Der Wundertäter auf der Bühne: Australiens Barrie Kosky. Im Kino hat er gut aufgepasst. Von Dracula bis Independence Day – alles feiert hier fröhliche Urständ. Die Bühne von Peter Corrigan rotiert: Flammenwerfer wie Rednerpulte, die fahren. Bläue Häuschen, die sich immer neu gruppieren wie im Ballett.
Breughelland ist ein schwarzer Puff-Container und sein Fürst Go-Go in seinen kurzen Bowls-Hosen – wenn er sie überhaupt an hat und nicht jemand in die Eier greift – der bedürftigste Klient. Das rosarote Bett des Chefs dieses Operettenstaats ist ein Abtritt. Aus dessen Loch lugt die Glatze des einäugigen, armlosen Polizeichefs. Wie auf Knopfdruck gibt er (eine "sie") irrwitzige Koloraturen zum Besten. Konjunktionen und Kopulationen aller Arten.
György Ligetis 1978 in Stockholm uraufgeführte Oper Le Grand Macabre ist eine Weltuntergangs-Fantasie aus der "Wir sind noch einmal davon gekommen"-Perspektive. Die Vorlage, Michel de Ghelderodes Schauspiel von 1934, war da mit Blick auf den Wellenreiter der braunen Flut, Fürst Adolf, noch weniger gelassen.
Viele formale und musikalische Anspielungen hat Ligeti in sein "Singspiel" gepackt, von Bach bis Beethoven, von Rossini bis Offenbach. Das leitmotivige Vorspiel als Konzert für Autohupen war gedacht als Verbeugung vor Varèse und die Aufbruchstimmung der zwanziger Jahre, die abschließende Passacaglia als eine an Alban Berg.
Vor einigen Jahren erarbeitete Ligeti eine aus den Erfahrungen der Praxis gespeiste Neufassung. Der einstige Theater-"Naive", wie Ligeti sich selbst bezeichnet, hatte dazu gelernt. Die gesprochenen Dialoge hat er weitgehend gekürzt oder auskomponiert, viele instrumentatorische Details retuschiert, insgesamt das Stück gestrafft auf gut hundert pausenlose Minuten.
Diese Fassung von 1996 liegt der Berliner Aufführung zugrunde. Und das Orchester, Chor und Solisten der Komischen Oper unter der Leitung von Matthias Foremny bewältigen die Partitur grandios. Ein Kabinettsstück: Akie Amou als blankgeputzter Chef der Geheimen Politischen Polizei mit ihren anspielungsreichen Rossiniaden.
Martin Winkler ist der blutgierig werwölfige Sensenmann Nekrotzar, Brian Galliford der feixend feucht-fröhliche Helfershelfer als Totengräber Piet vom Fass. Die liebende Amanda, die sich mit ihrem Boy in eine unterirdische Kuhle versteckt und den ja doch nicht eintretenden Weltuntergang ver-liebt, ver-schläft, gibt mit zarter Stimme Valentina Farcas.
Professionell mischt Regisseur Barrie Kosky die Mittel und Stile. Ein bisschen Musical, ein bisschen Grusel- und Katastrophenfilm, die Technik rotiert. Teuer. Aber, fragt man sich am Ende, was hat man eigentlich erlebt? Nichts, oder nicht viel. War alles schon mal da. Zarter besaitete Opernbesucher sollten sich vielleicht dennoch die Spucktüte einpacken. Die steckt hier nicht im Vordersessel.
Das Premieren-Auditorium jedenfalls taumelte vor Glück. Ein Spektakel. Endlich ein Theater-Spektakel! Blut, Fäkalien, Sperma und ein bisschen Hintersinn. Vielleicht ja auch so ein "rettender Strohhalm" in der dräuenden Opern-Dämmerung. Hosen runter jedenfalls heißt eine Theater-Maxime, wenn einem sonst nichts einfällt. Hier fallen die Höschen wie das Laub im Herbst.
Link: mehr ...
1424.html
Breughelland ist ein schwarzer Puff-Container und sein Fürst Go-Go in seinen kurzen Bowls-Hosen – wenn er sie überhaupt an hat und nicht jemand in die Eier greift – der bedürftigste Klient. Das rosarote Bett des Chefs dieses Operettenstaats ist ein Abtritt. Aus dessen Loch lugt die Glatze des einäugigen, armlosen Polizeichefs. Wie auf Knopfdruck gibt er (eine "sie") irrwitzige Koloraturen zum Besten. Konjunktionen und Kopulationen aller Arten.
György Ligetis 1978 in Stockholm uraufgeführte Oper Le Grand Macabre ist eine Weltuntergangs-Fantasie aus der "Wir sind noch einmal davon gekommen"-Perspektive. Die Vorlage, Michel de Ghelderodes Schauspiel von 1934, war da mit Blick auf den Wellenreiter der braunen Flut, Fürst Adolf, noch weniger gelassen.
Viele formale und musikalische Anspielungen hat Ligeti in sein "Singspiel" gepackt, von Bach bis Beethoven, von Rossini bis Offenbach. Das leitmotivige Vorspiel als Konzert für Autohupen war gedacht als Verbeugung vor Varèse und die Aufbruchstimmung der zwanziger Jahre, die abschließende Passacaglia als eine an Alban Berg.
Vor einigen Jahren erarbeitete Ligeti eine aus den Erfahrungen der Praxis gespeiste Neufassung. Der einstige Theater-"Naive", wie Ligeti sich selbst bezeichnet, hatte dazu gelernt. Die gesprochenen Dialoge hat er weitgehend gekürzt oder auskomponiert, viele instrumentatorische Details retuschiert, insgesamt das Stück gestrafft auf gut hundert pausenlose Minuten.
Diese Fassung von 1996 liegt der Berliner Aufführung zugrunde. Und das Orchester, Chor und Solisten der Komischen Oper unter der Leitung von Matthias Foremny bewältigen die Partitur grandios. Ein Kabinettsstück: Akie Amou als blankgeputzter Chef der Geheimen Politischen Polizei mit ihren anspielungsreichen Rossiniaden.
Martin Winkler ist der blutgierig werwölfige Sensenmann Nekrotzar, Brian Galliford der feixend feucht-fröhliche Helfershelfer als Totengräber Piet vom Fass. Die liebende Amanda, die sich mit ihrem Boy in eine unterirdische Kuhle versteckt und den ja doch nicht eintretenden Weltuntergang ver-liebt, ver-schläft, gibt mit zarter Stimme Valentina Farcas.
Professionell mischt Regisseur Barrie Kosky die Mittel und Stile. Ein bisschen Musical, ein bisschen Grusel- und Katastrophenfilm, die Technik rotiert. Teuer. Aber, fragt man sich am Ende, was hat man eigentlich erlebt? Nichts, oder nicht viel. War alles schon mal da. Zarter besaitete Opernbesucher sollten sich vielleicht dennoch die Spucktüte einpacken. Die steckt hier nicht im Vordersessel.
Das Premieren-Auditorium jedenfalls taumelte vor Glück. Ein Spektakel. Endlich ein Theater-Spektakel! Blut, Fäkalien, Sperma und ein bisschen Hintersinn. Vielleicht ja auch so ein "rettender Strohhalm" in der dräuenden Opern-Dämmerung. Hosen runter jedenfalls heißt eine Theater-Maxime, wenn einem sonst nichts einfällt. Hier fallen die Höschen wie das Laub im Herbst.
Link: mehr ...
1424.html