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Labor in der Westentasche

Medizin.- Für die Diagnose von Krankheitserregern wie Bakterien oder Viren würden sich viele Ärzte ein "Labor in der Westentasche" wünschen, das vor Ort innerhalb kurzer Zeit das Blut ihres Patienten analysieren kann. Das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig kommt diesem Ziel nun einen Schritt näher.

Von Viola Simank | 09.02.2010
    Ein schwerkranker Patient ist frisch operiert worden. Plötzlich bekommt er hohes Fieber und sein Blutdruck fällt stark ab - Symptome einer Blutvergiftung. Sie wird durch Bakterien, Viren oder auch Pilze verursacht, die über eine Wunde in die Blutbahn eingedrungen sind. Doch um die richtige Behandlung einzuleiten, muss der Arzt den entsprechenden Erreger kennen. Bisher dauert die dazu nötige Blutuntersuchung mindestens einen Tag – eigentlich zu lange, sagt Bernhard Faber vom Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig:

    "Und hier muss ich sehr viel schneller als ich das heute kann wissen, welcher Erreger ist das, welche Resistenzen gibt es dagegen. Und dafür eignet sich unser System, weil es schneller sein wird als alles was es sonst gibt und weil es spezifisch genug ist, um zu sagen, aus den 20 möglichen Erregern ist es der, wir können sagen, ist es ein Bakterium oder vielleicht eine Pilzinfektion"

    Die Leipziger Forscher arbeiten an einem portablen Minilabor, dass das Blut innerhalb einer Stunde analysieren soll. Es besteht aus einer scheckkartengroßen Platte, auf der eine winzige Menge Blut aufgebracht wird. Diese Platte wird dann in ein laptopgroßes Analysegerät gesteckt, mit dessen Hilfe die Krankheitserreger identifiziert werden können. Die entscheidende neue Idee der Wissenschaftler ist dabei die Nutzung von winzigen magnetischen Partikeln.

    "Die sind wenige Mikrometer groß und die kann man nicht nur herstellen, sondern die kann man schon biochemisch funktionalisieren. Also ich kann an so ein winzig kleines Partikelchen ein Biomolekül drankleben und zwar ein ganz spezifisches, das nur beispielsweise an DNA aus einem bestimmten Bakterium bindet und sonst an gar nichts."

    Die Partikel dienen damit als Fängermoleküle, um aus dem Blut des Patienten das Erbgut der krankmachenden Bakterien herauszufischen. Um das Erbgut aber richtig zu identifizieren, muss es aufgearbeitet werden. Dafür durchläuft es auf der scheckkartengroßen Platte verschiedene Stationen. Diese bestehen aus winzigen Mulden, die mit einer speziellen Flüssigkeit gefüllt sind. Die magnetischen Partikel, an denen das Erbgut der Bakterien klebt, werden dabei mithilfe von Magnetkraft von Mulde zu Mulde transportiert, erklärt der Biochemiker Wilhelm Gerdes:

    "Sie müssen sich das ungefähr so vorstellen, als ob sie unterhalb einer Tischplatte einen Magneten haben und oberhalb der Tischplatte einen Magneten haben, und die Tischplatte selber, darauf läuft eine kleine Kugel. Und durch die beiden Magneten schieben sie sie immer hin und her, das können wir alle. Wir können aber diese Magnetkugel von der Tischplatte abheben und sie in der Schwebe halten, sie ein Stück weiter transportieren, dann den oberen Magneten wieder lösen, so dass der Partikel wieder runterfällt in einen anderen Topf mit einer anderen Flüssigkeit."

    Das aufgearbeitete Erbgut landet am Ende auf einem Biochip, der dann den Krankheitserreger identifiziert. Im großen Labor-Maßstab funktionieren diese einzelnen Analyseschritte. Eine der größten Herausforderungen ist jedoch noch deren Miniaturisierung. Denn hier sind winzigste Flüssigkeitsmengen gefragt – ein Bruchteil eines Milliliters Blut soll zur Analyse reichen:

    "Sie müssen natürlich versuchen, auch möglichst viele Erreger aus dem Blut zu isolieren, um nachher ihre Analyse zu machen. Wenn sie sich vorstellen, wir haben im menschlichen Körper sechs bis acht Liter Blut und aus diesem Kreislauf dann die spezifischen Erreger rauszufinden und wenn sie nur zehn Mikroliter abnehmen würden, dann würden sie sicher nicht dieses Bakterium finden. Also müssen sie hingehen und eine größere Menge abnehmen, diese runterreduzieren, aufreinigen, dass sie spezifische Bakterien haben, die sie dann erst auf die Platte geben."

    In der Praxis wird dem Patienten also erst ein kleines Röhrchen Blut abgenommen, dass in einem eigens dafür entwickelten Modul auf wenige Mikroliter reduziert wird. Erst dann wird es auf die Platte gegeben und die Analyse beginnt.

    Bis all das reibungslos funktioniert, wird es noch einige Zeit dauern. Die einzelnen Komponenten müssen jetzt zusammengebracht und in ein Gerät integriert werden. Das Projekt hat Aussichten auf eine millionenschwere Förderung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Voraussichtlich in drei Jahren wird dann ein erster kostengünstiger Prototyp verfügbar sein.