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Landtagswahl in Schleswig-Holstein
"Wer Ministerpräsident wird, ist noch vollkommen offen"

Die CDU sei bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein stärkste Partei geworden, ob sie aber am Ende auch den Ministerpräsidenten stelle, sei eine sehr offene Frage, sagte der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner im DLF. Stegner räumte ein, dass seine Partei nach den Stimmverlusten nicht in der Lage sei, Forderungen zu stellen.

Ralf Stegner im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 08.05.2017
    Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner.
    Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner. (pa/dpa/Rehder)
    Tobias Armbrüster: Am Telefon ist Ralf Stegner von der SPD, Landesvorsitzender seiner Partei in Schleswig-Holstein, außerdem SPD-Bundesvize. Schönen guten Morgen.
    Ralf Stegner: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Stegner, wo ist er jetzt, der Schulz-Effekt?
    Stegner: Ich glaube, dass solche Zuschreibungen nicht so richtig helfen. Es ist sehr viel leichter, heute Morgen zu erklären, woran es nicht gelegen hat, als zu erklären, woran es gelegen hat. Definitiv nicht gelegen hat es an der Bundespartei. Als wir den Wahlkampf gestartet haben, lag die Bundespartei bei 22 Prozent. Jetzt liegt sie bei 29 oder knapp 30. Martin Schulz hat uns wirklich unterstützt und eher geholfen. Ansonsten müssen wir diese drei Prozent, die wir da verloren haben im Land, schon auf uns selber nehmen und untersuchen, woran es liegt. Das ist nicht ganz so einfach. Ich misstraue auch den Schnellanalysen, die manchmal an Wahlabenden formuliert werden. Wir haben unsere Wahlziele leider nicht erreicht. Es hat einen Bruch gegeben in den letzten 14 Tagen dieses Wahlkampfes. Das haben wir zu analysieren, wir werden uns heute die Wahlanalysen genau anschauen. Und im Übrigen ist natürlich jetzt auch vieles ungeklärt, was in Schleswig-Holstein herauskommt. Wie die Regierung gebildet wird, weiß kein Mensch. Ich habe dem Oppositionsführer gratuliert gestern zu der Wahl, der ist stärkste Partei. Aber wer Ministerpräsident wird, ist noch vollkommen offen.
    "Ich finde das wirklich bitter und beschönige das gar nicht"
    Armbrüster: Herr Stegner, Sie versuchen, das jetzt ein bisschen zu beschönigen. Fest steht doch, …
    Stegner: Nein, ich beschönige das nicht! Klare Wahlniederlage.
    Armbrüster: Ja gut, danke. – Vor einigen Wochen hat Ihre Partei noch erlebt, wie sie in einem absoluten Stimmungshoch steckt. Da kam der Begriff Schulz-Effekt herauf. Dann hatten wir die Wahl im Saarland, da hat das schon nicht gefruchtet. Jetzt nicht in Schleswig-Holstein. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die SPD irgendwie in ein bundesweites Stimmungshoch kommt, um das bei der Bundestagswahl hinzukriegen?
    Stegner: Entschuldigung! Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass der Blitz in die Partei gefahren ist, 16.000 neue Mitglieder und all dieses. Aber dass wir natürlich jetzt nicht monatelang solche Zuwächse haben werden, wie die in den ersten Wochen waren, das war ja wohl klar. Wir haben jetzt jahrelang mit Anfang 20 Prozent herumgehühnert.
    Armbrüster: Im Gegenteil! Sie sinken gerade wieder. Es geht wieder zurück.
    Stegner: Ja, aber doch auf einer Größenordnung, die deutlich besser ist als das, was wir lange Jahre hatten. Jetzt sind wir bei Ende 20, das ist mal ein Prozent mehr, ein Prozent weniger. Man darf das auch nicht dramatisieren. Und ich sage Ihnen, wir haben schon am nächsten Sonntag eine andere Landtagswahl in NRW und die Bundestagswahl ist auch ein anderes Spiel. Ich finde das wirklich bitter und beschönige das gar nicht und für mich war die Wahl gestern sehr wichtig, das können Sie mir glauben. Und trotzdem, finde ich, muss man die richtigen Ursachen herausfinden, und die lagen gewiss nicht im Kanzlerkandidaten und im Parteivorsitzenden, der die Partei sehr, sehr motiviert hat, und Sie werden das schon sehen. Wir werden uns aufstellen für die Bundestagswahl in einer Form, dass wir unsere Wahlchancen optimieren. Aber dass man nicht mit solchen Zuwächsen monatelang vorangehen kann, dann wären wir im September bei 100 Prozent gewesen. Das ist ja schon klar und da muss man Realist sein und darf das nicht meiner Meinung nach übertreiben.
    "Wer am Ende Ministerpräsident wird, ist völlig offen"
    Armbrüster: Wie sehr tut das denn weh, ausgerechnet gegen einen Mann zu gewinnen, den bis vor ein paar Tagen noch niemand eigentlich richtig gekannt hat?
    Stegner: Mir tut das sehr weh. Ich bin leidenschaftlicher Parteipolitiker und Landesvorsitzender der SPD dort. Die Union hat ein bisschen mehr als ein Prozent gewonnen, wir haben drei Prozent verloren. Das ist nicht schön!
    Armbrüster: Man könnte ja zum Beispiel sagen, bei anderen Landtagswahlen, da sind jetzt zwei Männer oder zwei Frauen oder Mann und Frau, das sind gestandene Persönlichkeiten, die machen ein Kopf an Kopf Rennen. Hier haben wir einen etablierten alt bekannten SPD-Politiker, in den früher mal viel Hoffnung gesteckt wurde, der verliert wirklich deutlich gegen ein relativ unbekanntes Gesicht.
    Stegner: So deutlich ist es nun auch wieder nicht. Wir gucken uns das in aller Ruhe an. Und schauen Sie, ich bin nun wirklich nicht in der Situation, dass die SPD jetzt Ansprüche formuliert in Schleswig-Holstein. Da muss mit vielen Parteien geredet werden. Aber wer am Ende Ministerpräsident wird, ist völlig offen. Es muss jemand sein, der die Mehrheit der Sitze im Landtag hinter sich vereinigt, und das ist nicht klar, ob das der Oppositionsführer ist. Aber Sie können sicher sein, wir werden das analysieren, woran es lag in den letzten zwei Wochen. Ich glaube nicht, dass es an den Themen lag. Der Gerechtigkeitswahlkampf, den wir geführt haben, den ja auch Martin Schulz unterstützt, der war schon richtig. Das können Sie daran sehen, dass die Linkspartei nicht in den Landtag gekommen ist. Die Wahlbeteiligung hat zugenommen. Es ist uns leider nicht gelungen, die Rechten rauszuhalten, obwohl die ein sehr schlechtes Ergebnis erzielt haben. Das sind schon viele Fragen, die sich uns da stellen. Aber die Schlussfolgerung, die darf man nun nicht übertrieben einfach ausgestalten. Schleswig-Holstein ist Schleswig-Holstein und in NRW wird es am nächsten Sonntag schon anders aussehen, da bin ich sicher.
    Armbrüster: Herr Stegner, Ihre einzige Chance in Schleswig-Holstein ist jetzt die Ampelkoalition. Was wollen Sie den Grünen und der FDP anbieten?
    Stegner: Es ist zunächst mal so, dass wir nicht in der Lage sind, Forderungen zu stellen. Wir sind die Wahlverlierer, das ist völlig klar, und beschönigen das nicht. Aber klar ist auch, man muss zusammenkommen, und für die SPD gilt was, was für die Grünen ja auch gilt: Wir beteiligen uns nur an Regierungen, wenn Inhalte auch, die wir richtig finden, verwirklicht werden können. Sonst geht man in die Opposition. Wir haben mit den Grünen und dem SSW zusammen gut regiert. Die Grünen werden jetzt sicher Gespräche führen und Herr Günther wird für die Union versuchen, eine Mehrheit zu bilden, und wir werden uns an den Gesprächen auch beteiligen. Das kann ein langer Prozess werden und da ist man klug beraten, heute nicht mit starken Sprüchen aufzuwarten. Die holen einen im Zweifelsfall ein. Aber wie das ausgeht am Ende, das wird man sehen. Wir hatten auch schon andere Landtagswahlen, wo dann am Ende nicht die Partei den Ministerpräsidenten gestellt hat, die die meisten Prozente hatte. Also man weiß es nicht.
    "Es gibt Gemeinsamkeiten auch mit den Liberalen"
    Armbrüster: Es gab jetzt gestern schon erste Stimmen aus den Grünen in Schleswig-Holstein, die genau das gesagt haben, dass sie eigentlich eine Ampelkoalition bevorzugen würden. Mal angenommen, die Grünen wären sehr schnell bei Ihnen im Boot, was würden Sie der FDP sagen?
    Stegner: Na ja. Jedenfalls würde ich das nicht übers Mikrofon tun. Denn Verhandlungen sind nur dann erfolgreich, wenn man sie da führt, wo sie hingehören. Aber richtig ist natürlich, es gibt Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien, auch mit den Liberalen, wenn ich an die Innen- und Rechtspolitik denke oder andere Bereiche. Das muss man dann sehen und schauen, was trennt einen und wo kommt man zusammen. Jedenfalls können das lange Gespräche werden und wie das am Ende ausgeht, weiß im Augenblick wirklich niemand. Die Union ist stärkste Partei geworden, aber ob sie am Ende auch den Ministerpräsidenten stellt, das ist eine sehr offene Frage. Da würde ich nicht zu früh jubeln.
    Armbrüster: Kann man das denn als Verliererpartei mit einem so deutlichen Verlust überhaupt sagen, dass man da jetzt einsteigen will in dieses Rennen um die Regierungsschaffung, oder muss man dann nicht eigentlich sagen, das Signal war so deutlich, da bleiben wir jetzt erst mal draußen?
    Stegner: Entschuldigen Sie! Das Signal war bei anderen schon viel deutlicher. Wir sind mit Helmut Schmidt schon Bundeskanzler geworden, da hatte der Helmut Kohl fast die absolute Mehrheit. Oder Ole von Beust ist in Hamburg Bürgermeister geworden, obwohl die CDU ein miserables Ergebnis hatte. Das weiß man am Ende nicht. Missverstehen Sie mich nicht, wir treten heute nicht großspurig auf, dazu haben wir keinen Grund. Wir haben einen bitteren schlechten Wahlabend, wir haben unsere Wahlziele nicht erreicht. Und trotzdem ist es so: Wenn wir die Lage analysiert haben, wird die SPD geschlossen und selbstbewusst in die Gespräche gehen und dann wird man sehen, was herauskommt. Entweder gehen wir in die Opposition, dann tragen wir auch das, oder es gibt eine Regierungsbeteiligung mit der SPD, dann auch mit Inhalten, die wir vertreten können. Das ist sehr offen und wer sich zu früh freut, der hat am Ende das Nachsehen. Insofern schauen wir uns das in aller Ruhe in Schleswig-Holstein an.
    Armbrüster: … sagt hier bei uns im Deutschlandfunk Ralf Stegner, Landesvorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein. Vielen Dank!
    Stegner: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.