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Landschaften aus der Vogelperspektive

Der amerikanische Künstler Robert Smithson hat sich Bildern verschrieben, die landschaftliche Veränderungen zeigen. Die Filme und Fotos aus der Vogelperspektive sind zurzeit in Siegen zu sehen.

Christiane Vielhaber im Gespräch mit Katja Lückert |
    Katja Lückert: Bei mir ist jetzt schon wieder eine Frau, die über einen Mann reden will, und dieser Mann heißt Robert Smithson und er war ein bekannter amerikanischer Land-Art-Künstler – war, weil Smithson nur 35 Jahre alt geworden ist. Er starb bei einem Flugzeugabsturz in New Mexico 1973. Wobei ich fast schon bei meiner ersten Frage wäre, Christiane Vielhaber. Land Art, also Bilder, die durch landschaftliche Veränderungen entstehen, kann man eigentlich am Besten aus der Vogelperspektive zeigen. Sind es also überwiegend Filme und Fotos, die gerade im Siegener Museum für Gegenwartskunst gezeigt werden?

    Christiane Vielhaber: Das ist richtig. Es werden vier Filme gezeigt, wobei nicht alle vier Filme mit seinen Projekten, mit seinen realisierten Projekten zu tun haben, aber die Vogelperspektive ist ganz schön. Aber was bei diesen Filmen im Vordergrund steht, das ist der Prozess, wie es entstanden ist, und dann würde ich auch wie Smithson selber nicht mehr von Land Art sprechen, sondern von Erdarbeiten, denn Land Art – das kennen wir so ein bisschen von Christo, da wird das alles ein bisschen aufgehübscht und werden Bäume umwickelt und rosa, oder Seen, oder Richard Long, der dann irgendwie Fundstücke sammelt oder Steine zu einem Kreis zusammenführt und so und das ganze dann auch museal vermarktet, das ist bei Smithson alles nicht gewesen. Er ging davon aus, dass die Museen die Kunst neutralisieren, und das ist das letzte, was er wollte. Aus diesem Grund hat er zum Beispiel auch die wichtige "Documenta" 1972, die fünfte "Documenta" in Kassel abgesagt. Das war ihm alles zu kommerziell und letztlich zu kultiviert. Er ist immer dahin gegangen, wo an der Natur vorher schon gearbeitet worden ist, zum Beispiel von Bergarbeitern, oder in Holland – und diese Arbeit steht im Zentrum der Siegener Ausstellung, einer Sandkuhle sozusagen in Holland, in Friesland, um die Ecke von Meppen, vom Emsland, wo auch heute noch Sand abgebaut wird, und da ist er dann hingegangen. Und dieses aus der Vogelperspektive noch mal, da erweist sich irgendwo eine Ästhetik. Aber entscheidend war für mich jetzt zu sehen, wie die Bulldozer da arbeiten, wie Steine transportiert werden, wie Sand weggeschafft wird.

    Lückert: Viele von diesen Land-Art-Werken, wenn man noch mal Land Art sagen darf, bestehen längst nicht mehr, weil sich die Natur das Land wieder zurückgeholt hat, und das Bedeutendste von Smithson liegt in Utah und nennt sich "Spiral Jetty". Das ist so eine Spirale, man kann es vom Flugzeug aus sehen. Gab es da auch einen Film über dieses Werk?

    Vielhaber: Ja. Jetty ist eine Mole, eine Mole, wie der Norddeutsche sagt, und dazu hat er zigtausend Basaltsteine in diesen Salzsee reinlegen lassen. Dieser Film fasziniert einfach durch die große …

    Lückert: Aber es funktioniert noch!

    Vielhaber: Das funktioniert noch. Der andere wichtige Film in Holland, da ist es passiert: In diesem Sandabbau hat sich dann Grundwasser hochgemacht und dann gab es einen See. In den letzten Jahren – die Arbeit ist 1971 gemacht worden in Holland – wurde mehr und mehr auf Grundwasser verzichtet, und das heißt, der Spiegel ist um 30 Zentimeter hochgekommen und dadurch verschwand das, was er in diesen See reingebaut hat. Es gibt wunderschöne Aufnahmen, wo sie sehen, wo Leute auch baden und wo sie unten am Grunde des Sees (und er hat diesen See übrigens genommen, weil er grünes Wasser hat; in Utah der See hat rotes Wasser durch rote Algen) das völlig verschwunden ist, und jetzt hat man sich in Holland darauf besonnen, dass das wirklich ein tolles Kunstwerk ist, und hat das alles wieder angehoben und befestigt.

    Lückert: Sprechen wir doch noch mal ein bisschen über das kunsttheoretische Konzept dieser Sache dahinter. Sie sagten, nicht Kunst im Museum. Ist es wirklich das, dass man nur draußen was zeigt, also mit natürlichen Stoffen, dass Kultur eben doch nicht Natur sein muss, oder was ist die Idee dahinter?

    Vielhaber: Also ich finde es ganz wichtig, dass er 1968 schon mal in Deutschland war und hat sich mit Bernd Becher getroffen, dem Fotografen, der ja nun im Ruhrgebiet die ganzen Zechen aufgenommen hat. Bernd Becher kommt aus Siegen und in Siegen war Bergbau, und es geht Smithson letztlich darum, das was die Ökonomie für sich in Anspruch genommen hat, nämlich die Förderung von Bergbau,das brachte ja Geld, dass da jetzt eigentlich die Ökologie kommen muss und muss sagen, jetzt nicht im Sinne von Aufforsten, aber Rekultivieren und Kultivieren durch Kunst, also durch seine Form von Kultur, also da wieder was hinsetzen, was sinnvoll ist und was auch eine besondere Art von Schönheit ist, was aber auch mit Arbeit verbunden ist.

    Lückert: Christiane Vielhaber war das über den Künstler Robert Smithson, zu sehen in Siegen.