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Langhammer: USA steht vor zwei großen Herausforderungen

Die Amerikaner wählen einen neuen Präsidenten, die anderen und die kommunistische Partei in China gibt sich eine neue Führungsriege. Amerikas Herausforderung sei es, den Schuldenberg abzutragen und Arbeitsplätze zuschaffen. Und auch die Chinesen müssten ihr Wachstumsmodell überdenken, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Rolf Langhammer.

Rolf Langhammer im Gespräch mit Birgid Becker | 05.11.2012
    Birgid Becker: Die Amerikaner wählen morgen ihren Präsidenten und die Kommunistische Partei Chinas gibt sich ab Donnerstag eine neue Führungsriege. In den zwei wichtigsten Wirtschaftsmächten der Welt werden also die Weichen neu gestellt. Was kann das für Konsequenzen haben? Darüber habe ich vor der Sendung mit dem Wirtschaftswissenschaftler Rolf Langhammer gesprochen. Ich habe ihn zunächst um eine Einschätzung der Lage in den USA gebeten. Wer immer das Rennen macht, Obama oder Romney, was werden die Herausforderungen sein?

    Rolf Langhammer: Es sind im Wesentlichen zwei Herausforderungen. Beide Kandidaten haben betont, dass sie Arbeitsplätze schaffen wollen. Die Arbeitslosigkeit verharrt in den USA auf einem recht hohen Niveau von fast acht Prozent. Das ist eine Herausforderung, die beide schaffen müssen – in einer Zeit, in der sowohl die weltwirtschaftliche Lage von der europäischen als auch von der asiatischen Seite nicht positiv ist.
    Und die zweite Herausforderung ist die fiskalische Konsolidierung. Die USA sind auf einem recht hohen Schuldenpfad. Die Stützungsmaßnahmen aus der Krise 2008 laufen aus und jetzt müsste die Konsolidierung beginnen. Aber gerade jetzt ist eben von der Weltwirtschaft kein Rückenwind zu erwarten. Die fiskalische Konsolidierung und gleichzeitig das Schaffen neuer Arbeitsplätze, das sind die Herausforderungen, die jeder der beiden Kandidaten unbedingt bewältigen muss.
    Ich bin nicht überzeugt davon, dass es einem der Kandidaten mit sozusagen einer magischen Kugel gelingt, dieses Problem zu lösen. Insofern kann es uns von unserer Seite nicht gerade egal sein, aber klare Präferenzen kann es von der wirtschaftspolitischen Seite von unserer Seite aus an sich nicht für einen oder für den anderen Kandidaten geben.

    Becker: Wahrscheinlich wird es ja auch so sein, dass jeder neue Präsident es weiter zu tun hat mit den bekannt gegensätzlichen Kräfteverhältnissen zwischen Senat und Kongress. Und obwohl ja die amerikanische Verfassung dem Präsidenten viel Macht einräumt, kann vor diesem Hintergrund überhaupt wirksam Haushaltskonsolidierung oder Schuldenabbau betrieben werden?

    Langhammer: Es muss einfach gelingen, denn sonst gerät die USA immer mehr in die Schieflage einer überbordenden Verschuldung, die dann sowohl von den privaten Haushalten, als auch von den öffentlichen Haushalten nicht mehr getragen werden kann. Und dann würde natürlich auch das Vertrauen der Weltwirtschaft in den Dollar als Leitwährung massiv sinken. Beide Seiten, auch beide Parteien müssen sich im Kongress und im Senat, im Repräsentantenhaus zusammenraufen.

    Becker: Zuweilen wird ja die Gleichung aufgemacht, dass Amerikas Schwäche Europas Stärke sein könnte. Kann diese Gleichung funktionieren?

    Langhammer: Nein. Der eine kann nicht auf Kosten des anderen gewinnen. Wir sind alle über die Finanzmärkte untrennbar miteinander verbunden und dazu kommen natürlich auch noch die asiatischen Länder. Es kann also keine Gewinne auf Kosten des anderen geben.

    Becker: Wechseln wir den Schauplatz, aber nicht ganz das Thema: von den USA nach China. Auf dem 18. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, der am 8. November beginnt, wird wohl eine neue Führungsriege die Macht übernehmen. Die KP wird voraussichtlich Xi Jinping zum neuen Vorsitzenden küren, der dann im März auch Präsident werden könnte. Professor Langhammer, Sie sind im Moment in China. Auffällig ist ja, dass dieser 18. Parteitag kein Thema hat, also kein WTO-Beitritt ja oder nein, oder kein "soll China der Globalisierung folgen", keine große Fragestellung also, die als Motto des Parteitages gilt. Wie werten Sie das?

    Langhammer: Nun, zunächst einmal gibt es ja den 12. Fünf-Jahres-Plan, der bis 2015 läuft. Der ist an sich auch für die neue Führung verpflichtend. Und da geht es um das Eindämmen der Normenungleichheiten, die sich in China immer mehr aufzeigen, zwischen den Provinzen, zwischen den Einkommensgruppen. Diese Ungleichheiten, so habe ich das aus vielen Gesprächen hier in China erlebt, sind ein ganz großes Problem der chinesischen Führung.
    Das zweite Problem ist: Die Chinesen überkommt das Gefühl, dass das alte Wachstumsmodell eines investitionsgetriebenen Wachstums, also immer mehr vom gleichen, dieses Wachstumsmodell würde sich langsam dem Ende zuneigen. Die Zeiten der Wachstumsraten im zweistelligen Bereich sind vorbei. Das war zu erwarten. Aber dass es jetzt kommt, in einer Situation, in der die Weltwirtschaft eben auch China keinen Rückenwind gibt, bringt diese neue Führung in eine wirklich schwierige Situation. Das neue Wachstumsmodell, das eher innovationsgetrieben aussieht, das partizipativ ist, das weite Bevölkerungsgruppen erreichen soll, das nicht mehr auf das Exportmodell setzt, dieses Modell ist noch nicht erprobt, es ist auch überhaupt noch nicht durchgesetzt. Und gleichzeitig ist die Bedrohung von der Weltwirtschaft eben da, dass Exportarbeitsplätze in China verloren gehen, und vielleicht ist diese Unsicherheit auch der Grund dafür, dass die neue politische Führung schweigt, über das, was sie machen wird, und dass auch kein übergeordnetes Thema den Parteitag beherrscht.

    Becker: Weil Sie im Moment ja in China sind, die Frage nach Ihren Eindrücken: Spürt man diese Unsicherheit?

    Langhammer: Ja, man spürt sie. Ich habe mehrere Konferenzen mitgemacht. Man spürt das Suchen nach einem neuen Modell. Selten zuvor sind so viele Fragen von Verteilungsgerechtigkeit angesprochen worden. Natürlich: Man schweigt, wenn es dann wirklich um die konkreten Maßnahmen geht, weil man natürlich einer neuen Führung nicht vorgreifen will und sich auch nicht so sehr aus dem Fenster lehnen will. Aber nichtsdestoweniger: Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, der Ungleichheit haben diese Gespräche am Rande von Konferenzen sehr beherrscht.

    Becker: Wenn China nun selbst auf der Suche nach einem neuen Wachstumsmodell ist, wie Sie sagen, erübrigen sich dann Hoffnungen auf China in der Rolle des Euro-Retters?

    Langhammer: Nein, ganz und gar nicht. Natürlich erwartet man hier in China von der Euro-Gruppe, dass sie ihre internen Verteilungsprobleme löst. Die Chinesen wären sehr zufrieden, wenn es Eurobonds gäbe. Dann sähen sie in einem sozusagen harmonisierten Anleihenmarkt in Europa eine echte Alternative zur Anlage in Dollars. Das ist ja ihr Problem. Und dann würden sie auch dem Euro in ihrem Währungswechselkorb einen erheblich größeren Raum einräumen. Aber natürlich sehen sie auch, dass dies ein internes Verteilungsproblem ist. Wir müssen immer die Frage klären, wer in Europa zahlt das. Aber nichtsdestoweniger sind die Chinesen sehr daran interessiert, dass die Euro-Krise gelöst wird, beziehungsweise dass es eben zu einer stärkeren Harmonisierung und Vereinigung von nationalen Märkten, Finanzmärkten kommt. Das wäre für sie ein Signal, zu investieren.

    Becker: Der Wirtschaftswissenschaftler Rolf Langhammer war das, zurzeit ist er in China unterwegs. Bis zum Sommer war er Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.