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Kurze Röcke, große Sprünge

Sonja Henie revolutionierte den Eiskunstlauf. Sie war die Erste, die Rittberger & Co doppelt sprang und brachte eine ganz neue Dynamik und Anmutung in den Sport. Neben dem Sport war ihr Leben ein bewegtes - und widersprüchiges: Sie tanzte in Berlin und New York, wurde bewundert zwischen nationalsozialistischem Deutschland und Hollywood. Heute vor 100 Jahren wurde sie geboren.

Von Eduard Hoffmann | 08.04.2012
    "Chicago Stadium never had a prettier show, …"Chicagos Sportarena erlebte niemals zuvor eine schönere Show", schwärmte der Stadionsprecher. 22.000 Zuschauer bejubelten dort Ende der 30er Jahre die Revue der norwegischen "Königin des Eises" Sonja Henie.

    1936, nach dem Gewinn ihrer dritten olympischen Goldmedaille, war die ehrgeizige junge Ausnahmeathletin in die USA gegangen und hatte ihre Eisrevue gegründet.

    ""Ich bin Professional geworden in 1936 in Madison Square Garden in New York. Ich habe damals gestartet Hollywood Eisrevue und wir haben ungefähr 250 Leute mitgebracht und das war eine sehr schöne Show, und wir haben da großen success gehabt in Madison Square Garden."

    Leichtfüßig und grazil tanzte sich Sonja Henie in die Herzen der Zuschauer, füllte riesige Stadien und machte das Eiskunstlaufen in den USA populär.

    Am 8. April 1912 in Oslo als Tochter eines wohlhabenden Pelzhändlers geboren, bekam Sonja Henie schon als kleines Mädchen Ballettunterricht und glitt auf Schlittschuhen übers Eis. Die Eltern erkannten ihr Talent, und vor allem der geschäftstüchtige Vater, selbst vor der Jahrhundertwende Rad-Weltmeister, förderte Sonia wie ein heutiger Sportmanager.

    Als Neunjährige gewann sie die norwegische Meisterschaft im Eiskunstlauf, mit elf Jahren startete sie 1924 bei den ersten Olympischen Winterspielen in Chamonix als jüngste Olympiateilnehmerin aller Zeiten. Der Sporthistoriker Karl Lennartz:

    "Weil sie eben so jung war, durfte sie einen kurzen Rock tragen, die anderen Frauen hatten Röcke bis an die Waden, es wurde auch kaum gesprungen, die Sprünge sind damals entstanden, die man heute noch kennt, Rittberger, Salchow und so weiter, aber die wurden einfach gesprungen."

    In Chamonix stürzte Sonja Henie zwar und belegte den letzten Platz, doch ihrer eleganten Grazie und temperamentvollen Ausdruckskraft gehörte die Zukunft. Sie behielt die kurzen Röcke, die ihr eine viel größere Bewegungsfreiheit gewährten, und versuchte als Erste Doppelsprünge. Der bis dahin recht spröden Sportart gab sie eine neue unterhaltsame künstlerische und tänzerische Ausrichtung, die bis heute überdauert hat.

    Zehnmal in Folge wurde Sonia Henie Weltmeisterin. Dreimal gewann sie olympisches Gold: 1928 als 14-jähriger Teenager, 1932 in Lake Placid und 1936 in Garmisch-Partenkirchen, wo sie, den Arm zum Nazigruß erhoben, von Adolf Hitler persönlich auf den Obersalzberg eingeladen wurde. Bis heute ist Sonja Henies Verhältnis zu den Nationalsozialisten nicht eindeutig geklärt. Ihr Biograf Edward Hambro dagegen ist überzeugt:

    Sie hatte keine politischen Sympathien, sie fand es nur toll, dass große Leute sie bewunderten.

    In den USA fanden Henies sorgfältig choreografierte Revuen ein Millionen-Publikum, sogar Charlie Chaplin, Bob Kennedy und Richard Nixon schwärmten für die Eiskunstläuferin. Aber auch in Europa und vor allem in Berlin, wo sie zärtlich "Häseken" genannt wurde, weil sie meist um Ostern im Sportpalast auftrat, feierte man ihre aufwendig inszenierten Shows.

    "Ich habe fantastische Erinnerungen von Berlin, und ich habe eine schöne Zeit gehabt, und die Leute waren immer sehr nett zu mir."

    Zu Hause fühlte sich Sonja Henie aber mehr und mehr in den USA, deren Staatsbürgerschaft sie erlangte, und wo sie 1937 in Hollywood bei "20th Century Fox" einen Fünfjahresvertrag als Schauspielerin erhielt. Alle Filme, in denen sie vor allem als Eistänzerin mitwirkte, wurden Kassenschlager und machten die ehrgeizige Diva, die durchaus auch selbstsüchtig und rücksichtslos sein konnte, zum Superstar und zur mehrfachen Dollar-Millionärin.

    Eine glückliche Frau war Sonja Henie allerdings nicht. Zwei Ehen zerbrachen und in Norwegen blieb sie eine "ferne Göttin, imposant, aber nicht beliebt", wie ihr Landsmann, der Eislaufexperte Sölve Grotmol einmal sagte. Sie selbst gestand später:

    "Ich wäre gern ein Mädchen gewesen, wie andere Mädchen in Norwegen auch. Dann hätte ich heute vielleicht Kinder und wäre eine glückliche, zufriedene Frau. Aber der Sport hat mir keine Zeit gelassen, Mädchen und Frau zu sein."

    1969 starb Sonja Henie 57-jährig auf dem Flug von Paris nach Oslo an Leukämie.