wurzeln und damit an der figurativen Ästhetik fest. Deshalb blieb der menschliche Körper für die Akademie während des gesamten 20. Jahrhunderts wichtig."

    Und darum geht es eigentlich in dieser Ausstellung. Untersucht wird nicht die Rolle des menschlichen Körpers in der amerikanischen Kunst. Es wird seine kontinuierliche Bedeutung auf dem Lehrplan der National Academy demonstriert. Mit der Hälfte der Exponate und einem Viertel der Ambition hätte diese Schau ein interessantes Stück amerikanischer Kunstgeschichte illustrieren können. So aber vermögen die überraschenden Entdeckungen, die die Ausstellung durchaus auch bereithält, diese verpasste Chance nicht wirklich wettzumachen.

    Die Ausstellung "Reconfiguring the Body in American Art, 1820-2009” im National Academy Museum of Fine Arts in New York ist noch bis zum 15. November zu sehen.