Freitag, 29. März 2024

Archiv

Kylie Minogue über Karriere, Liebe und Glück
"Ich könnte nie darauf verzichten zu singen"

Kylie Minogue hat 70 Millionen Tonträger verkauft und alles erreicht, was eine Showbiz-Karriere zu bieten hat. Doch oft habe sie das Gefühl, sich im Kreis zu bewegen, sagte sie im Dlf. Vielleicht geht auch gerade deshalb ihr neues Album "Golden" musikalisch in eine ganz andere Richtung.

Kylie Minogue im Corsogespräch mit Marcel Anders | 31.03.2018
    Kylie Minogue sitzt auf einem alten Sofa und rechts von liegt eine typische Country Gitarre
    "Es ist ein bisschen so, als wenn man vor dem Altar der Musik steht": Kylie Minogue hat in Nashville aufgenommen (© Darenote Ltd)
    Marcel Anders: Frau Minogue, was ist das für ein Gefühl, so lange in einer Branche aktiv zu sein, die Jugend und Schönheit glorifiziert? Fühlen Sie sich nicht manchmal wahnsinnig alt?
    Kylie Minogue: Ich bin wirklich schon lange dabei. Aber was das Aufnehmen von Songs und Alben betrifft, fühlt sich das immer noch wie eine Herausforderung an – wie etwas Frisches. Auch, wenn da natürlich ein Teil von mir ist, der denkt: "Bin ich wirklich schon so lange dabei?" Dann komme ich mir tatsächlich wahnsinnig alt vor.
    "Ich war noch nie in Nashville"
    Anders: Ihr neues Album "Golden" ist in Nashville entstanden. Was haben Sie im Country-Mekka gesucht – welchen Einfluss hat der Ort auf Ihre Musik?
    Minogue: Ich war noch nie in Nashville. Und als es an die Planung des Albums ging, meinte mein Manager, ob ich nicht Lust hätte, mit Produzenten zu arbeiten, die im Süden der USA angesiedelt sind. Da hieß es: "Schau doch mal, ob du nicht ein Country-Element in deine Musik einfließen lassen kannst – das tut dir bestimmt gut." Und ich habe mich zwar darauf eingelassen, wusste aber nicht so recht, was das eigentlich heißen sollte. Bis ich mit diesen großartigen Musikern im Studio war, die meine Songs ganz anders umgesetzt haben als in der Vergangenheit – also viel bodenständiger und erdiger. Wodurch sie tatsächlich in eine andere Welt vorgestoßen sind. Das gilt auch für die Texte, die ich viel direkter aufbauen und singen konnte.
    Trotzdem klingt das Ganze immer noch nach einem Kylie-Album. Auch, wenn es eine Herausforderung war. Ich habe lange gebraucht, um mich damit anzufreunden. Aber nachdem wir diesen Hybrid gefunden hatten, machte er schon Sinn für mich.
    Anders: Wie hat Ihnen die Stadt gefallen? Haben Sie sich auch mal unters Volk gemischt?
    Minogue: Das habe ich. Ich war im "Bluebird Café" und im "Listening Room", die umwerfend waren. Ich war einfach Teil des Publikums, das ja völlig gemischt ist und es sichtlich genießt, all den Songwritern und ihren Stücken zuzuhören. Es ist ein bisschen so, als wenn man vor dem Altar der Musik steht – in der Kirche der Songs. Insofern war es toll. Aber halt ganz anders, als ich es mir vorgestellt hätte. Ich dachte, es wäre wie New Orleans - mit einer Hauptstraße und diesen niedrigen, leicht heruntergekommenen Holzgebäuden. Doch damit hat Nashville nichts zu tun. Es ist eine moderne, kosmopolitische Stadt - und sehr musikbetont.
    "Alles rausgelassen, was sich angestaut hatte"
    Anders: Könnten Sie sich vorstellen, dort aufzutreten – wäre das eine Herausforderung für Sie?
    Minogue: Das wäre cool. Und als ich in diesen Clubs war, musste ich mich ziemlich zusammenreißen. Denn wenn ich irgendwo im Publikum sitze, fühlt sich das seltsam an. Dann sagt etwas in mir: "Du musst unbedingt auf die Bühne!" Und eine andere Stimme hält dagegen: "Halt' einfach die Klappe! Setz' dich hin und genieße es!"
    Aber in Nashville konnte ich gar nicht anders, als zu denken: "Ob ich wohl irgendwann zurückkomme und selbst so etwas mache? Also ob ich mich hinstelle und darüber rede, was es heißt, an diesem Ort zu sein - oder was es mit den Stücken auf sich hat?"
    Anders: Wobei die Texte des Albums sehr persönlich und teilweise sehr intim wirken. In dem Sinne, dass Sie offen mit Ihrer letzten Beziehung abrechnen. Wie therapeutisch ist "Golden" für Sie? Inwieweit lassen sie hier partnerschaftlichen Dampf ab?
    Minogue: Na ja, in der ersten Phase des Songwritings habe ich alles rausgelassen, was sich in meinem System angestaut hatte. Und das bedeutete leider, dass die Songs nicht wirklich toll waren. Ich denke, ich war so versessen darauf, dieses unschöne Ende meiner letzten Beziehung in Worte zu fassen, dass ich nicht genug Distanz hatte, um wirklich gute Songs daraus zu machen.
    Aber: Im Nachhinein war es auch nicht schlimm, das alles rauszulassen, sein Selbstwertgefühl zu erneuern und sich wieder stark zu fühlen – ohne die Verbindung zu den ursprünglichen Gefühlen zu verlieren. Ich meine, ich kann hier nur für mich sprechen, aber gleichzeitig ist es auch ein universelles Thema. Nämlich: Warum verändern wir uns in einer Beziehung? Wonach suchen wir? Warum halten wir etwas für richtig, wenn es offensichtlich falsch ist? Dieselben alten Fragen.
    Der erste Rausch von Liebe
    Anders: Das Lustige ist ja, dass man als Mensch noch so erfahren sein kann: Geht es um Liebe, werden wir immer wieder zu unbeholfenen Teenagern.
    Minogue: Das ist das Beste! Eben dieser erste Rausch von Liebe. Der ist unglaublich! Genau wie die unterschiedlichen Level von Verständnis und tieferer Liebe. Ich weiß, dass mich die Leute gerne als Versagerin darstellen, was das betrifft. Aber vielleicht ist es einfach mein Schicksal, "den einen" zu finden. Auf dem lastet ja auch eine Menge Druck. Und ein Teil von mir denkt: "Vielleicht ist er irgendwo da draußen?" Aber ein anderer sagt: "Vielleicht auch nicht." Vielleicht ist das nicht für jeden.
    Anders: Das klingt, als wären Sie verflucht. Als könnte man unmöglich alles haben: Reichtum, Schönheit und Glück?
    Minogue: Ich denke nicht, dass es jemanden gibt, der wirklich alles hat. Denn wenn es so wäre: Was würde dich dann noch antreiben? Und: Wie wolltest du eine Beziehung zu anderen Menschen aufbauen? Du würdest ja auf Wolke 7 schweben – und irgendetwas unterdrücken.
    Denn: Es gibt kein Glück ohne Trauer. Und du erreichst immer wieder den Punkt, an dem du dich fragst: "Kann ich das alles noch einmal durchlaufen?" Und das kann ich ganz bestimmt, ohne Zweifel. Es werden andere Höhen und Tiefen sein und eine andere Form von Drama – aber das gehört zum Leben. Ich denke nicht, dass es Liebe ohne Komplikationen gibt. Man muss sie nur handhaben können.
    Anders: Hand aufs Herz: Würden Sie Ihre Karriere je für Familie und Kinder aufgeben? Haben Sie sich das je gefragt?
    Minogue: Natürlich gab es Momente, in denen ich gedacht habe: "Ich bewege mich im Kreis. Ich werde nie tun, was alle diese Menschen tun, die so wahnsinnig glücklich aussehen." Nur: Man weiß ja nie, was hinter der Fassade steckt. Also wie die Realität aussieht. Wir verstecken uns alle gerne hinter einer Maske.
    Aber die Frage ist berechtigt: Würde ich alles aufgeben? Ich weiß es nicht. Meine Musik und meine Shows sind so ein großer Teil von mir, dass ich mir nicht vorstellen könnte, darauf zu verzichten. Während ich sehr wohl weiß, was es heißt, keinen Partner zu haben. Das ist okay. Es hat Vor- und Nachteile in einer Beziehung zu sein – oder eben nicht. Aber: Ich könnte nie darauf verzichten, zu singen und auf unterschiedliche Weise kreativ zu sein.
    Eine Großmutter, die den Mächtigen die Leviten liest
    Anders: Sie waren nie eine politische Künstlerin und haben sich nie kritisch zum Zeitgeschehen geäußert – dabei haben sie bestimmt eine Meinung dazu. Wie sehen Sie die heutige Welt und was würden Sie ändern, wenn Sie denn könnten?
    Minogue: Ich sage oft zum Spaß, dass die Mächtigen dieser Welt im Grunde so etwas wie eine Großmutter bräuchten, die ihnen die Leviten liest. Wenn sie um ihren großen Konferenztisch sitzen, müsste eine Omi mit einem Servierwagen auftauchen und fragen: "Tee? Kaffee? Vielleicht noch einen Keks dazu? Hier, bitteschön – und jetzt redet gefälligst vernünftig miteinander." Nicht, dass das je passieren wird, aber es ist eine lustige Vorstellung, dass die Mächtigen der Welt unsere Probleme bei einer guten Tasse Tee lösen.
    Und was ich selbst tun würde? Ich schätze, ich würde weiter beten, wie bisher. Eben dass es mehr Liebe und guten Willen auf der Welt gibt. Ich hasse es, wie ein Klischee zu klingen, aber das ist es, was wir alle wollen. Und es ist nicht leicht zu begreifen, was in der heutigen Welt passiert. Ich hasse es, die Nachrichten einzuschalten.
    Große Party zum 50sten
    Anders: Was halten Sie von der #MeToo-Bewegung? Was kann sie bewirken und verändern?
    Minogue: Ich finde es toll, dass Frauen eine sichere Plattform haben, auf der sie vor Schikanen und Beleidigungen sicher sind. Und ich habe zum Glück nie etwas in der Art erlebt. Aber diese Bewegung hat schon dafür gesorgt, dass ich mir sage: Hätte ich so etwas mitgemacht, würde mich das, was da gerade passiert, wahnsinnig aufbauen. Nach dem Motto: Es hätte zwar nie so weit kommen dürfen, aber lasst uns versuchen, das zu klären. Und es sind Männer wie Frauen, die die Kraft finden, das zu sagen.
    Anders: Zum Schluss müssen Sie uns noch verraten, wie Sie Ihren 50. Geburtstag begehen. Wird es eine große Party?
    Minogue: Das ist der Plan. Was für mich sehr ungewöhnlich ist. Normalerweise feiere ich nicht groß. Und damit treibe ich meine Freundinnen zur Verzweiflung. Wenn sie sagen: "Dein Geburtstag steht an – lass' uns was planen", ist meine Reaktion meistens: "Können wir nicht einfach in ein nettes Restaurant gehen?" Nur: Dieses Jahr werde ich es wohl nicht verhindern können. Ich werde eine richtig große Party in London schmeißen.
    Anders: In bester Elton-John-Manier?
    Minogue: Eher nicht. Ich weiß nicht, ob ich mit Elton konkurrieren könnte und als Ludwig XIV in einem LKW vorfahre. Ich backe eher kleinere Brötchen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.