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Laborfleisch
Steaks aus Stammzellen

Burger, Steaks und Co aus dem Labor? Die ersten Versuche gibt es bereits seit einigen Jahren. Mittlerweile sind Forscher dem Ziel, Fleisch künstlich zu züchten, näher gekommen. Was erst einmal wenig appetitanregend klingt, könnte globale Ernährungsprobleme lösen - auch das der Massentierhaltung.

Von Michael Stang | 23.01.2019
    Der Startup-Gründer Didier Toubia hält eine Petrischale und ein Teller mit einem Steak in seinen Händen.
    Das israelische Startup AlephFarms will in drei Jahren seine ersten Laborfleisch-Produkte auf dem Markt bringen (picture alliance / Ilia Yechimovich)
    Rund 20 Autominuten außerhalb von Tel Aviv erhebt sich eines der für Israel typischen Gewerbegebiete. In jeder Etage der schmucklosen Bauten tummeln sich junge Firmen, die schnell wachsen und viel Geld verdienen wollen. Zu ihnen gehört auch SuperMeat.
    "Wir bieten eine alternative Methode zur herkömmlichen Tierzucht und Schlachtung. Wir produzieren auch Fleisch, aus demselben Rohmaterial."
    "Ein Hühnchen könnte die Welt ernähren"
    Ido Savier und seine Kollegen arbeiten mit Geflügelstammzellen. Ihr Ziel ist, in den kommenden drei bis fünf Jahren beliebig viel Enten- und Hühnerfleisch zu produzieren. Dazu benötigen sie im Prinzip nur ein einziges Mal Stammzellen eines Vogels.
    "Wir verfügen über eine Ziellinie, die praktisch die Grundlage für all unsere Produkte bildet. Man könnte theoretisch auch sagen: Ein Hühnchen könnte die Welt ernähren."
    Bis dahin wird es aber noch eine ganze Weile dauern. Denn Fleisch besteht aus Muskeln, Bindegewebe und Fett. Und verschiedene Zelltypen so zu kultivieren, dass sie eine gewünschte dreidimensionale Struktur einnehmen, das sei heute eine noch zu große Herausforderung, so Ido Savier, seines Zeichens übrigens Veganer.
    "Daher arbeiten wir erst einmal an einer Lösung, die uns erlaubt, Firmen zu beliefern, die Produkte aus verarbeitetem Fleisch herstellen, also Würste, Pasteten oder Fleischbällchen."
    Fleisch produzieren - ohne Tierqual
    Dass sie offenbar auf einem guten Weg sind, belegt ihre finanzielle Situation. Mittlerweile sind drei namhafte Firmen mit Millionenbeträgen als Investoren eingestiegen, darunter auch das unter dem Namen Wiesenhof bekannte deutsche Geflügelfleischunternehmen PHW.
    Nur einen Flur hinter Supermeat befindet sich ein weiteres Startup, das sich mit künstlich erzeugtem Fleisch beschäftigt. Neta Lavonn von AlephFarms forscht auch an Zellkulturen - allerdings nicht an Geflügel, sondern an Holstein-Rindern. Im Labor zeigt sie auf zwei Schränke.
    "Hier, in diesen Inkubatoren, befinden sich unsere beiden Kühe. Dort wachsen also die Rinderzellen, fast so wie im lebenden Tier."
    Seit gut einem Jahr arbeiten sie zu zehnt hier und füttern die Zellen mit einem speziellen Gemisch, das mittlerweile sogar ohne die Nährflüssigkeit Kälberserum auskommt, das aus dem Blut von Rinderfetten gewonnen wird. Das war bisher der Knackpunkt. Jetzt können sie, ähnlich wie Konkurrenz vom anderen Flur, theoretisch Fleisch heranwachsen lassen, ohne permanent auf lebende Tiere zurückgreifen zu müssen.
    "Die Zellen schwimmen in einer Lösung, in der sich Zucker, Fett, Mineralien und so weiter befinden, also Komponenten, die auch im Blut schwimmen".
    USA will In-Vitro-Fleischproduktion voranbringen
    Neta Lavon, eigenen Angaben zufolge Flexitarierin, öffnet einen der Inkubatoren und holt eine durchsichtige Plastikschachtel heraus. Darin schwimmen in einer hellroten Flüssigkeit die Rinderzellen. Die Wissenschaftlerin legt die Box unter ein Mikroskop.
    Die Zellen, einen ganzer Haufen, kann man deutlich erkennen. Bis hier bei Alephfarms aber wirklich Steaks auf Bestellung wachsen, werde es noch mindestens drei Jahre dauern.
    Neben den wissenschaftlichen Hürden konnten die beiden Firmen ein politisches Hindernis kürzlich überwinden, und zwar eines im US-Markt, der für die Lebensmittelindustrie besonders wichtig ist. In einer gemeinsamen Erklärung teilten das US-Landwirtschaftsministerium und die Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA im November mit, dass sie gemeinsam den Bereich der In-vitro-Fleisch-Produktion politisch voranbringen sollen.