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"Last Supper" für die Laptop-Generation

In der 25 Meter hohen und mehr als 5000 Quadratmeter großen historischen Exerzierhalle der Park Avenue Armory, die nach der Vorlage europäischer Bahnhofshallen der Jahrhundertwende gebaut wurde, sieht Peter Greenaways Kunstinstallation "The Last Supper" wie ein holographisches Renaissance-Raumschiff in einem gigantischen Hangar aus.

Von Andreas Robertz |
    Auf überdimensionalen Projektionsflächen, Leinwandsäulen und Bodenflächen in der Mitte der sonst völlig dunklen Halle sind Motive aus Kunst und Architektur der italienischen Renaissance projiziert.

    In gut 40 Minuten führt Peter Greenaway den Besucher durch seine Hommage an die Renaissance: zuerst in einem Prolog über eine italienische Piazza mit einer multimedialen Liebeserklärung an das urbane Italien vom antiken Pompeji bis zum modernen Rom; im Hauptteil betritt man einen Raum, der dem Refektorium des Mailänder Klosters Santa Maria della Grazie nachempfunden ist und in dem Leonardo sein Meisterwerk auf den rohen Wandputz gemalt hat; und zum Schluss als eine Art Epilog geht es zurück auf die Piazza, wo verschiedene Stimmen eine kunsthistorische Einführung in Paolo Veroneses "Hochzeit zu Kanaa" geben. Das gewaltige Bild über ein anderes biblisches Mahl mit 124 ausgemalten Figuren hat Veronese seinerzeit mehrmals vor die Inquisition gebracht.

    Wer mit Filmen wie "Die Kontrakte des Zeichners", "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" oder "Prosperos Bücher" vertraut ist, weiß dass Peter Greenaway kein Purist ist. Mit einer Flut aus Farben, Bildern und Sounds beamt er den Besucher in die Welt der italienischen Renaissance. Er setzt auf den Rausch der Farben und Motive, zeigt durch Wiederholungen Parallelen auf und variiert dabei immer wieder die Perspektiven.

    Im Hauptraum der Installation ist ein weißer Tisch aufgebaut, der nicht nur an die Tafel des Refektoriums erinnert, sondern an die Tafel auf dem Bild selbst. Alle Gegenstände darauf sind wie auf dem Bild angeordnet und leuchten in verschiedenen Farben. Da Vinci soll die Gegenständen so angeordnet haben, dass sie die Sternenkonstellation am Nachthimmel über Mailand im 15. Jahrhundert widerspiegeln. In der Apsis des Raumes hängt der sogenannte "Klon": Leonardos "Letztes Abendmahl" in Originalgröße, eine Kopie, die mit moderner hochauflösender Foto- und Scantechnik hergestellt wurde und, um so weit wie möglich dem Original zu entsprechen, Stück für Stück auf speziellen Wandputz mit Tinte gedruckt wurde.

    Greenaway benutzt verschiedene Lichtquellen innerhalb des Bildes, von hinten, von oben und von vorn um Schlaglichter zu setzen; die vierte Lichtquelle ist das für den Besucher unsichtbare Fenster des Refektoriums, dessen Tageslicht langsam über das Bild wandert. Alles ist in ständiger Bewegung, ein Kunstwerk voller Geschichten. Bei all den erstaunlichen Effekten betreibt Greenaway allerdings keine Dekonstruktion des Werkes, er zerlegt es nicht in seine Einzelteile. Indem auch er mit dem Licht spielt, einer Methode, die die Renaissancekünstler so meisterhaft beherrschten, lädt er die Besucher dazu ein, die Vorstellungswelt des Meisters selbst nachzuempfinden.

    Zum Beispiel erscheint das Bild durch Lichtveränderung plötzlich wie aus der Hand Grecos, im nächsten Moment sieht es wie ein Caravaggio aus, beide Meister des Lichts und der Perspektive, deren Werk Da Vinci sehr genau gekannt und auf die sich seine Arbeit mit bezogen hat.

    Eine kürzlich in verschiedenen Museen vorgenommene Befragungen über die Sehgewohnheiten der Besucher ergab, dass die Mehrheit ein Kunstwerk im Schnitt zwischen 2 und 20 Sekunden ansehen, wobei die Mona Lisa mit 15 Sekunden schon im absolut oberen Bereich liegt. Bei "The Last Supper" ist man nach vierzig Minuten versucht, noch für eine weitere Vorstellung zu bleiben.

    Greenaway belebt sehr erfolgreich eine alte Lust: Die Lust des Verstehens.

    Weitere Informationen:
    Trailer zur Greenaway-Installation auf Youtube