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Laufschuhe
Das Wegwerfprodukt

Die Laufschuh-Produktion für Sport und Alltag läuft auf Hochtouren. Obermaterialien sind nicht mehr aus Stoff, sondern aus Kunststoff-Garnen. Damit aber werden Sportschuhe auch Teil des großen Plastik-Müllstroms, der hierzulande in Verbrennungsanlagen landet und anderswo Deponien wachsen lässt.

Von Anke Petermann | 15.06.2019
Sportschuhe auf einem erleuchteten Regal in einem Geschäft
Laufschuhe aus Kunststoff (picture alliance / Pascal Deloche)
Müheloses Laufen - thermoplastisches Polyurethan von BASF macht es möglich – verspricht die Werbung. Der Chemiekonzern ist stolz auf seine Sohlen-Innovation namens "Infinergy". Die unendliche Energie im Wunder-Schaumstoff soll Anfängern Flügel verleihen und Profis Marathon-Siege sichern.
Der Rückstoß-Effekt mag hervorragend sein, doch am Ende des Lebenszyklus wird Polyurethan zum größten Teil "thermisch verwertet" - so nennt die Industrie das Verbrennen. Kaum ein Sportschuh kommt ohne dieses Erdöl-Produkt aus. Adidas und Puma kaufen Polyurethan bei BASF, aber auch viele andere Chemiefirmen liefern es.
Unter den Sportartikelkonzernen wirbt Adidas besonders intensiv mit Nachhaltigkeitsversprechen. Nach fast einem Jahrzehnt Forschung bringt die deutsche Firma 2021 einen Laufschuh auf den Markt, der komplett recyclingfähig sein soll. Und zwar weil er bis zu den Schnürsenkeln nur aus einem einzigen Material besteht, dem thermoplastischen Polyurethan TPU.
"Das Gute an dem Material ist: Es schmilzt leicht, und es wird im Prinzip leicht abgeschmolzen und dadurch eine Verbindung geschaffen, von der Sohle zu dem Obermaterial ", erklärt Matthias Amm, bei Adidas Produktmanager Laufschuhe:
"Und dadurch haben wir eine Verbindung, die nicht mit Kleber vonstatten geht, sondern das Material an sich schafft diese Verbindung."
Sneaker aus recycelten Plastikflaschen
Der Klebstoff habe bislang neben der Materialvielfalt die Wiederverwertbarkeit behindert. 200 ausgewählte Läufer testen den neuen "Loop"- also Kreislauf-Schuh, seit April. Nach der Rückgabe soll er gereinigt, gehäckselt und zunächst unter Beimischung von neuem TPU wieder zum verkaufsfertigen Produkt werden. Wobei Adidas noch nicht entschieden hat, "welche verschiedenen Rücknahmesysteme wir anbieten können. Ist es im Shop, kann man die zurückschicken?"
Auch ein "Loop"-Abonnement hält Amm für denkbar. Soweit die Vision. Bei weitem nicht ausreichend, findet die Deutsche Umwelthilfe. Als global agierender Konzern hätte Adidas längst ein weltweites Pfandsystem aufbauen müssen, moniert die Umweltorganisation. Das hat allerdings keiner der großen Sportschuh-Hersteller. Bislang beschäftigten sie sich hauptsächlich mit dem Recycling von Obermaterial.
Die Schuhe einer Fußgängerin auf einer regennassen Straße in der Innenstadt von Frankfurt.
Turnschuhe sind heute auch ein Stück Lifestyle und werden im Alltag getragen. (picture alliance / Frank Rumpenhorst)
Puma will im kommenden Jahr eine Sneakers-Kollektion mit Garn aus recycelten Plastikflaschen auf den Markt bringen. US-Konkurrent Nike schreddert ausrangierte Laufschuhe zu sogenanntem Grind, gewinnt aus diesem Granulat Fäden für neue Schuhe, aber auch Plastik für Bodenbeläge von Sportplätzen. Doch Granulat-Partikel würden in die Umwelt verweht, schreiben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts "Umsicht" in Oberhausen. Die Forscher zählen Sportplätze samt Fußball-Kunstrasen zu den größten Quellen für Mikroplastik in Deutschland.
"Fast fashion" beschleunigt Kauf-Wegwerf-Rhythmus
Die Sportartikel-Industrie erzeugt häufig wechselnde Trends, begleitet von jeweils passenden medizinischen Begründungen. Mal wird viel, mal wenig Dämpfung empfohlen. Doch "fast fashion", der beschleunigte Kauf- Wegwerf-Rhythmus, schadet der Umwelt, konstatiert Andreas Köhler vom Öko-Institut Freiburg im Breisgau. Warum es keine Ökobilanz als Etikett auf Laufschuhen gibt?
"Üblicherweise ist das Problem bei Ökobilanzen, dass wir nicht so genau wissen, was die Konsumenten mit dem Produkt machen, zum Beispiel wie lange die Schuhe getragen werden."
Zu kurz werden Laufschuhe genutzt, findet die Deutsche Umwelthilfe, vor allem deshalb, weil die Hersteller keine Reparaturen anböten.
Besonders offensiv wirbt der Sportkonzern Adidas auch mit Umwelt-Ansprüchen ans Obermaterial-Recycling. Gemeinsam mit der US-Partnerorganisation "Parley for the Oceans" sammelten Freiwillige dafür Plastikmüll an Ozeanstränden. Umwelt-Aktivisten, die das Material für Laufschuh-Garne am Meer zusammenklauben?
"Werbemaßnahme und Greenwashing"
Klingt gut, lässt sich aber kaum überprüfen. Das Gesammelte gehe zu einem Recycler, erläutert Adidas-Produktmanager Amm: "Wir haben da verschieden Zulieferer bei den Fabriken in Asien, die die Plastikflaschen nehmen, in Garn umwandeln und dieses Garn wird dann in unsere Fabriken genommen, wo wir dann eben die Schuhe herstellen."
Elf Millionen Paar dieses Typs sollen allein 2019 produziert werden. Was zeigt: Recycling-Versprechen ziehen als Verkaufsargument. Doch die Deutsche Umwelthilfe hatte zum Projektstart 2015 schon konstatiert: "Wir halten das für eine reine Werbemaßnahme und Greenwashing von problematischen Kunststoffprodukten."
Dabei bleibt die Umweltorganisation. Und sieht nicht nur Adidas in der Pflicht, "insgesamt unökologische" Sortimente nachhaltig zu gestalten. Die gesamte Produktpalette von Sportartikel-Herstellern müsse "langlebig und recyclingfähig" werden. Doch bei Reparaturangeboten patzen die Konzerne. Laufschuh-Sohlen tauschen nur kleine Manufakturen in Mecklenburg und Bayern aus.