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''l re pastore''

Wird der Vordere Orient militärisch aufgemischt und politisch neu geordnet, stürzen Diktatoren, werden die vakanten Throne neu und mit befreundeten Führungskräften besetzt. Das war schon zu Zeiten des großen Alexanders so – vor unserer Zeitrechnung anno 333 - bei Issus Keilerei etc.

Frieder Reininghaus berichtet |
    In Mozarts Opera seria vom Schäfer, der zum König erhoben wird und auch als Monarch ein guter Hirte zu bleiben verspricht, schiebt sich der mazedonische Imperator wie eine Wolke vors Angesicht der ansonsten so rokokös heiteren Musik. Alexander, der soeben Sidon eroberte, schickt vokaliter bedrohliche Blitze "su l'arido terren" – auf die trockene Erde, die er und seine Truppen heimsuchten. Dem Tenor Bruce Ford, der an der Brüsseler Muntschouwburg die Partie des Militärmachthabers bestreitet, traut man glatt zu, dass er den Gordischen Knoten mit der Kraft der bloßen Hände in einem Ruck auseinander genommen hätte.

    Alexander der Große wünscht, dass nach der gewaltsamen Vertreibung des Diktators an der Küste der Levante der Sohn des legitimen früheren Königs das Szepter ergreife. Der aber lebt als Schäfer in friedlicher Idylle und pflegt der Liebe zu seiner Elisa. Es bedarf erheblicher Überredungskünste, um ihn für die hohe Aufgabe zu motivieren. Als er aber hört, er müsse von der liebreizenden Elisa lassen um der von der Supermacht geopolitisch erwünschten Verbindung mit Prinzessin Tamiri willen, da beschließt er, doch lieber wieder Schäfer zu spielen. Bleibt dem herzensguten Alexander also nichts anderes übrig, als dieser Tamiri und dem von ihr wahrhaft geliebten Intriganten Agenore auch noch Throne frei zu räumen.

    Pietro Metastasios monarchenhuldigendes Libretto war, als Mozart es auf Ordre seines Salzburger Fürsterzbischofs in Musik setzte, bereits ein Viertel Jahrhundert alt und nicht mehr wirklich frisch. Dennoch gelang dem 19jährigen Komponisten eine bemerkenswert muntere sprudelnde Musik, die die flämische Beethoven Academie unter Leitung von Alessandro De Marchi quirlig und facettenreich durchgestaltet. Raffaella Milanesi, die in Brüssel soeben als Antigona triumphierte, leuchtet die feinen Seelenschwankungen von Prinzessin Tamiri mit anrührender Stimme aus.

    Aber auch Annette Dasch und Isabel Bayrakdarian brillieren mit glockenreinen Sopranstimmen und sorgen für das absolute Spitzenniveau der Aufführung, die ein entschiedenes Plädoyer für dieses unbekannte und vernachlässigte Mozart-Werk darstellt.

    Vincent Boussard hat "Il re pastore" vollständig angemessen in Szene gesetzt – wie schon bei der Uraufführung 1775 ohne allen barocken Bilder- und Maschinen-Aufwand: ganz einfach vor dem altgolden glänzenden Eisernen Vorhang. Der wurde auf Genickhöhe der Sänger angehoben. Dadurch lässt sich der Unterschied zwischen nah und fern, drinnen und draußen ausspielen. In einer erhöhten Türluke, zu erreichen über eine extra unbequeme Leiter, hat der Schäfer Aminta seinen Landsitz; der Imperator sinniert, regiert und wirft seinen Schatten von der seitwärtigen Loge aus (jener, die der des belgischen Königs genau gegenüberliegt). So gelingt ein wunderbar anmutiges Spiel. Perfekt. Und damit am Ende das Glück der Liebe um so heller strahle, muss diese zwischenzeitlich von der Macht des Schicksals gebührend angefochten werden: "Barbaro! oh Dio!"

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