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Länger und ergiebiger

Meteorologie. - Der Klimawandel könnte die Verteilung des Regens in Europa verändern. Bonner Meteorologen haben Niederschlagsmessungen der vergangenen 60 Jahre ausgewertet: Es regnet immer länger und ergiebiger am Stück, doch die Zahl der Regenperioden wird geringer.

Von Volker Mrasek |
    Die Daten von 700 Messstellen in ganz Europa wertete die Bonner Arbeitsgruppe für ihre neue Studie aus. Es sind Stationen, die schon seit mindestens 1950 die Niederschlagsmenge aufzeichnen. Die russische Physikerin Olga Zolina, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Meteorologischen Institut der Universität Bonn:

    "Das Messnetz reicht von Portugal im Westen bis zum Ural im Osten. Und von Skandinavien im Norden bis nach Italien im Süden."

    In den Daten der letzten 60 Jahre erkennen die Forscher in der Tat einen Trend: In Nord- und Mitteleuropa – und damit auch in Deutschland – regnet es immer mehr am Stück. Die Nässeperioden werden länger und einzelne Regentage seltener. Clemens Simmer, Professor für Meteorologie in Bonn:

    "Insgesamt hat die Zahl der Tage, an denen es regnet, sich kaum verändert. Aber es hat hauptsächlich eine Verschiebung gegeben von einzelnen Tagen in größere Perioden. Die Regentage gruppieren sich mehr. Eine Tendenz weg von diesem einzelnen Gewitter, das wahnsinnig was bringt an einem Tag, doch mehr zu den längeren Perioden."

    Nach den Zahlen der Studie sind die Nässeperioden in Nord- und Mitteleuropa inzwischen 15 bis 20 Prozent länger, als sie es noch 1950 waren. Im Jahresverlauf haben wir heute drei Tage Dauerregen mehr. Und noch etwas ist Olga Zolina und ihren Kollegen bei der Auswertung der Daten aufgefallen:

    "Wir haben auch die Intensität der Niederschläge untersucht. Und herausgefunden, daß sie stärker geworden sind während der langen Nässeperioden und schwächer an einzelnen Regentagen."

    Über den Grund für diese Entwicklung kann Meteorologe Simmer im Moment nur spekulieren. Der Trend zu mehr Dauerniederschlag zeigt sich vor allem im Winter, wenn heraufziehende Tiefdruck-Ausläufer Regen mit sich bringen.

    "Das könnte mit einer Intensivierung dieser Tiefdruckzone zu tun haben. Daß wir also einfach mehr Tiefs hintereinander durchgehen haben. Das heißt also, wenn es dann mal regnet, ein Tief nach dem anderen rauscht durch – daß da möglicherweise eine Tendenz ist, daß es dort eine Verstärkung gibt. Das könnte das erklären. Aber das müssten wir noch untersuchen."

    In Skandinavien kann es schon mal sieben Tage am Stück regnen, in Deutschland vier oder fünf. Sollte sich der Trend fortsetzen und die Nässephasen noch ausgedehnter werden, steigt die Wahrscheinlichkeit für Überschwemmungen, wie die Bonner Forscher vermuten:

    "Wenn an einem Tag ein ordentlicher Regen runtergeht, dann gibt es keine Überschwemmung. Der Boden kann das zum Teil noch aufnehmen. Wenn dann wieder zwei, drei Tage frei sind, wo es nicht regnet, führt das eben nicht zur Überschwemmung. Wenn ich aber zwei Tage, drei Tage, vier Tage hintereinander immer ein bisschen Regen habe – der Boden ist dann irgendwann nass. Und dann geht einfach der Regen sozusagen sofort in den Abfluss. Und dann kann es schon, mit weniger Niederschlag sogar, eher zu einer Überschwemmung führen."

    Kritisch könnte es aus Simmers Sicht auch für die Landwirtschaft werden:

    "Wir können da gut, gerade in der Erntezeit, mit - ab und zu mal - einem Schauer leben. Aber wenn die Perioden länger werden, könnte das auch Probleme bereiten."

    Im Moment sind das aber nur Vermutungen. Die Bonner Arbeitsgruppe setzt ihre Studien deshalb fort. Sie will die Dauerregen-Daten in Computermodelle des Wasserkreislaufs einspeisen, um so das Überschwemmungsrisiko besser abschätzen zu können. Außerdem soll es eine genauere Untersuchung zur Verteilung der Regentage speziell für Deutschland geben. Simmer:

    "Diese Analyse hat es bis jetzt nicht gegeben, nach diesen zusammenhängenden Ereignissen. Ist eigentlich komisch. Man fragt sich: Warum?"