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Kurtulmus: Türkei wird auch ohne die EU ihren Weg gehen

Die Wirtschaft in der Türkei boomt und die Beziehungen zu Deutschland entwickeln sich positiv. Was noch fehlt, ist die Mitgliedschaft in der EU. Es gebe Länder, die wirtschaftlich weit hinter der Türkei lägen. Das Land würde zu Unrecht in einem Wartesaal der EU hingehalten, kritisiert Numan Kurtulmus, stellvertretender AKP-Vorsitzender.

Numan Kurtulmus im Gespräch mit Benjamin Hammer | 24.05.2013
    Benjamin Hammer: Wir sind in Köln, vor 30, 40 Jahren kamen viele Gastarbeiter aus der Türkei in diese Stadt. Jetzt haben sich die Zeiten drastisch geändert. Die Türkei gehört zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Wie sehr hat sich das deutsch-türkische Verhältnis gewandelt?

    Numan Kurtulmus: Natürlich haben sich die Eigenschaften der türkischstämmigen Gesellschaft hier in Deutschland auch verändert. Es gibt in dieser Gruppe eine neue Genration, die sich sehr gut in die deutsche Gesellschaft integriert hat. Die eine bessere Bildung genossen hat, die hier in der Wirtschaft und auch mit ihrer Bildung eine wichtige Existenz aufgebaut hat. Wir beobachten, dass mit der Zunahme der Leistung der türkischen Gesellschaft in Deutschland - die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sich zum positiven entwickeln.

    Hammer: Schauen wir mal auf die Europäische Union. Hier gibt es gerade große wirtschaftliche Probleme, besonders in Griechenland, Spanien und Portugal. Sind sie jetzt vielleicht sogar froh, dass die Türkei nicht zur EU gehört?

    Kurtulmus: Wir und auch die EU wissen, dass leider aufgrund von einigen subjektiven Begründungen, die Türkei in einem sogenannten Wartesaal der Europäischen Union hingehalten wird. Und das zu Unrecht. Es gibt einige Länder, die wirtschaftlich weit hinter der Türkei liegen. Dennoch sind die schon Mitglieder der EU - aber die Türkei muss weiterhin im Wartesaal warten. Das ist uns, aber eigentlich auch der Europäischen Union bewusst. Natürlich hat sich die Türkei aufrichtig darum bemüht, Mitglied der EU zu werden. Aber auch wenn wir nicht in die EU aufgenommen werden, ist das nicht das Ende der Welt für uns. Die Türkei hat eine sehr dynamische Bevölkerung und Wirtschaft. Das ist nicht nur für die islamische Welt im Nahen Osten und Nordafrika wichtig, sondern für viele Länder, die sich in der Entwicklungsphase befinden. Wir sind für die ein wichtiges Vorbild. Die Türkei wird ihren Weg weiter gehen - ob mit oder ohne EU-Mitgliedschaft

    Hammer: Sie wollen sich hier mit deutschen Geschäftsleuten treffen. Was werden Sie da ansprechen?

    Kurtulmus: Natürlich möchten wir uns über die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Türkei in den letzten zehn Jahren austauschen. Aber viel wichtiger ist es unsere Visionen für 2013 bis 2023 auszutauschen. Wenn unser Wachstum anhält, dann hat die Türkei in zehn Jahren ein Exportvolumen von 500 Milliarden Dollar. Die Türkei wird hierfür all ihre Vorteile nutzen, etwa die geografisch strategischen Vorteile. Um diese Perspektiven umsetzen zu können, braucht die Türkei mehr Investitionen. Wir müssen mehr ausländische Investoren in die Türkei locken. Weil die nationalen Sparpläne der Türkei nicht genug Möglichkeiten für Wachstum bieten. Es gibt überall auf der Welt, aber insbesondere in Europa ein großes Kapital, das nicht angelegt wird. Wir wollen deutschen Investoren ihre Chancen bei uns aufzeigen.
    Hammer: Es gibt aber auch Probleme, zum Beispiel bei Volkswagen. Die verkaufen sehr viele Autos in der Türkei haben aber keine Fabriken dort. Das wiederum kritisiert die Türkei und erhebt deutliche Zölle. Sieht so ein freier Handel aus?

    Kurtulmus: Das ist mir bewusst. Wenn Sie das allerdings aus der Sicht der Türkei betrachten, dann gibt es auch sehr viele Hindernisse für den freien Handel der Türkei. An erster Stelle betrifft es unsere Textilprodukte. Einen vollkommen liberalen Markt gibt es nirgendwo auf der Welt. Die Türkei wird in diesem Rahmen zum Schutz ihrer Industrie bestimmte Maßnahmen treffen. Aber wenn Sie sich mal insbesondere die letzten 10 Jahre anschauen, hat sich die Türkei, was den freien Handel betrifft, vielleicht sogar zu einem Land mit den liberalsten ökonomischen Strukturen auf der Welt entwickelt.

    Hammer: Wir haben gehört, dass Sie als Nachfolger von Tayyip Erdoğan gehandelt werden. Als Chef der AKP und als künftiger Premierminister.

    Kurtulmus: Wie die Zukunft aussehen wird, das wissen wir nicht, das weiß allein Gott. Ich versuche in der AKP meinen Aufgaben und meiner Verantwortung so gut wie nur möglich gerecht zu werden. Wir wollen unserem Volk dienen. Für die Demokratisierung der Türkei und Reformen. Was die Zukunft bringt, das wird sich zeigen, wenn es so weit ist.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.