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Lack in Hochform

Chemie. - Pulverlacke gelten als besonders umweltfreundlich: Sie enthalten keine Lösungsmittel, bei der Verarbeitung kommt man ebenfalls ohne aus. In Dresden wird derzeit eine neue Variante von Pulverlack entwickelt, der auch nach dem Aufbringen noch flexibel formbar ist. Der Vorteil: Mit diesem Lack kann man ein Bauteil erst lackieren und dann in seine endgültige Form bringen.

Von Uta Bilow |
    Das Technikum des Instituts für Polymerforschung in Dresden ist turnhallengroß. Dicht an dicht stehen hier die Maschinen, die Luft riecht nach heißem Kunststoff. Der Chemiker Matthias Edelmann steht vor einem Extruder, einer Art großem Fleischwolf mit eingebauter Heizung, aus dem mit hoher Geschwindigkeit eine weiße Wurst heraus quillt.

    "Sie sehen jetzt hier den Einschneckenextruder. Mit dem stellen wir unseren Pulverlack her. Hier oben sehen Sie die Dosiereinheit. In dieser Dosiereinheit wird das vorgemischte Pulver dann in diesen Trichter hineingefüllt. Dort wird das Pulver auf 100 Grad Celsius aufgewärmt und durch die Schnecke nach vorne befördert. Und am Ende des Extruders kommt der Pulverlack als weiße Wurst heraus. "

    Diese weiße Wurst lässt Matthias Edelmann zunächst zu einem Granulat zerkrümeln und dann in einer Spezialmühle fein mahlen: Erst dann sind alle Bestandteile innig miteinander vermischt, und der Pulverlack ist fertig. Das weiße Pulver hat es in sich. Denn es könnte die Beschichtungstechnik revolutionieren. Michaela Gedan-Smolka:

    " Das Pulverlacksystem ist sehr flexibel und dehnfähig, so dass damit beschichtete Aluminium-Substrate dann mit komplexen Umformoperationen durch Tiefziehen umgeformt werden können."

    Eine bestechende Idee: den herkömmlichen technologischen Ablauf umkehren. Die Dresdner Forscher können mit ihrem Pulverlack flache Aluminiumbleche beschichten und diese anschließend zu einem dreidimensionalen Bauteil formen. Ob scharfe Knicke oder weiche Rundungen: Der Lack macht alle Verformungen mit. Das spart gegenüber dem gewöhnlichen Vorgehen - also erst formen, dann lackieren - Kosten, Chemikalien und Zeit.

    Bis die Rezeptur für den neuartigen Lack gefunden war, mussten die Polymerforscher mehrere Hürden nehmen. Denn Pulverlack ist ein trockenes Pulver, das nach dem Auftragen quasi eingebrannt wird. Das geschieht bei Temperaturen von fast zweihundert Grad Celsius. Ein Problem in Bezug auf Aluminium. Denn:

    " Aluminium fängt bei Temperaturen oberhalb 150 Grad an, stark zu verspröden beziehungsweise sich zu verfestigen."

    Brennen die Forscher die Lackschicht auf dem Aluminiumblech bei 200 Grad ein, ist das Blech anschließend nicht mehr verformbar. Oberstes Entwicklungsziel war also, die Einbrenntemperatur zu senken. Die hängt wiederum von der Zusammensetzung des Pulvers ab, wie Matthias Edelmann weiß.

    " Wir haben Polyurethan-Pulverlacke entwickelt, und Polyurethan-Pulverlacke bestehen aus Bindemittel, Polyester und Uretdion-Härtern. "

    Und genau diese Härter sind das Problem. Denn sie sind sehr reaktiv, bei leichtem Erwärmen fangen sie schon an, chemische Bindungen zu knüpfen. Den Mischvorgang im Schneckenextruder und die dort herrschenden einhundert Grad Celsius überstehen sie nur unbeschadet, wenn man sie vorher blockiert, in eine Art Schutzhaft nimmt. Später freilich muss die Blockade wieder gelöst werden, damit der Pulverlack auf dem Werkstück eingebrannt werden kann. Bislang waren dazu deutlich mehr als einhundertfünfzig Grad Celsius nötig - zuviel für Aluminium. Die Dresdner Forscher konnten diese Temperatur deutlich herabsetzen.

    " Wir haben dafür ein neues Katalysatorsystem entwickelt, das eine Absenkung der Einbrenntemperaturen von 190 Grad Celsius auf 120 Grad ermöglicht."

    Die ökonomischen Vorteile des umformstabilen Pulverlacks, den die Polymerforscher gemeinsam mit verschiedenen Partnern entwickelt haben, liegen auf der Hand. Zudem gelten ab dem Jahr 2007 noch strengere Vorgaben für den Umgang mit lösungsmittelhaltigen Lacken. Das Produkt aus Dresden ist deshalb sehr gefragt. In den kommenden Wochen wollen die Forscher den Lack auf Motorradschutzblechen erproben. Außerdem stehen Tests an einer Limousine an; aus den mit Pulverlack vorbeschichteten Blechen soll die Heckklappe entstehen.