Archiv


Lärm erhöht das Herzinfarkt-Risiko

Die Gesellschaft wird immer mobiler und deshalb wird der Verkehr immer mehr zu einem Umweltproblem - technischen Verbesserungen und Vorkehrungen zum Trotz. Vor einer Woche teilte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mit, der Verkehr sei der einzige Sektor, dessen Emission von Kohlendioxid seit 1990 immer weiter ansteigt. Autos, Flugzeuge und Bahnen stießen inzwischen rund 20 Prozent mehr Kohlendioxid aus als im Jahr 1990. Ähnliches gilt für den Lärm - die einzelnen Autos, Flugzeuge und Bahnen werden immer leiser, doch weil es immer mehr davon gibt, wird der Verkehr trotzdem lauter. Dabei ist Verkehrslärm gesundheitsschädlich, dafür gibt es jetzt neue Belege: Starker Verkehrslärm über längere Zeit steigert das Herzinfarktrisiko. Dies hat eine Untersuchung des Umweltbundesamtes ergeben.

Von William Vorsatz |
    Typischer Berliner Straßenlärm. Hier besonders laut, woanders wieder erträglicher. Die Metropole hat schon seit einigen Jahren einen besonderen Atlas, die so genannte Lärmkarte. Dort steht, wie laut der Straßenlärm wo in der Stadt ist. Eine wertvolle Hilfe für die Wissenschaftler. Wolfgang Babisch vom Umweltbundesamt:

    In der Lärmkarte des Berliner Senats sind Emissionspegel angegeben, die sich außerhalb der Gebäude auf die Fassadenflächen beziehen. Und wir haben dann die Abstände der Wohnungen zu den Straßen ermittelt und genaue Schallpegel vor dem Fenster der Probanden berechnet.

    Die Berliner Charite hat dann mehr als 4000 Patienten aus 32 Kliniken befragt. Ein Teil hatte bereits einen Herzinfarkt, die Kontrollgruppe litt unter anderen Krankheiten. Die Forscher wollten wissen, wie lange welche Patienten wo gewohnt haben. Dann ordneten sie diesen Angaben mit Hilfe des Atlas die durchschnittliche Lärmbelästigung zu:

    Also wir haben festgestellt, dass das Herzinfarktrisiko bei Männern, muss ich hinzufügen, mit steigender Lärmbelastung ansteigt. Die Probanden, bei denen der Schallpegel tagsüber über 65 db lag, da können wir sagen, dass das Risiko für die Männer, an solchen Straßen gegenüber leise Wohnenden mit Schallpegeln unter 60 db um ca. 30 Prozent erhöht war. Und dies ließ sich statistisch signifikant nachweisen, in den Teilkollektiv, dass schon lange nicht umgezogen war. Was auch plausibel ist, denn wenn der Lärm Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt, dann sicherlich erst nach längeren Jahren der Einwirkzeit.

    Warum Frauen von diesem erhöhten Risiko nicht betroffen sind, ist noch unklar. Möglicherweise spielen hormonelle Einflüsse eine Rolle. Besonders stark beeinträchtigt Lärm in den Ruhezeiten die Gesundheit, also in den Abend- und Nachtstunden.
    Wolfgang Babisch:

    Die besten Maßnahmen zur Verminderung der Lärmbelastung sind natürlich in der Vermeidung des Verkehrs zu sehen. Das muss ich hier auch ganz klar zum Ausdruck bringen. Dazu gehören Verkehrsverlagerungen, Lärmminderungen an der Quelle, insbesondere das Fahrbahngeräusch in Verbindung mit den Reifen, auch weitere Verminderung am Auspuff und Schalldämpfersystemen der Fahrzeuge sind natürlich günstig.

    Beim Neubauten von Straßen und Gebäuden müssen die Forschungsergebnisse in der Raumplanung konsequent berücksichtigt werden.

    Aber wir wissen alle, in den gewachsenen Städten kann man die Baustrukturen nicht verändern, und da gibt es neben diesen Minderungsmaßnahmen wie auch Tempo-30 Zonen und Ähnlichem oft nur noch die Möglichkeit des passiven Schallschutzes, um wenigstens die schlimmste Belastung zu vermindern.

    Zu anderen Lärmbelästigungen in der Stadt, wie etwa Fluglärm, gibt es noch keine so detaillierten Untersuchungen. Die gerade erschienene Studie dürfte aber auch hier allen Lärmgegnern neue Argumente liefern. Die umfangreiche Datenersammlung bietet noch viel Stoff für weitere Auswertungen.